Arbeitsrecht -

Aktuelle Gesetzentwürfe im Arbeitsrecht - So soll der Mindestlohn umgesetzt werden

Der Gesetzgeber wird aktiv, mit zwei Gesetzesvorhaben, die gute Chancen haben, auch tatsächlich im Bundesgesetzblatt veröffentlicht zu werden: das Mindestarbeitsbedingungengesetz (MiArbG) und das Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG).Für uns Rechtsberater wird es eine erhebliche Arbeitsmehrbelastung mit sich bringen.

Die Bundesregierung hat sich auf einen Fahrplan zur möglichen Einführung eines Mindestlohns geeinigt. Und viele Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Betriebsräte und Rechtsberater haben Fragen nach den genauen Unterschieden zwischen Mindestlohn, Arbeitnehmerentsendegesetz, Mindestarbeitsbedingungsgesetz, allgemeinverbindlichen Tarifverträgen und Individualansprüchen zu beantworten. Der Beitrag soll helfen, den Mandanten einfache und klare Antworten geben zu können. Am Ende finden Sie ein Musterschreiben, das Sie an Ihre Mandanten versenden können.{DB:tt_content:2566:bodytext}

Das hat der Gesetzgeber vor:

Nach Ansicht des Gesetzgebers können tarifvertragliche Mindestlöhne durch das Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) für alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen einer Branche verbindlich gemacht werden unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seinen Sitz im In- oder Ausland hat.

Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände müssen in den Anwendungsbereich des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes aufgenommen sein. Die Aufnahme in das Gesetz wird aber nur Branchen mit einer Tarifbindung von mindestens 50 % angeboten. Dann können sie die Erstreckung der von ihnen geschlossenen Tarifverträge auf alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beantragen. Die Umsetzung erfolgt durch Rechtsverordnung (neu!) oder Allgemeinverbindlicherklärung. Dies gilt gleichermaßen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Deshalb ist der Begriff „Arbeitnehmerentsendegesetz“ alles andere als zutreffend und stiftet gerade bei Nicht-Juristen Verwirrung.

Bis zum 31.03.2008 haben Tarifvertragsparteien aus acht Branchen die Aufnahme in das Arbeitnehmerentsendegesetz beantragt.

Dies sind:

  • die Zeitarbeit,
  • das Wachgewerbe,
  • die private Forstwirtschaft,
  • die industriellen Großwäschereien,
  • die Weiterbildung,
  • die Altenpflege und
  • die Bergbauspezialarbeiten, sowie
  • Postdienstleistungen.

Weitere Anträge sind möglich. In Fall der Postdienstleistungen gibt es bekanntlich bereits ein aktuelles Urteil, wonach eine Aufnahme in das Gesetzes in seiner bisherigen Fassung nicht möglich sein soll. Siehe dazu: VG Berlin, Urteil vom 07.03.2008 - 4 A 439.0, NZA 2008, 482 (nicht rechtskräftig).

Im derzeitigen neuen Gesetzentwurf finden sich zunächst folgende Branchen:

  • Bauhauptgewerbe und Baunebengewerbe,
  • Gebäudereinigung und
  • Briefdienstleistungen.

Besonders hervorzuheben sind folgende Regelungen im Gesetzentwurf:

§ 8 - Pflichten des Arbeitgebers zur Gewährung von Arbeitsbedingungen
(1) Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland ... sind verpflichtet, ihren Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen mindestens die in dem Tarifvertrag für den Beschäftigungsort vorgeschriebenen Arbeitsbedingungen zu gewähren ...
(2) Ein Tarifvertrag ... der durch Allgemeinverbindlicherklärung oder Rechtsverordnung ... auf nicht an ihn gebundene Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen erstreckt wird, ist von einem Arbeitgeber auch dann einzuhalten, wenn er nach § 3 des Tarifvertragsgesetzes oder kraft Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 des Tarifvertragsgesetzes an einen anderen Tarifvertrag gebunden ist.
(3) Wird ein Leiharbeitnehmer oder eine Leiharbeitnehmerin vom Entleiher mit Tätigkeiten beschäftigt, die in den Geltungsbereich eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages ... oder einer Rechtsverordnung ... fallen, hat der Verleiher zumindest die in diesem Tarifvertrag oder in dieser Rechtsverordnung vorgeschriebenen Arbeitsbedingungen zu gewähren ...

§ 9 - Verzicht, Verwirkung
Ein Verzicht auf das Mindestentgelt ... ist nur durch gerichtlichen Vergleich zulässig. Die Verwirkung des Anspruchs der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auf das Mindestentgelt nach § 8 ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für die Geltendmachung des Anspruchs sind unzulässig.

§ 10 - Haftung des Auftraggebers
Ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, haftet für die Verpflichtungen dieses Unternehmers ... zur Zahlung des Mindestentgelts an Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen ... wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Das Mindestentgelt im Sinne des Satzes 1 umfasst nur den Betrag, der ... auszuzahlen ist (Nettoentgelt).

Der Unterschied der drei Lösungen betreffend Mindestlöhne:

Mindestarbeitsbedingungen gab es schon immer in den Branchen, in denen Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt wurden. Die Probleme sind dabei vielschichtig. Zunächst einmal ist der Antrag einer Tarifvertragspartei, einen Tarifvertrag für allgemeinverbindlich zu erklären nach, nur zulässig, wenn

  • die tarifgebunden Arbeitgeber nicht weniger als 50 % der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen und
  • die Allgemeinverbindlichkeitserklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint.

Dann tritt ein Ausschuss, bestehend aus je drei Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusammen, der mehrheitlich mit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung einverstanden sein muss. Schon aus diesem Grund dürfte ein flächendeckender Mindestlohn durch eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung nicht zu erzielen sein. Zudem sind die Tarifverträge auch weiterhin nur auf Unternehmen mit Sitz in Deutschland anwendbar.

Anders verhält es sich mit dem Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG): Dieses untersagte schon immer, dass ausländische Arbeitgeber für in Deutschland tätige Bauarbeiter geringere Löhne zahlen. Deshalb sollen die oben genannten, weiteren Branchen die Möglichkeit erhalten, in das Gesetz aufgenommen zu werden, wenn eine Tarifbindung von mindestens 50 % vorliegt.


Der Entwurf zum Mindestarbeitsbedingungengesetz (MiArbG)sieht nun außerdem vor, dass Mindestlöhne sowie auch andere Mindestarbeitsbedingungen in Branchen mit einer Tarifbindung von unter 50 % festgelegt werden können. Wichtige Ausnahme: Mindestlöhne sind nur möglich, wenn keine Tarifverträge abgeschlossen wurden.

Der Gesetzeswortlaut zu diesem Passus im Entwurf des MiArbG lautet:

„§ 8 Abs. 2 wird wie folgt geändert:
Enthält ein vor dem 16.07.2008 abgeschlossener Tarifvertrag nach dem Tarifvertragsgesetz abweichende Entgeltregelungen, gehen dessen Bestimmungen für die Zeit des Bestehens des Tarifvertrags den festgesetzten Mindestarbeitsentgelten vor. Gleiches gilt für einen Tarifvertrag, mit dem die Tarifvertragsparteien ihren bestehenden Tarifvertrag nach Satz 1 ablösen oder diesen nach seinem Ablauf durch einen Folgetarifvertrag unmittelbar ersetzen.“

Zusammenfassung:

Allgemeinverbindlichkeitserklärungen können keine flächendeckenden Mindestlöhne begründen. Es muss eine 50 %-ige Tarifbindung vorliegen und ein paritätisch zusammengesetzter Ausschuss muss zustimmen.

Das AEntG bietet die Möglichkeit von Mindestlöhnen, falls Branchen mit einer Tarifbindung von mindestens 50 % in das Gesetz aufgenommen werden. Die Umsetzung erfolgt durch Allgemeinverbindlichkeitserklärungen oder Rechtsverordnungen.

Durch das MiArbG können in den restlichen Branchen Mindestlöhne festgelegt werden.

Über den Sinn von Mindestlöhnen ist lange gestritten worden. Die Meinungen sollen hier nicht wiedergegeben werden. Feststehen dürfte aber, dass das Arbeitsrecht durch die zu erwartenden neuen Regelungen nicht einfacher werden wird.

Die Praxis

Schauen wir uns an, was ein Rechtsberater künftig bei der Frage, welcher Lohn einem Arbeitnehmer zusteht, zu beachten hat.

Beim Blick in den Arbeitsvertrag und dessen Ergänzungsvereinbarungen sollten folgende Ansprüche nicht vergessen werden:

  • Anspruch aus einer verbindlichen Zusage,
  • Anspruch aus einem Tarifvertrag,
  • Anspruch aus einer Betriebsvereinbarung,
  • Anspruch aus dem Grundsatz der betrieblichen Übung,
  • Anspruch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz,
  • Rechtsverordnungen über Mindestarbeitsbedingungen nach dem AEntG.

Spätestens bei der Frage nach einem Tarifvertrag, die jetzt schon die wenigsten Arbeitnehmer genau beantworten können, wird es schwierig. Da hilft es auch nicht, auf die Verpflichtung des Arbeitgebers nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 des Nachweisgesetzes zu pochen. Da ein Verstoß des Arbeitgebers gegen die Hinweispflicht sanktionslos ist, hält sich in der Praxis erfahrungsgemäß nahezu niemand daran. Und erst Recht wissen Arbeitnehmer in aller Regel nicht, in welcher Fassung ein Tarifvertrag gilt.

Also erklären wir unserem Mandanten unter welchen Voraussetzungen ein Tarifvertrag zur Anwendung kommt (siehe dazu auch die Hinweise im Mandantenschreiben am Ende dieses Beitrags). Zu der Erläuterung, wann und wieso ein Tarifvertrag allgemeinverbindlich ist gehört auch die Prüfung, ob das AEntG gilt. Zwar ergibt sich der Anspruch auch weiterhin aus dem Tarifvertrag oder in Zukunft aus einer auf dem AEntG beruhenden Rechtsverordnung. Falls man aber dem Arbeitgeber mit einer Prüfung durch die Zollverwaltung und einem Ordnungswidrigkeitsverfahren drohen kann, sollte der Rechtsberater das wissen.

Außerdem wird sich künftig die weitere Prüfung anzuschließen haben, ob es Mindestlöhne durch das MiArbG gibt.

Wenn bis jetzt kein Ergebnis betreffend den dem Arbeitnehmer zustehenden Lohn gefunden wurde, gilt gem. § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung, die sich am besten nach dem einschlägigen Tarifvertrag bestimmen lässt. Da der Hans-Böckler-Stiftung zufolge in Deutschland über 67.000 Tarifverträge gelten (Stand der Studie 2007), wovon jährlich zwischen 6.000 und 7.000 erneuert werden, ist der Richtige leider nicht so leicht zu finden. Und auch hier stellt sich die Frage, warum wir bei über 67.000 Tarifverträgen noch einen Mindestlohn benötigen, der durch derart komplizierte Regelungen eingeführt wird.

Zu begrüßen ist allerdings die Überarbeitung des AEntG. Der bisherige § 1 AEntG besteht zwar nur aus vier Absätzen, zieht sich wegen seiner Länge jedoch in den meisten Gesetzessammlungen über mehrere Seiten hinweg. Und ein Gesetz, in dem sich der zweitlängste Paragraph mit Ordnungswidrigkeiten und Sanktionen beschäftigt, scheint schon beim ersten Anblick nicht gelungen zu sein.

Festzuhalten bleibt: Der Mindestlohn wird kommen. Entweder über die Aufnahme von Branchen und deren Tarifverträge in das AEntG oder über das MiArbG.

Musterschreiben an Mandanten:

  • für Arbeitnehmer zur Forderungsberechnung und
  • für Arbeitgeber zur bestmöglichen Forderungsabwehr

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis können sich aus verschiedenen Anspruchsgrundlagen ergeben. Wir als Ihre Rechtsberater versuchen, möglichst sämtliche Ansprüche zu prüfen. Natürlich sind uns die einzelnen Gesetze und Tarifverträge bekannt. Um prüfen zu können, ob Sie auch Ansprüche aus anderen Grundlagen haben, sind wir auf Ihre Mithilfe angewiesen. Daher bitten wir Sie um die Beantwortung der folgenden Fragen:

Name: ...
Vorname: ...
Geburtsdatum: ...
Familienstand: ...
Steuerklasse: ...
Arbeitgeber/Branche: ...
beschäftigt als: ...
beschäftigt seit/vom ... bis ...
letztes Monatsgehalt: ..
letzter Stundenlohn(Grundvergütung): ...
Zulagen: ...
Zuschläge: ...
Provisionen: ...
Prämien: ...
Gratifikationen: ...
sonstige Vergütungsformen: ...

Bitte überlassen Sieuns zusätzlich eine Kopie Ihres Arbeitsvertrags und soweit vorhanden der zugehörigen Änderungs- und Ergänzungsvereinbarungen.

Ist Ihnen bekannt, ob in Ihrer Branche Mindestlöhne nach dem Mindestarbeitsbedingungengesetz (MiArbG)gezahlt werden?

Ist Ihnen bekannt, ob auf Ihr Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag Anwendung findet? Wenn ja, welcher?

Besteht eine Betriebsvereinbarung mit Vorschriften zur Arbeitsvergütung (z.B. Gratifikationen, Art der Lohnzahlung)?

Gibt es eventuell eine den Arbeitslohn betreffende verbindliche Zusage Ihres Arbeitgebers oder eine entsprechende betriebliche Übung?

Ist Ihnen bekannt, ob andere Arbeitnehmer in Ihrem Betrieb für dieselbe Tätigkeit eine höhere Vergütung erhalten, könnte also eine Ungleichbehandlung vorliegen?

Hinweise
Falls die Branche, in der Sie arbeiten, in das Arbeitnehmer-Entsendungsgesetz aufgenommen wurde, gilt Folgendes: Es gelten die Tarifverträge, die für allgemeinverbindlich erklärt wurden oder für die eine entsprechende Rechtsverordnung erlassen wurde.

Ein Tarifvertrag kommt zur Anwendung, wenn

  • beide Parteien tarifgebunden sind, also eine Mitgliedschaft in dem entsprechenden Arbeitgeberverband und der Gewerkschaft besteht oder
  • ein Firmentarifvertrag geschlossen wurde oder
  • die Geltung eines Tarifvertrags beispielsweise im Arbeitsvertrag vereinbart wurde oder
  • ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wurde.

Bitte geben Sie uns entsprechende Tipps, und informieren Sie uns vollständig, damit wir gemeinsam die bestmögliche Lösung finden können. Vielen Dank!

Weitere Informationen zu diesem Thema im Internet:

Quelle: Rechtsanwalt Arno Schrader - Beitrag vom 02.09.08