Der BGH hat die Widerrufsinformation einer Bank in einem mit einem Kfz-Kaufvertrag verbunden Darlehensvertrag als wirksam bestätigt. Demnach waren die Anforderungen an einen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag erfüllt, klar und verständlich auf den Umstand eines verbundenen Darlehensvertrags und dessen Befristung hinzuweisen. Die Bank könne sich auf die sog. Gesetzlichkeitsfiktion berufen.
Darum geht es
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung der Klägerin.
Die Klägerin erwarb im Februar 2017 ein Kraftfahrzeug der Marke Mercedes-Benz. Zugleich schloss sie zur Finanzierung des über die vereinbarte Anzahlung hinausgehenden Kaufpreisteils sowie einer Kaufpreisschutzprämie am 13.02.2017 mit der beklagten Bank einen Darlehensvertrag zu einem gebundenen Sollzinssatz und einer festen Laufzeit.
Die Darlehensvertragsunterlagen enthielten eine Widerrufsinformation, in der u.a. der Kaufvertrag und der Vertrag über den Kaufpreisschutz als verbundene Verträge genannt sind. Seite 1 des Darlehensvertrags enthielt unter der Überschrift „Ausbleibende Zahlungen“ folgende Angabe über die Verzugsfolgen:
„Für ausbleibende Zahlungen wird Ihnen der gesetzliche Zinssatz für Verzugszinsen berechnet. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.“
Ferner enthielt der Darlehensvertrag auf Seite 1 unter der Überschrift „Vorzeitige Rückzahlung des Darlehens“ folgende Angabe:
„Im Falle der vorzeitigen Darlehensrückzahlung kann der Darlehensgeber eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Die Vorfälligkeitsentschädigung beträgt 1 Prozent beziehungsweise, wenn der Zeitraum zwischen der vorzeitigen und der vereinbarten Rückzahlung geringer als ein Jahr ist, 0,5 Prozent des vorzeitig zurückgezahlten Betrags. Ist die so ermittelte Vorfälligkeitsentschädigung höher als die Summe der noch ausstehenden Zinsen, wird diese Summe als Vorfälligkeitsentschädigung berechnet.“
Bestandteil des Darlehensvertrags waren ferner die auf Seite 10 des Darlehensvertrags abgedruckten Allgemeinen Darlehensbedingungen der Beklagten, die unter anderem folgende Klauseln enthielten:
„IX. Allgemeine Bestimmungen
5. Widerruft der Darlehensnehmer seine Vertragserklärung innerhalb der Widerrufsfrist, so hat er für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens keine Sollzinsen zu entrichten.
X. Erfüllungsort und Gerichtsstand, Verbraucherschlichtung
3. Der Darlehensgeber nimmt am Streitbeilegungsverfahren der Verbraucherschlichtungsstelle „Ombudsmann der privaten Banken“ (www.bankenombudsmann.de) teil. Dort hat der Verbraucher die Möglichkeit, zur Beilegung einer Streitigkeit mit dem Darlehensgeber den Ombudsmann der privaten Banken anzurufen.
Näheres regelt die Verfahrensordnung für die Schlichtung von Kundenbeschwerden im deutschen Bankgewerbe, im Internet unter www.bankenverband.de abrufbar ist. Die Beschwerde ist in Textform (z.B. mittels Brief, Telefax oder E-Mail) an die Kundenbeschwerdestelle beim Bundesverband deutscher Banken e.V., Postfach 040307, 10062 Berlin, Fax (030) 1663-3169, E-Mail: ombudsmann@bdb.de, zu richten.“
Nach Erbringung von Zins- und Tilgungsleistungen erklärte die Klägerin im August 2018 den Widerruf ihrer auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung.
Sie hält die Angaben in der Widerrufsinformation in Bezug auf den sogenannten Tageszins sowie die Pflichtangaben u.a. über die Art des Darlehens, über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung, zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung und über den Zugang des Darlehensnehmers zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren und gegebenenfalls die Voraussetzungen für diesen Zugang für fehlerhaft.
Aufgrund des wirksamen Widerrufs des Darlehensvertrags sei sie auch an den Kaufvertrag über das Kraftfahrzeug und den Vertrag über den Kaufpreisschutz nicht mehr gebunden. Im Mai 2019 veräußerte die Klägerin das Fahrzeug an einen Dritten und löste das Darlehen vorzeitig ab.
Die unter Anrechnung des Verkaufserlöses auf Zahlung der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen gerichtete Klage hat das Landgericht Saarbrücken abgewiesen (Urt. v. 02.07.2021 - 1 O 241/20). Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage in Höhe von 763,20 € stattgegeben (OLG Saarbrücken, Urt. v. 06.10.2022 - 4 U 104/21).
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Der BGH hat entschieden, dass die Widerrufsinformation kraft Gesetzlichkeitsfiktion ordnungsgemäß ist und auch die erforderlichen Pflichtangaben in einer Weise erteilt worden sind, dass die zweiwöchige Widerrufsfrist mit Vertragsabschluss in Lauf gesetzt worden ist und die Klägerin ihr Widerrufsrecht nicht fristgerecht ausgeübt hat.
Die Revision der Beklagten hatte deshalb Erfolg. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben, soweit darin zum Nachteil der Beklagten erkannt worden war, und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die beklagte Bank hat der Klägerin nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB eine ordnungsgemäße Widerrufsinformation erteilt.
Insoweit kann sie sich auf die in Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB angeordnete Gesetzlichkeitsfiktion berufen. Der Anwendung der Gesetzlichkeitsfiktion steht das Urteil des EuGH vom 21. Dezember 2023 nicht entgegen.
Eine richtlinienkonforme Auslegung der nationalen Vorschriften scheidet angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts aus. Für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion ist es unschädlich, dass die Beklagte in Nummer IX. 5 der Darlehensbedingungen auf den nach der Widerrufsinformation pro Tag zu zahlenden Zinsbetrag verzichtet hat.
Dies lässt nicht nur die Ordnungsgemäßheit der Widerrufsinformation, sondern auch die Gesetzlichkeitsfiktion nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB unberührt, weil sie den Verbraucher lediglich begünstigt und das vom Gesetzgeber mit der Gesetzlichkeitsfiktion verfolgte Ziel der Schaffung von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit bei den Anwendern nicht beeinträchtigt. Eine Irreführung des Verbrauchers ist damit nicht verbunden.
Die nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB erforderliche Information über die Art des Darlehens hat die Beklagte ordnungsgemäß erteilt.
Bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag im Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG muss gegebenenfalls klar und verständlich angegeben werden, dass es sich um einen verbundenen Darlehensvertrag handelt und dass dieser Vertrag als befristeter Vertrag geschlossen worden ist.
Diese Anforderungen hat die Beklagte erfüllt. Aus den Angaben auf Seite 1 des Darlehensvertrags ergibt sich für den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag um einen befristeten Vertrag handelt. Denn dort ist die Laufzeit des Vertrags ausdrücklich angegeben.
Dass es sich bei dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag um einen - mit dem Kaufvertrag und dem vereinbarten Kaufpreisschutz - verbundenen Darlehensvertrag handelt, folgt für den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher hinreichend klar und verständlich aus der Widerrufsinformation.
Die Information über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB ist zwar unvollständig, weil der Klägerin der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende konkrete Prozentsatz des Verzugszinses nicht mitgeteilt worden ist. Dies hindert aber das Anlaufen der Widerrufsfrist nicht.
Im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 21.12.2023 beginnt die Widerrufsfrist im Falle einer unvollständigen oder fehlerhaften Information nach § 356b Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 492 Abs. 2 BGB nur zu laufen, wenn die Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit dieser Information nicht geeignet ist, sich auf die Befähigung des Verbrauchers, den Umfang seiner aus dem Darlehensvertrag herrührenden Rechte und Pflichten einzuschätzen, oder auf seine Entscheidung, den Vertrag zu schließen, auszuwirken und ihm gegebenenfalls die Möglichkeit zu nehmen, seine Rechte unter im Wesentlichen denselben Bedingungen wie denen auszuüben, die vorgelegen hätten, sofern die Information vollständig und zutreffend erteilt worden wäre.
Dies hat der BGH hier bejaht, weil ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher in der Lage der Klägerin den streitgegenständlichen Darlehensvertrag auch abgeschlossen hätte, wenn ihm bei Vertragsschluss über die im Vertrag enthaltenen Angaben hinaus auch der zu diesem Zeitpunkt geltende konkrete Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner Anpassung mitgeteilt worden wären.
Die nach Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB erforderlichen Informationen zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung haben das Anlaufen der 14-tägigen Widerrufsfrist nach § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 2, § 356b BGB nicht gehindert.
Die von der Beklagten verwendete Klausel verstößt zwar nach der Rechtsprechung des Senats gegen § 502 Abs. 1 BGB und ist damit gemäß § 134 BGB nichtig, weil sie entgegen § 511 BGB zum Nachteil des Verbrauchers von der Vorschrift des § 502 Abs. 1 BGB abweicht (vgl. Senatsurteil vom 28.07.2020 - XI ZR 288/19, BGHZ 226, 310 Rn. 24).
Die fehlerhafte Angabe zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung führt aber nach dem Regelungskonzept des deutschen Gesetzgebers lediglich zum Ausschluss des Anspruchs auf eine Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB, ohne das Anlaufen der 14-tägigen Widerrufsfrist nach § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 2, § 356b BGB zu berühren.
Daran hat der Senat auch im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 21.12.2023 festgehalten.
Danach muss zwar in einem Kreditvertrag grundsätzlich für die Berechnung der bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits anfallenden Vorfälligkeitsentschädigung die Berechnungsweise dieser Entschädigung in konkreter und für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher leicht verständlicher Weise angegeben werden, damit er den Betrag der bei vorzeitiger Rückzahlung anfallenden Entschädigung auf der Grundlage der in diesem Vertrag enthaltenen Angaben ermitteln kann.
Auch wenn konkrete und leicht verständliche Angaben zur Berechnungsweise fehlen, kann ein solcher Vertrag aber der in dieser Bestimmung aufgestellten Verpflichtung genügen, sofern er andere Elemente enthält, die es dem Verbraucher ermöglichen, die Höhe der betreffenden Entschädigung und insbesondere den Betrag, den er im Fall der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits höchstens zu zahlen haben wird, leicht zu ermitteln.
Die Angaben der Beklagten genügen diesen Anforderungen, weil ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher die zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung leicht berechnen kann.
Dass die Angabe der Beklagten aufgrund der Umsetzung in das nationale Recht einer Klauselkontrolle nicht standhält, ist unbeachtlich. Bei richtlinienkonformer Auslegung hindert dies das Anlaufen der 14-tägigen Widerrufsfrist nach § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 2, § 356b BGB nicht.
Schließlich sind auch die nach Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB erforderlichen Informationen über den Zugang des Verbrauchers zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren und gegebenenfalls zu den Voraussetzungen für diesen Zugang ordnungsgemäß erteilt worden.
Im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 21.12.2023 erfordert dies, dass der Verbraucher über alle ihm seitens des Darlehensgebers zur Verfügung stehenden außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren und gegebenenfalls die mit ihnen jeweils verbundenen Kosten informiert wird.
Ferner muss er im Kreditvertrag darüber belehrt werden, ob die Beschwerde oder der Rechtsbehelf auf Papier oder elektronisch einzureichen ist, des Weiteren über die physische oder elektronische Adresse, an die die Beschwerde oder der Rechtsbehelf zu senden ist, und schließlich über die sonstigen formalen Voraussetzungen, denen die Beschwerde oder der Rechtsbehelf unterliegt.
Diese Informationen hat die Beklagte der Klägerin erteilt. Sie hat in Nummer X. 3 der Darlehensbedingungen angegeben, dass die Beschwerde in Textform übermittelt werden kann und hierfür ihre Postadresse, ihre Telefaxnummer und ihre E-Mail-Adresse mitgeteilt.
Einer Angabe von sonstigen formalen Voraussetzungen bedurfte es nicht. Darunter sind nur solche zu verstehen, die bei Nichtvorliegen ohne weiteres zur Zurückweisung des Schlichtungsantrags führen. Dies ist nach der Verfahrensordnung des Ombudsmanns der privaten Banken nicht der Fall.
Eine Angabe zu den mit dem Schlichtungsverfahren verbundenen Kosten war entbehrlich, weil das Schlichtungsverfahren beim Ombudsmann der privaten Banken für den Verbraucher kostenfrei ist.
BGH, Urt. v. 27.02.2024 - XI ZR 258/22