Keine Mithaftung trotz Nutzungspflicht für Radweg

Eine Autofahrerin, die aus einem Grundstück mit dem Pkw in den Straßenverkehr einfährt, kann bei einer Kollision mit einer Fahrradfahrerin auch dann vollständig für die entstandenen Unfallschäden haften, wenn die Radfahrerin verkehrswidrig nicht den gekennzeichneten Fahrradweg benutzt hat, sondern auf der Straße gefahren ist. Das hat das Landgericht Hanau entschieden. 

Darum geht es

Die Pkw-Fahrerin beabsichtigte, mit ihrem Pkw aus ihrem Anwesen auf die Straße einzubiegen, und tastete sich in diese ein. Die Sicht war durch am Fahrbahnrand geparkte Fahrzeuge erschwert. 

Auf der Hauptfahrspur näherte sich zugleich eine Fahrradfahrerin, obwohl an der Unfallstelle ein kombinierter Fahrrad-/Fußgängerweg existierte. Es kam zur Kollision, indem das Fahrrad gegen die linke vordere Seitenwand des Pkw stieß. 

Die Pkw-Fahrerin klagte die Hälfte des an ihrem Fahrzeug entstandenen Schadens ein und meinte, die Fahrradfahrerin treffe ein Mitverschulden, weil sie verkehrswidrig nicht den Fahrradweg benutzt habe.

Das Amtsgericht Hanau hat die Klage abgewiesen. 

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die  Berufung gegen die Entscheidung der Vorinstanz hatte vor dem Landgericht Hanau keinen Erfolg. 

Die Pkw-Fahrerin hat aufgrund des Verstoßes gegen das in § 10 S. 1 StVO festgehaltene Sorgfaltsgebot bei Einfahren von einem Grundstück in den Straßenverkehr den Unfall allein verursacht. 

Ein Mitverschulden der Fahrradfahrerin an der Kollision hat das Landgericht hingegen verneint.

Diese habe zwar gegen § 2 Abs. 4 S. 2 StVO durch Nichtbenutzung des gemäß Zeichen 241 StVO ausgewiesenen Radwegs verstoßen. 

Auch wäre der Unfall möglicher Weise nicht geschehen, weil sich das Fahrrad bei Benutzung des Radwegs im Moment des Einfahrens des Pkw in die Straße an einer anderen Stelle befunden habe. 

Die Nutzungspflicht für Radwege soll jedoch keine Kollisionen mit Pkw verhindern, die aus einem Grundstück in die Straße einfahren. 

Es soll vielmehr Gefahren eines gemischten Verkehrs begegnet werden. Insbesondere dienen getrennte Radwege dem Schutz von Radfahrern im dichten Verkehr mit geringen Seitenabständen.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Landgericht Hanau, Beschl. v. 30.08.2023 - 2 S 65/22

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