"Wer nach dem Eintritt des ersten Erbfalls den Pflichtteil verlangt, soll auch nach dem zweiten Erbfall nur den Pflichtteil erhalten." - so oder so ähnlich ist die klassische Pflichtteilsstrafklausel im Berliner Testament formuliert. Unser Fall mit Lösung veranschaulicht die Bedeutung einer Pflichtteilsstrafklausel beim Berliner Testament und die Auswahl aktueller Rechtsprechung hilft Ihnen bei Auslegungsfragen.
Die Mandanten sind Eheleute und haben zwei gemeinsame Kinder sowie inzwischen diverse Enkel von beiden Kindern. Das Vermögen der Eheleute wurde überwiegend gemeinsam erarbeitet. Die Mandanten wollen dem überlebenden Ehegatten das als gemeinsam betrachtete Vermögen im Fall des Versterbens des jeweils anderen zuwenden und erst nach Versterben des zweiten Ehegatten die Kinder bzw. Enkel zu gleichen Teilen bedenken. Wichtig ist den Mandanten, dass der überlebende Ehegatte beim Versterben des anderen hinreichend liquide bleibt. Ihnen ist daher die gegenseitige unbeschränkte Vermögensnachfolge und weitestgehende Verfügungsfreiheit des überlebenden Ehegatten über das gemeinsame Vermögen besonders wichtig. Sofern die Kinder diesem Wunsch der Eltern zuwiderhandeln, soll der überlebende Ehegatte frei über die weiteren Schritte im Hinblick auf seine eigene Vermögensnachfolge entscheiden können. Die Mandanten wollen dies in einer wirksamen Verfügung von Todes wegen regeln.
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Eine Pflichtteilsstrafklausel, wie sie hier das Testament vom 03.03.2010 enthält, ist eine typische letztwillige Anordnung, durch die gemeinschaftlich testierende und sich gegenseitig als Erben und ihre Abkömmlinge als Schlusserben einsetzende Ehegatten sicherstellen wollen, dass dem Überlebenden bis zu seinem Tod der Nachlass ungeschmälert und ungestört verbleibt und dass nicht einer der Abkömmlinge bei der Verteilung des elterlichen Gesamtnachlasses bevorteilt wird. Besteht - wie hier - die Rechtsfolge eines Verstoßes in dem Verlust der testamentarischen Zuwendung beim zweiten Erbfall, ist die Einsetzung zum Schlusserben unter eine auflösende Bedingung (§ 2075 BGB ) für den Fall des Pflichtteilsverlangens nach dem Erstversterbenden gestellt, so dass mit dem Pflichtteilsverlangen die Einsetzung als Schlusserbe entfällt.
Nach dem üblichen Verständnis greift eine solche Klausel bereits dann ein, wenn der Schlusserbe in objektiver Hinsicht den Pflichtteil nach dem Erstversterbenden ausdrücklich und ernsthaft fordert und in subjektiver Hinsicht dabei bewusst - in Kenntnis der Verwirkungsklausel - handelt.
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1. Wenn Eltern in einer gemeinschaftlich errichteten letztwilligen Verfügung ihre Kinder gleichmäßig als Schlusserben eingesetzt haben ohne ausdrückliche Regelungen im Sinne eines sog. Behindertentestaments zu treffen und bestimmt haben, dass dasjenige ihrer Kinder, das nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils seinen Pflichtteil fordert, auch nach dem Tod des später versterbenden Elternteils auf den Pflichtteil beschränkt sein soll, dann greift diese "Pflichtteilsstrafklausel" auch ein, wenn nicht das (behinderte) Kind selbst, sondern der Träger der Sozialhilfe aus übergegangenem Recht die Pflichtsansprüche geltend macht.
2. Die Erbeinsetzung der gemeinsamen Kinder für den Schlusserbfall ist nicht von der Pflichtteilsstrafklausel zu trennen. Ein Abweichen von der wechselbezüglich verfügten Schlusserbeneinsetzung der Kinder nach Maßgabe der Pflichtteilssanktionsklausel durch eine eigene letztwillige Verfügung ist dem überlebenden Elternteil gemäß § 2271 Abs. 2 BGB nicht gestattet.
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Enthält ein Erbvertrag eine Pflichtteilsstrafklausel mit einer aufschiebend bedingten Enterbung, so kann ein Pflichtteilsverlangen auf den Tod des Zuerststerbenden nur bis zum Tod des Letztversterbenden zum Ausschluss der gesetzlichen Erbfolge führen.
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