Videoüberwachung durch den Arbeitgeber und gerichtliche Verwertung

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Hat ein Arbeitgeber rechtmäßig Videoaufzeichnungen gefertigt, kann er diese auch noch nach längerer Zeit zur Überführung eines Arbeitnehmers wegen Straftaten im Betrieb verwenden. Das hat das BAG entschieden. Einer Verwertung rechtmäßiger Aufnahmen in einem Kündigungsschutzprozess stehen demnach auch nicht die neuen Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) entgegen.

Sachverhalt

Der Arbeitgeber betrieb einen Tabak- und Zeitschriftenhandel mit angeschlossener Lottoannahmestelle. Er hatte eine offene Videoüberwachung angebracht, um sein Eigentum vor Straftaten sowohl von Kunden als auch von Arbeitnehmern zu schützen.

Dann stellte der Arbeitgeber fest, dass Tabakwaren fehlten. Im August 2016 wertete er die Videoaufzeichnungen aus und fand heraus, dass eine Arbeitnehmerin im Februar 2016 an zwei Tagen Kundengelder nicht in die Registrierkasse gelegt hatte, sondern das Geld unterschlagen hatte.

Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit seiner Angestellten außerordentlich fristlos. Die Angestellte legte dagegen eine Kündigungsschutzklage ein, die sie in den ersten beiden Instanzen auch gewann. Das zweitinstanzliche LAG war insbesondere der Auffassung, dass die Videoaufzeichnungen einem Beweisverwertungsverbot unterlegen hätten und insoweit nicht im Prozess berücksichtigt hätten werden dürfen.

Denn der Arbeitgeber hätte die Videos unverzüglich nach Anfertigung löschen müssen. Der Arbeitgeber berief sich dagegen auf § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG in der bis zum 25.05.2018 geltenden Fassung. Der lautete:

„Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist.“

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Das BAG sah die Angelegenheit etwas differenzierter und stellt sich auf die Seite des Arbeitgebers. Es hob das Urteil des LAG auf und verwies die Angelegenheit zu einer neuen Verhandlung und Entscheidung zurück. Das BAG konnte nämlich nach den bisherigen Feststellungen der Vorinstanzen nicht eigenständig beurteilen, ob die offene Videoüberwachung im Laden des Einzelhändlers rechtmäßig war.

Falls dieses der Fall gewesen sein sollte, wäre auch die Verarbeitung und Nutzung der einschlägigen Bildsequenzen nach 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a.F. zulässig gewesen. Die Arbeitnehmerin wäre nicht in ihren grundgesetzlich geschützten Freiheitsrechten aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verletzt worden.

Denn der Arbeitgeber musste das Bildmaterial nicht sofort auswerten. Er durfte so lange warten, bis er dafür einen berechtigten Anlass sah.

Die Richter des BAG sahen sogar die Problematik mit der er am 25.05.2018 in Kraft getretenen DSGVO und der neuen Rechtslage. Sie gaben dem LAG deshalb gleich mit auf dem Weg, dass – sollte die Videoüberwachung rechtmäßig erfolgt sein – auch die Vorschriften der seit dem 25.05.2018 geltenden DSGVO einer gerichtlichen Verwertung der erhobenen personenbezogenen Daten der Arbeitnehmerin im weiteren Verfahren nicht entgegenstehen würden.

Folgerungen aus der Entscheidung

Die Speicherung von Videos aus einer rechtmäßigen offenen Videoüberwachung, die vorsätzliche Handlungen eines Arbeitnehmers zulasten des Eigentums des Arbeitgebers zeigen, wird demnach nicht durch bloßen Zeitablauf unverhältnismäßig. Das gilt jedenfalls so lange, wie die Ahndung der Pflichtverletzung durch den Arbeitgeber arbeitsrechtlich möglich ist.

Praxishinweis

Spannend dürfte die Angelegenheit dann werden, wenn zuvor die Löschung der Bilder von Arbeitnehmern oder Kunden verlangt wurde. Denn eine sofortige Löschpflicht sieht Art. 17 DSGVO ausdrücklich vor. Eine solche Löschpflicht kann beispielsweise entstehen, wenn eine betroffene Person das verlangt, sie eine zuvor abgegebene Erklärung widerruft oder Widerspruch gegen die weitere Verarbeitung persönlicher Daten einlegt.

Genau das stellt die Unternehmen in der Praxis vor erhebliche Herausforderungen. Zwar gab es schon immer eine ähnliche Pflicht zum Löschen von Daten nach dem bislang geltenden Datenschutzrecht. Diese Anforderungen hatten aber nur wenige Unternehmen umfassend umgesetzt. Seit dem 25.05.2018 sind sämtliche Unternehmer verpflichtet zu ermitteln, welche Daten vorhanden sind, welche Fristen und Regeln für deren Verarbeitung gelten, wie diese umzusetzen sind und wann die Daten vernichtet werden müssen.

Ob die Aussage des BAG, dass die Videodaten noch so lange Zeit nach der Aufnahme aufbewahrt werden durften, in europarechtlicher Hinsicht tatsächlich richtig ist, bleibt abzuwarten. Es kann die Vermutung aufgestellt werden, dass der Generalanwalt beim EuGH sowie der gesamte EuGH dazu eine andere Auffassung haben könnten.

BAG, Urt. v. 23.08.2018 – 2 AZR 133/18

Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Arno Schrader

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