Arbeitsrecht -

Aktueller Gesetzentwurf im Arbeitsrecht: So sollen Zeitkonten besser geschützt werden

Der Gesetzgeber bleibt auch weiterhin im Arbeitsrecht aktiv. Neben den Änderungen zur Einführung eines Mindestlohns hat er nun einen weiteren Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Es handelt sich um das Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen („Flexi II“).

Das Gesetz soll zum 01.01.2009 in Kraft treten und kann sämtliche Arbeitgeber und Arbeitnehmer betreffen, die flexible Arbeitzeitregelungen vereinbart haben. Insbesondere um eine persönliche Haftung von Geschäftsführern und ähnlichen Personen zu vermeiden, sollten sich Arbeitsrechtler bereits jetzt mit dem Gesetzentwurf auseinandersetzen. Am Ende des Beitrags finden Sie ein Musterschreiben an Arbeitgeber-Mandanten.{DB:tt_content:2566:bodytext}

Die heutige Rechtslage

Im SGB IV (gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung) ist in den Anfangsparagraphen geregelt, wer sozialversicherungsrechtlich versichert ist, wann eine Beschäftigung vorliegt u.ä.

Im Arbeitsrecht gelten grundsätzlich andere Definitionen als im Sozialversicherungsrecht. Allerdings ist in der Praxis für die tägliche Beratung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern auch für Arbeitsrechtler eine Grundkenntnis des Sozialversicherungsrechts unumgänglich. Hier sollen nun grundlegende Änderungen vorgenommen werden.

Durch das Gesetz zur Sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen („Flexi- Gesetz“) wurden die sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen verbessert, wodurch Zeitwertkonten an Verbreitung gewonnen haben. Zeitwertkonten sind Arbeitszeitkonten, in die ein Arbeitnehmer Arbeitsentgelt oder Arbeitszeit einbringen kann, um dann eine bezahlte Freistellung zu finanzieren.

Nach aktuellen Studien werden Zeitwertkonten bei ca. 20-25 % der Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten verwendet. Die Bedingungen für Zeitwertkonten sollen nun durch das „Flexi-II-Gesetz“ geändert werden.

Die Begründung für die Änderungen

Wertguthabenvereinbarungen haben sich durchgesetzt. Gerade in großen Tarifbereichen wie in der Metall- und Elektroindustrie und in der chemischen Industrie existieren vielfältige tarifliche Regelungen.

In der betrieblichen Praxis hat sich allerdings gezeigt, dass Abgrenzungsprobleme von Wertguthabenvereinbarungen zu anderen Formen flexibler Arbeitszeitgestaltung existieren. Dies will der Gesetzgeber reformieren. Daneben hat man festgestellt, dass die auch bisher geltende Insolvenzschutzverpflichtung nur unzureichend befolgt wird. Kommt es dann zur Insolvenz des Arbeitgebers verfallen umfängliche Wertguthaben der Beschäftigten. Reformiert wird auch die zwingende Auflösung der Wertguthaben, insbesondere im Fall eines Arbeitgeberwechsels.

Die Lösung der Bundesregierung

Folgende Gegenstände sollen verändert werden:

  • Ergänzung der Definition von Wertguthaben und praxisorientierte Abgrenzung zu anderen Formen der Arbeitszeitflexibilisierung
  • Konkretisierung der Pflichten bei der Führung von Wertguthaben
  • Verbesserung des Insolvenzschutzes von Wertguthaben
  • Einführung einer beschränkten Portabilität von Wertguthaben


Im Einzelnen:

Zunächst soll in einem neuen § 7b die Definition einer Wertguthabenvereinbarung erfolgen:

§ 7b Wertguthabenvereinbarungen

Eine Wertguthabenvereinbarung liegt vor, wenn

1. der Aufbau des Wertguthabens aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung erfolgt,
2. diese Vereinbarung nicht das Ziel der flexiblen Gestaltung der ... Arbeitszeit ... verfolgt,
3. Arbeitsentgelt in das Wertguthaben eingebracht wird, um es für Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung oder der Verringerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit zu entnehmen,
4. [...] und
5. das fällige Arbeitsentgelt insgesamt 400 € monatlich übersteigt, es sei denn, die
Beschäftigung wurde vor der Freistellung als geringfügige Beschäftigung ausgeübt.

Die Verwendung der Guthaben

In § 7c folgt sodann eine Definition, wann diese Wertguthaben in welcher Form verwendet werden können. Vereinfacht kann gesagt werden, dass die Wertguthaben nur für Zeiten der Arbeitszeitfreistellung verwendet werden können. Im einzelnen sieht § 7c Folgendes vor:

§ 7c Verwendung von Wertguthaben

(1) Das Wertguthaben aufgrund einer Vereinbarung nach § 7b kann in Anspruch genommen
werden

1. für gesetzlich geregelte vollständige oder teilweise Freistellungen von der Arbeitsleistung
oder gesetzlich geregelte Verringerungen der Arbeitszeit, insbesondere für Zeiten,
a) in denen der Beschäftigte nach § 3 des Pflegezeitgesetzes [...] einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegt,
b) in denen der Beschäftigte [...] ein Kind selbst betreut und erzieht,
c) für die der Beschäftigte eine Verringerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nach § 8 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes verlangen kann; § 8 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes gilt mit der Maßgabe, dass die Verringerung der Arbeitszeit auf die Dauer der Entnahme aus dem Wertguthaben befristet werden kann,

2. für vertraglich vereinbarte vollständige oder teilweise Freistellungen von der Arbeitsleistung oder vertraglich vereinbarte Verringerungen der Arbeitszeit, insbesondere für Zeiten
a) die unmittelbar vor dem Zeitpunkt liegen, zu dem der Beschäftigte eine Rente wegen Alters nach dem Sechsten Buch bezieht oder beziehen könnte oder
b) in denen der Beschäftigte an beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen teilnimmt.
[...].

Achtung: Insolvenzschutz

Der Insolvenzschutz war bisher in § 7b SGB IV geregelt. Schon nach der Altregelung hatten die Vertragsparteien Vorkehrungen für eine Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers zu treffen. Der Unterschied zu der geplanten Neuregelung besteht darin, dass nunmehr auch die organschaftlichen Vertreter haften sollen.

Folgenden Wortlaut soll §7e erhalten:

§ 7e Insolvenzschutz

(1) Die Vertragsparteien treffen im Rahmen ihrer Vereinbarung nach § 7b durch den Arbeitgeber zu erfüllende Vorkehrungen, um das Wertguthaben einschließlich des darin enthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeitrags gegen das Risiko der Insolvenz des Arbeitgebers vollständig abzusichern, [...]
(4) Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten unverzüglich über die Vorkehrungen zum Insolvenzschutz in geeigneter Weise schriftlich zu unterrichten, wenn das Wertguthaben die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 genannten Vorraussetzungen erfüllt. [...]
(6) Stellt der Träger der Rentenversicherung bei der Prüfung des Arbeitgebers nach
§ 28p fest, dass [...] für ein Wertguthaben keine Insolvenzschutzregelung getroffen worden ist [...] weist er in dem Verwaltungsakt [...] den in dem Wertguthaben enthaltenen
und vom Arbeitgeber zu zahlenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag aus.
(7) Kommt es wegen eines nicht geeigneten oder nicht ausreichenden Insolvenzschutzes zu einer Verringerung oder einem Verlust des Wertguthabens, haftet der Arbeitgeber für den entstandenen Schaden. Ist der Arbeitgeber eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, haften auch die organschaftlichen Vertreter gesamtschuldnerisch für den Schaden. Der Arbeitgeber oder ein organschaftlicher Vertreter haften nicht, wenn sie den Schaden nicht zu vertreten haben.

Portabilität

Auch die Übertragung der Wertguthaben soll gesetzlich verankert werden. Interessant ist hierbei, dass der Beschäftigte verlangen kann,

  • dass die Wertguthaben auf den neuen Arbeitgeber übertragen werden, sofern mit diesem eine Vereinbarung getroffen wird oder
  • dass die Guthaben auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragen werden. Der Arbeitnehmer kann dann die Guthaben im Falle einer Freistellung von der Arbeitszeit zurückverlangen. Gleiches gilt beispielsweise für die Zeit, die unmittelbar vor der Rente liegt.

Der Gesetzeswortlaut im Entwurf dazu lautet:

§ 7f Übertragung von Wertguthaben

(1) Bei Beendigung der Beschäftigung kann der Beschäftigte [...] verlangen, dass das Wertguthaben [...]
1. auf den neuen Arbeitgeber übertragen wird [...]
2. auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragen wird [...]

(2) Im Fall der Übertragung auf die Deutsche Rentenversicherung Bund kann der Beschäftigte das Wertguthaben für Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung und Zeiten der Verringerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit [...] sowie auch außerhalb eines Arbeitsverhältnisses für die in § 7c Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a genannten Zeiten in Anspruch nehmen [...].

Praxishinweis

Bei der künftigen Beratung von Arbeitnehmern wird zu berücksichtigen sein, dass auch ein Anspruch auf Übertragung von Wertguthaben bestehen könnte. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn der Arbeitnehmer kurz vor der Altersrente steht. Weiterhin sollte ein Arbeitgeber aufgefordert werden, dem Arbeitnehmer die entsprechenden Informationen über die Wertsicherung mitzuteilen.

Bei der Beratung von Arbeitgebern ist ein erhebliches Potenzial vorhanden. Arbeitgeber-Mandanten sollten zunächst aufgefordert werden zu prüfen, ob sie Wertguthabenvereinbarungen abgeschlossen haben. Falls das nicht der Fall sein sollte, besteht hier eine gute Möglichkeit, beratend tätig zu werden.

Andernfalls sind die Mandanten über die geplanten gesetzlichen Neuregelungen zu informieren. Neue Wertguthabenvereinbarungen können nur auf Grundlage und unter Beachtung des neuen Gesetzes geschlossen werden. Falls eine ordnungsgemäße Insolvenzsicherung nicht vorhanden ist, droht andernfalls eine persönliche Haftung der organschaftlichen Vertreter.


Musterschreiben an Arbeitgeber

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Gesetzgeber plant eine Reformierung des Bereichs der Zeitwertkonten. Bei Zeitwertkonten handelt es sich um Arbeitszeitkonten, in die Ihre Mitarbeiter Arbeitsentgelt oder Arbeitszeit einbringen können. Damit soll eine bezahlte spätere Freistellung finanziert werden.

Nach einem Gesetzentwurf der Bundesregierung sollen hinsichtlich dieser Zeitwertkonten wichtige Punkte geändert werden. Das Gesetz befindet sich noch im laufenden Gesetzgebungsverfahren und soll zum 01.01.2009 in Kraft treten. Da es aus einem gemeinsamen Koalitionsbeschluss von CDU/CSU und SPD beruht, ist davon auszugehen, dass es auch tatsächlich in Kraft treten wird.

Zu den wesentlichen neuen Punkten gehören:

  • Exakte Definition, wann Wertguthaben vorliegen.
  • Eine Konkretisierung Ihrer Pflicht bei der Führung von Wertguthaben.
  • Verbesserung des Insolvenzschutzes von Wertguthaben und eine persönliche Haftung auch organischer Vertreter (!) und die Einführung einer beschränkten Portabilität der Wertguthaben.

Letzteres bedeutet, dass ein späterer neuer Arbeitgeber Ihrer Arbeitnehmer ein Wertguthaben durch Vertrag übernehmen kann. Falls er das nicht möchte, oder aber Ihr Beschäftigter in kein neues Beschäftigungsverhältnis eintritt, kann der Arbeitnehmer das Wertguthaben auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragen lassen. Auch Sie können bei neu eintretenden Arbeitnehmern Zeitguthaben übernehmen. Diese können dann z.B. unmittelbar vor der Altersrente in Anspruch genommen werden.

Sie sehen also, dass in diesem Bereich erheblicher Beratungsbedarf vorliegt. Prüfen Sie bitte zunächst, ob bei Ihnen Zeitwertkonten geführt werden. Sollte dies der Fall sein, vereinbaren Sie bitte einen Beratungstermin mit dem Unterzeichner.

Falls Sie noch keine Zeitkonten in Ihrem Unternehmen führen, sollten wir die verschiedenen Konzepte und Möglichkeiten einer Arbeitszeitflexibilisierung gemeinsam erörtern. Neben der Gehaltsvereinbarung respektive einer Vereinbarung bezüglich der monatlichen Arbeitszeit, ist die optimale Verteilung der Arbeitszeit eine Variable, die Sie im Bereich der Arbeiterflexibilisierung einsetzen können.

Mit freundlichen Grüßen
Unterschrift Rechtsanwalt

Weiterführende Informationen zu diesem Thema im Internet

Quelle: Rechtsanwalt Arno Schrader - Besprechung eines Gesetzentwurfs mit Praxishinweis vom 09.10.08