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Unterhalt beim Wechselmodell: Wer zahlt?

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Wenn getrenntlebende oder geschiedene Eltern ihre Kinder zu gleichen Teilen betreuen, sie also ein reines Wechselmodell praktizieren, sollte es keinen Streit über den Barunterhalt geben. Lesen Sie hier, unter welchen Voraussetzungen es doch zum Streit kommen kann und wie man solche Fälle löst.

Streit um den Barunterhalt beim Wechselmodell? Ein Beispiel

Es geht beispielhaft um folgenden Fall: Mary und Harry Monz sind verheiratet. Aus ihrer Ehe ist Lucy (7) hervorgegangen. Das Ehepaar hat sich im Januar 2023 einvernehmlich getrennt. Um der Tochter den Sorge- und Umgangsstress zu ersparen, haben sich Harry und Mary auf ein streng paritätisches Wechselmodell geeinigt. Harry ist selbständiger Architekt. Sein genaues Einkommen ist Mary nicht bekannt, sie nimmt an, dass er rund 3.000 Euro im Monat verdient. Mary ist angestellte Architektin und verdient bei Lohnsteuerklasse II netto um die 2.000 Euro. Harry und Mary wohnen jeweils in einer Mietwohnung. Mary bezahlt für eine kleinere Dreizimmerwohnung eine Grundmiete von 650 Euro. Ohne Kind hätte sie eine kleinere Wohnung für 500 Euro gemietet. Bei Harry ist es ähnlich. Ohne Lucy hätte er eine Wohnung für 700 Euro gemietet. Für eine größere Wohnung muss er nun 900 Euro bezahlen. Schulden sind ihres Wissens keine vorhanden. Lucy besucht einen sehr teuren Ballettunterricht, wofür sie monatlich 150 Euro aufzuwenden hat. Ihr Mann bezahlt für Lucys Klavierunterricht monatlich 100 Euro. Weiterhin zahlt sie für Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangs 75 Euro im Monat. Ihr Mann zahlt die Fahrtkosten zur Schule i.H.v. 30 Euro. Mary möchte wissen, ob und wenn ja, welchen Unterhalt Harry schuldet. Ein Titel über Kindesunterhalt existiert nicht. Kindesunterhalt zahlt Harry nach Gutdünken. Das staatliche Kindergeld bezieht sie.

 

A. Lösung

1. Anspruchsgrundlage

Anspruchsgrundlage für den Unterhalt eines minderjährigen Kindes ist § 1601 BGB.

2. Aktivlegitimation

Obhut beim paritätischen Wechselmodell

Bei einem paritätischen Wechselmodell und einer gemeinsamen elterlichen Sorge kann weder die Mutter noch der Vater allein das Kind in einem Unterhaltsverfahren vertreten, da die gesetzliche Vertretungsmacht nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB sowie die Verfahrensstandschaft nach § 1629 Abs. 3 BGB bei getrenntlebenden Ehegatten voraussetzen, dass das Kind sich in der Obhut eines Elternteils befindet. Der Begriff der Obhut stellt auf die tatsächlichen Betreuungsverhältnisse ab. Ein Kind befindet sich in der Obhut desjenigen Elternteils, bei dem der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Betreuung liegt, der sich also vorrangig um die Befriedigung der elementaren Bedürfnisse des Kindes kümmert (vgl. BGH, Urt. v. 28.02.2007 - XII ZR 161/04, FamRZ 2007, 707 Rdnr. 8 ff.; a.A. Spangenberg, NZFam 2017, 1089: Entgegen der allgemeinen Rechtsprechung soll § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB direkt oder analog dahingehend anzuwenden sein, dass jeder Elternteil den Barunterhaltsanspruch gegenüber dem anderen Elternteil als gesetzlicher Vertreter - unter den Voraussetzungen des § 1629 Abs. 3 BGB in Verfahrensstandschaft - geltend machen könne.).

Übertragung der Entscheidungsbefugnis

Bevor die Mutter den Barunterhaltsanspruch von Lucy gegen den Vater geltend machen kann, muss ihr daher in einem Sorgerechtsverfahren die Entscheidungsbefugnis über die Geltendmachung des Kindesunterhalts nach § 1628 BGB übertragen worden sein (BGH, Urt. v. 21.12.2005 - XII ZR 126/03, FamRZ 2006, 1015 Rdnr.9). Gerade bei einem Wechselmodell ist eine gute Kooperation und Kommunikation zwischen den Elternteilen zwingend notwendig, so dass nicht die Übertragung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge (z.B. Vermögenssorge oder Unterhaltsangelegenheiten), sondern i.d.R. nur das mildere Mittel der einmaligen Übertragung der Entscheidungsbefugnis in Betracht kommen wird (zur Übertragung der Entscheidungskompetenz siehe auch Götz, FF 2015, 146; Seiler, FamRZ 2015, 1945, 1850; Maaß, FamRZ 2017, 673).

Alternativ: Bestellung eines Ergänzungspflegers

In Betracht käme auch die Bestellung eines Ergänzungspflegers für das Kind (BGH, Urt. v. 21.12.2005 - XII ZR 126/03, FamRZ 2006, 1015 Rdnr.9). Vorzugswürdig ist jedoch eine Übertragung nach § 1628 BGB, weil damit auch die Entscheidungsbefugnis über das Ob der Einleitung eines Unterhaltsverfahrens geklärt wird (OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.10.2016 - 6 UF 242/16, FamRZ 2017, 289; a.A. AG Westerstede, Beschl. v. 28.02.2017 - 87 F 7097/16 SO, FamRZ 2017, 967: Im Rahmen eines echten Wechselmodells sei für die Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen ein Ergänzungspfleger zu bestellen, die Übertragung der Entscheidungsbefugnis nach § 1628 BGB käme insoweit nicht in Betracht).

Unterhaltsanspruch vor gerichtlicher Entscheidung

Da Anspruchsinhaber das Kind ist, kann vor einer Übertragung der Entscheidungsbefugnis über die Geltendmachung des Kindesunterhalts der Vater auch nicht wirksam in Verzug gesetzt werden bzw. zur Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zum Zwecke der Unterhaltsberechnung aufgefordert werden. Dennoch wird das Kind auch bis zur familiengerichtlichen Entscheidung nach § 1628 BGB aufgelaufene Unterhaltsrückstände vom Vater beanspruchen können, da das Kind bis zu dieser Entscheidung mangels eines gesetzlichen Vertreters (beide Elternteile sind nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 BGB bis zu einer familiengerichtlichen Entscheidung nach § 1628 BGB oder nach § 1671 BGB von einer Vertretung ausgeschlossen) aus rechtlichen Gründen an der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs gehindert ist (§ 1613 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a) BGB).

3. Bedarf des Kindes

Haftung beider Eltern

Im Fall des strikten (paritätischen) Wechselmodells ist keiner der Elternteile wegen der jeweils hälftigen Betreuung vom Barunterhalt gem. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB befreit. Vielmehr haben beide Elternteile hinsichtlich des Bedarfs des Kindes für den Barunterhalt nebst Mehrbedarf entsprechend dem jeweiligen Einkommen einzustehen (BGH, Beschl. v. 11.01.2017 - XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437). Bei hälftiger Kinderbetreuung kann nicht mehr vom herkömmlichen Residenzmodell ausgegangen werden, weshalb eine Befreiung vom Barunterhalt nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht möglich ist. Der Barbedarf des Kindes sowie dessen durch das Wechselmodell entstehende angemessene Mehrkosten, wie Fahrt- und erhöhte Unterkunftskosten, sind dem gemeinsamen Einkommen beider Elternteile zu entnehmen (BGH, Beschl. v. 11.01.2017 - XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437 Rdnr. 20, 32; BGH, Beschl. v. 05.11.2014 - XII ZB 599/13, FamRZ 2015, 236). Da beim Wechselmodell beide Elternteile tatsächlich Naturalunterhalt gewähren, kann auch fiktives Einkommen wegen Verstoßes gegen die Erwerbsobliegenheitsverpflichtung hinzugerechnet werden, sofern der seiner Erwerbsobliegenheit nicht hinreichend genügende Elternteil jedenfalls Unterhalt in Höhe seines Haftungsanteils erbringt (BGH, Beschl. v. 11.01.2017 - XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437 Rdnr. 28). Im Fall der vollständigen Einkommensfiktion eines Elternteils muss der andere Elternteil dagegen den vollen Haftungsanteil übernehmen (BGH, Beschl. v. 11.01.2017 - XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437 Rdnr. 28; OLG Koblenz, Beschl. v. 11.03.2015 - 13 UF 735/14, FamRZ 2015, 1505). Nicht geklärt ist die Frage, ob und inwieweit jeder Elternteil zu 100 % erwerbsverpflichtet ist. Bejaht man nur eine teilschichtige Erwerbsobliegenheit, stellt sich die weitere Frage, ob etwaiges überobligatorisches Einkommen zu berücksichtigen ist oder nicht.

Mehrbedarf oder Regelbedarf?

Ob und welche Mehrbedarfspositionen daneben noch geltend gemacht werden können, ist eine Frage des Einzelfalls. Die mit der alltäglichen Kindesbetreuung verbundenen Kosten (z.B. Eintrittsgelder, Fahrten zu Kindergarten, Schule und Sportveranstaltungen, gelegentlicher Reitunterricht, Karussell auf der Kirmes) können nicht - wie etwa Kindergartenkosten - als Mehr- oder gar Sonderbedarf des Kindes unterhaltsrechtlich geltend gemacht werden (BGH, Urt. v. 27.05.2009 - XII ZR 78/08, FamRZ 2009, 1300 Rdnr. 55). Angesichts des zusammengerechneten Einkommens beider Elternteile und der damit verbundenen Steigerungen des Regelbedarfs aufgrund der Höhergruppierung kann weiterhin ein Mehrbedarf zu verneinen sein (BGH, Beschl. v. 11.01.2017 - XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437 Rdnr. 39). Mehrkosten beim Kindesunterhalt sind nur zu berücksichtigen, sofern sie dem Unterhaltsbedarf des Kindes und nicht der Lebensführung des Betreuenden zugerechnet werden können. Wohnmehrkosten müssen konkret und nicht pauschal dargetan werden (BGH, Beschl. v. 11.01.2017 - XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437 Rdnr. 35). Kosten für die Nachmittagsbetreuung oder den Einsatz von Großeltern (BGH, Beschl. v. 11.01.2017 - XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437 Rdnr. 34) können ebenso wenig wie die Kosten der Tagesmutter als Mehrbedarf des Kindes angesehen werden (BGH, Beschl. v. 04.10.2017 - XII ZB 55/17, FamRZ 2018, 23); vielmehr können sie beim betreuenden Elternteil nur als berufsbedingte Aufwendungen Berücksichtigung finden.

Selbstbehalt

Vom Einkommen ist nicht der notwendige, sondern der angemessene Selbstbehalt abzusetzen (BGH, Beschl. v. 11.01.2017 - XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437 Rdnr. 41). Der notwendige Selbstbehalt wäre nur dann zu berücksichtigen, wenn eine gesteigerte Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB vorläge. Da der Bedarf des Kindes jedoch von den beiderseitig barunterhaltspflichtigen Eltern aufgebracht werden kann, ohne dass deren angemessener Selbstbehalt berührt wird, liegen die Voraussetzungen einer gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB im vorliegenden Fall nicht vor (vgl. BGH, Beschl. v. 11.01.2017 - XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437 Rdnr. 43).

Auskunft

Da das Einkommen von Harry derzeit nicht hinreichend feststellbar ist, ist Harry zunächst zur entsprechenden Auskunft - auch zur Möglichkeit der Geltendmachung von Rückständen (§ 1613 Abs. 1 BGB), sofern der Mandantin nach § 1628 BGB die Entscheidungsbefugnis bereits übertragen worden ist - aufzufordern, ggf. ist ein Stufenantrag einzureichen.

Regelbedarf

Würde ein Einkommen von 3.000 Euro bei Harry anzusetzen sein (ohne Ansatz berufsbedingter Aufwendungen) und ein solches von 2.000 Euro bei Mary, ist Lucys Barbedarf der 9. Einkommensstufe der Düsseldorfer Tabelle 2023 zu entnehmen, mithin nach der 2. Altersstufe 764 Euro (von einer in Betracht zu ziehenden Höhergruppierung wird wegen des Mehrbedarfs abgesehen). Hiervon ist das hälftige Kindergeld i.H.v. 125 Euro in Abzug zu bringen, weil beide Eltern das Kind betreuen. Die Anrechnung des vollen Kindergeldes würde den Kindergeldausgleich hinsichtlich der beiderseitigen gleichwertigen Betreuungsleistungen zugunsten des besser verdienenden Elternteils verzerren (Wendl/Klinkhammer, § 2 Rdnr. 450). Der Regelbedarf beläuft sich damit auf 639 Euro.

Einzelne Mehrbedarfspositionen

Hinsichtlich der jeweiligen Mehrbedarfspositionen ist zu differenzieren. Erhebliche Kosten für den Ballettunterricht i.H.v. 150 Euro sind ebenso wenig wie die Kosten für den Klavierunterricht sowie erhebliche Fahrtkosten zur Ermöglichung/Ausübung des Umgangs vom Regelbedarf, auch bei einem Einkommen aus Gruppe 9, gedeckt. Das hat im Grundsatz auch für die Kosten für Schulfahrten zu gelten (BGH, Beschl. v. 11.01.2017 - XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437 Rdnr. 32). Bei einem Einkommen von 3.000 Euro wird man aber nach Treu und Glauben davon auszugehen haben, dass es sich bei einer dem Kind geschuldeten Betreuung um selbst zu übernehmende Naturalleistungen handelt (Wohlgemuth, FPR 2013, 157; anders wohl Bausch/Gutdeutsch/Seiler, FamRZ 2012, 258, 260). Wie ein Vortrag hinsichtlich der Wohnmehrkosten im Einzelnen zu erfolgen hat, ist nicht klar. Sicherlich genügt es nicht, lediglich den Nachweis zu führen, welche jeweiligen Kosten für eine Zwei- bzw. Dreizimmerwohnung angefallen sind. Denkbar ist aber eine Darlegung der konkreten Mehrbelastung anhand des im jeweiligen Existenzminimumbericht des BMF veröffentlichten Zahlenmaterials. Nach dem 14. Existenzminimumbericht (BT-Drucks. 20/4443) betragen 2023 die Wohnkosten (Bruttowarmmiete) für ein Kind 120 Euro pro Monat. Geht man davon aus, dass in dem Regelbetrag für das Kind jeweils Wohnkosten von 120 Euro enthalten sind, und berücksichtigt man diese je zur Hälfte, so könnte Mary 90 Euro (150 Euro - 60 Euro) und Harry 140 Euro (200 Euro - 60 Euro) Wohnbedarfsmehrkosten geltend machen, sofern der Nachweis gelingt, aufgrund des Wohnbedarfs des Kindes eine gegenüber einer Zweizimmerwohnung teurere Wohnung anmieten zu müssen.

Ansetzbare Mehrkosten für Lucy sind daher die Wohnmehrkosten i.H.v. 230 Euro, die Ballettkosten i.H.v. 150 Euro, die Klavierkosten i.H.v. 100 Euro sowie die Umgangskosten i.H.v. 75 Euro, insgesamt 555 Euro.

Gesamtbedarf

Der Gesamtbedarf von Lucy beträgt 1.194 Euro (ohne hälftiges Kindergeld, 1.319 Euro).

4. Aufteilung des Bedarfs (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB)

Der Gesamtbedarf ist entsprechend dem Einkommen der Eltern aufzuteilen. Unter jeweiligem Abzug des (angemessenen) Selbstbehalts von derzeit 1.650 Euro verbleibt bei Harry ein Einkommen i.H.v. 1.350 Euro, bei Mary von 350 Euro. Die Quote beträgt

bei Harry 1.350 Euro : (1.350 Euro + 350 Euro) x 1.194 Euro = 948 Euro und

bei Mary 350 Euro : (1.350 Euro + 350 Euro) x 1.194 Euro = 246 Euro.

Eine wertende Veränderung des Verteilungsschlüssels ist wegen der gleichen Betreuungsanteile nicht erforderlich. Eine Kontrollrechnung bei unterstellter Alleinhaftung des Vaters ist wegen des Anspruchs auf Ausgleich der nicht gedeckten Unterhaltsspitze entbehrlich.

5. Unterhaltsspitze

Legt man die Ansicht des BGH (Beschl. v. 11.01.2017 - XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437 Rdnr. 44) zugrunde, richtet sich der Unterhaltsanspruch des Kindes Lucy - und nicht als etwaiger familienrechtlicher Ausgleichsanspruch - auf die durch die Leistungen des besser verdienenden Elternteils noch nicht gedeckte Unterhaltsspitze.

Harry hat danach einen Anteil von 948 Euro abzüglich geleisteter 240 Euro (Kosten Klavierunterricht und Wohnungsmehrkosten), mithin 708 Euro zu leisten.

Mary hat unter Einschluss des hälftigen Kindergeldes von 125 Euro, mithin 371 Euro, abzüglich geleisteter 315 Euro (Ballettkosten, Wohnungsmehrkosten sowie Umgangskosten), einen Anteil von 56 Euro zu leisten.

Die Ausgleichszahlung, die Harry an Mary als Kindesunterhalt zu bezahlen hat, ergibt sich aus der Differenz der jeweils zu leistenden Beiträge, mithin 652 Euro (708 Euro - 56 Euro), geteilt durch 2, somit 326 Euro.

6. Kindergeldanrechnung

Wegen der gleichwertigen Betreuungsleistungen der Eltern bedarf auch die zunächst bei dem das Kindergeld beziehenden Elternteil verbliebene Kindergeldhälfte, die auf die Betreuung entfällt, eines gesonderten hälftigen Ausgleichs im Zusammenspiel mit dem Unterhaltsanspruch. Diese Hälfte wird von der verbleibenden Unterhaltsspitze in Abzug gebracht (BGH, Beschl. v. 11.01.2017 - XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437 Rdnr. 49, 50). Beim Streit um den Bezug des Kindergeldes hat sich die Bestimmung des bezugsberechtigten Elternteils am Kindeswohl zu orientieren (OLG Celle, Beschl. v. 23.05.2018 - 19 UF 24/18, MDR 2018, 1000).

Von der rechnerisch ermittelten Unterhaltsspitze i.H.v. 326 Euro ist die Hälfte des auf den Betreuungsanteil entfallenden Kindergeldanteils von 62,50 Euro (1/2 x 125 Euro) in Abzug zu bringen, weshalb Harry insgesamt noch 263,50 Euro als Ausgleich und damit an Kindesunterhalt zu bezahlen hat.

Rein rechnerisch würde Harry 885,50 Euro (948 Euro - 62,50 Euro), Mary dagegen 433,50 Euro (246 Euro + 3/4 Kindergeldanteile) bezahlen.

 

B. Verfahrenrechtliche Hinweise

Information über Folgeprobleme

Die Mandantin sollte über weitere Folgeprobleme eingehender informiert werden. Mit der Errechnung des konkreten Unterhaltsanspruchs ist noch keine Einigung hinsichtlich derjenigen, über die alltäglichen Ausgaben des Kindes hinausgehenden Anschaffungen, wie Winterkleidung, Schulbedarf, Ausflüge etc., getroffen worden. Bezahlt ein Elternteil diese Positionen allein, so kann er hierfür i.d.R. keinen weiteren Ausgleich verlangen. Insoweit sind diese Positionen vom allgemeinen Regelbedarf abgedeckt. Nur bei einem nachhaltigen wirtschaftlichen Ungleichgewicht ist eine Veränderung des errechneten Unterhaltsanspruchs gerechtfertigt (eingehender Wohlgemuth, FamRZ 2017, 676, 682).

Daher empfiehlt sich eine einvernehmliche Regelung. Denkbar ist die Vereinbarung eines Kindergeldkontos (dazu Spangenberg, FamRZ 2016, 1436, 1437), auf das jeder Elternteil einen bestimmten weiteren Beitrag monatlich einbezahlt und von dem die weiteren persönlichen Bedürfnisse des Kindes (weitgehend) einvernehmlich befriedigt werden können. Dagegen ist eine Vereinbarung der Eltern, wonach Harry auch seinen geschuldeten Kindesunterhalt auf das Kindergeldkonto zahlt, nicht unbedingt zu empfehlen. Schon im Hinblick auf die zwingende gesetzliche Vorschrift des § 1614 Abs. 1 BGB, wonach auf Kindesunterhalt für die Zukunft nicht verzichtet werden kann - eine Unterschreitung soll bis zur Grenze eines Weniger von 20 % noch möglich sein (OLG Jena, FamRZ 2014, 1032), ein Verzicht für die Vergangenheit ist dagegen möglich (OLG Brandenburg, FamRZ 2004, 558) -, können ganz erhebliche Schwierigkeiten auftreten, da die konkrete Zweckbindung des Betrags als Zahlung auf den Regelunterhalt nicht zwingend gewährleistet erscheint, zumal auch etwaige vertragliche Umgehungsgeschäfte von der Nichtigkeitsfolge des § 1614 Abs. 1 i.V.m. § 134 BGB umfasst sind (BGH, Beschl. v. 29.01.2014 - XII ZB 303/13, FamRZ 2014, 629 und 727 zum sog. "pactum de non petendo"). Etwaige Freistellungsvereinbarungen zwischen den Elternteilen haben ohnehin nur rechtliche Wirkungen im Innenverhältnis (dazu u.a. OLG Jena, FamRZ 2009, 892).

Gerichtliches Vorgehen

Sollte die Mandantin ein gerichtliches Vorgehen wünschen, wäre die Voraussetzung die Übertragung der Entscheidungskompetenz zur Geltendmachung der Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den Vater nach § 1628 BGB durch eine Entscheidung des Familiengerichts, siehe dazu die Ausführungen zur Aktivlegitimation.

C. Entscheidungen

BGH - Beschluss vom 11.01.2017 XII ZB 565/15: Einstand beider Elternteile für den Barunterhalt des Kindes im Fall des Wechselmodells;

Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern; Einbeziehung der infolge des Wechselmodells entstehenden Mehrkosten; Berücksichtigung des geleisteten Naturalunterhalts während der Betreuungszeit als (teilweise) Erfüllung des Unterhaltsanspruchs; Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs vom Kind gegen den besser verdienenden Elternteil; Anrechnung des Kindergelds im Fall des Wechselmodells zur Hälfte auf den Barbedarf des Kindes

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BGH - Beschluss vom 20.04.2016 XII ZB 45/15: Wechselmodell: Bemessung des Unterhaltsbedarfs; Berechnung des isolierten Kindergeldausgleichs

Der BGH hat die streitige Frage des Kindergeldausgleichs beim Wechselmodell geklärt. Die Grundsatzentscheidung befasst sich außerdem mit der Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den beiderseitigen zusammengerechneten Einkünften der Eltern, dem Bezug von Kindergeld bei konkurrierenden Berechtigungen und dem Anspruch eines geschiedenen Elternteils auf Auskehrung des hälftigen Kindergelds auf Grundlage des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs.

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