Der rechtliche Hinweis des Gerichts gem. § 265 StPO: Was Sie als Verteidiger wissen und beachten müssen!

§ 265 StPO regelt den rechtlichen Hinweis des Gerichts und dient einem fairen Verfahren und dem Schutz vor Überraschungsentscheidungen. Sie als Verteidiger müssen mit der Hinweispflicht des Gerichts unbedingt vertraut sein und wissen, wann Sie z.B. einen Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung stellen oder wann Sie Ihre Revision auf einen fehlenden rechtlichen Hinweis stützen können. Die folgende anwaltliche Themenseite bietet Ihnen alle relevanten Infos sowie typische Fallkonstellationen mit Lösung für eine optimale Praxisanbindung. Außerdem für Sie: Zeitsparende Musteranträge, die Sie sofort in Ihrem Mandat einsetzen können! Lesen Sie deshalb bis zum Schluss!

 

26.1.4 Fallgruppen

Autor: WußlerFolgende Fallgruppen von rechtlichen Hinweisen nach § 265 StPO sind zu unterscheiden:Anwendung eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes (§ 265 Abs. 1 StPO),sich erst in der Verhandlung ergebende straferhöhende Umstände oder solche, die die Verhängung einer Maßregel rechtfertigen (§ 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO),Abweichen von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage (§ 265 Abs. 2 Nr. 2 StPO),Änderung eines tatsächlichen Umstands in einem für die Verteidigung wesentlichen Punkt (§ 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO).PraxistippDie Erteilung eines rechtlichen Hinweises ist Aufgabe des Gerichts. Ob der Verteidiger einen rechtlichen Hinweis anregen sollte, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls. Eine entsprechende Anregung kann sinnvoll sein, wenn ansonsten die Gefahr droht, dass das Gericht die Anwendung eines milderen, d.h. grundsätzlich zugunsten des Angeklagten wirkenden, Strafgesetzes [...]
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26.1.5 Aussetzung der Hauptverhandlung

Autor: WußlerRechtsanspruchBei Veränderung der Rechts- und Sachlage hat der Angeklagte gem. § 265 Abs. 3 StPO einen Rechtsanspruch auf Aussetzung der Hauptverhandlung, sofern der Angeklagte die neu hervorgetretenen Umstände bestreitet. Dem Gericht ist insoweit kein Ermessen eingeräumt, die Hauptverhandlung lediglich zu unterbrechen (BGH, Urt. v. 24.01.2003 - 2 StR 215/02, BGHSt 48, 183).Verändert sich in der Hauptverhandlung nur die Sachlage, ohne dass auch eine rechtliche Änderung gegenüber der zugelassenen Anklage eintritt, kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung aussetzen, wenn dies zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint (§ 265 Abs. 4 StPO). Darüber, ob wegen der veränderten Sachlage eine Aussetzung angemessen ist, entscheidet das Gericht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen (BGH, Beschl. v. 25.06.2002 - 5 StR 60/02, NStZ-RR 2002, [...]
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26.1.6 Revision

Autor: Wußler§ 265 StPO ist eine Rechtsnorm, die i.S.d. § 339 StPO lediglich zugunsten des Angeklagten gegeben ist (KK/Kuckein, § 265 Rdnr. 32). Die unrechtmäßige Ablehnung eines Aussetzungsantrags nach § 265 Abs. 3 und 4 StPO kann auch unter dem Gesichtspunkt des § 338 Nr. 8 StPO gerügt werden (zur Darlegung des Revisionssachverhalts vgl. KK/Kuckein, § 265 Rdnr. 32). Eine Verletzung des § 265 StPO führt nur dann zur Aufhebung, wenn das Urteil auf dem Gesetzesverstoß beruhen kann.Fehlende rechtliche Hinweise i.S.d. § 265 StPO führen i.d.R. zu einer Aufhebung des Urteils. Ausnahmen sind dann denkbar, wenn sich Verteidigung und Staatsanwaltschaft mit dem neuen Gesichtspunkt in der Hauptverhandlung auch ohne rechtlichen Hinweis befasst haben. Auch für diese Fälle muss aber erkennbar sein, dass eine andere Verteidigungsmöglichkeit des Angeklagten nicht gegeben war (BGH, Beschl. v. 03.06.2008 - 3 StR 163/08, NStZ-RR 2008, 316).Die Revision kann nur dann Erfolg haben, wenn sich [...]
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26.2.1 Anwendung eines anderen Strafgesetzes

Autor: WußlerKurzüberblick§ 265 Abs. 1 StPO verpflichtet das Gericht, dem Angeklagten einen Hinweis zu erteilen und diesem Gelegenheit zur Verteidigung zu geben, wenn es ihn aufgrund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilen will.Die Hinweispflicht dient vor dem Hintergrund des Rechts des Angeklagten auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG und des rechtsstaatlichen Grundsatzes des fairen Verfahrens (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.12.2005 - 2 BvR 1769/04) der Gewährleistungen einer sachdienlichen Verteidigung des Angeklagten. Er soll vor überraschenden Entscheidungen geschützt werden.§ 265 Abs. 1 StPO verlangt den Hinweis des Gerichts auf eine Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts der in Betracht kommenden Verurteilung (BGH, Urt. v. 30.07.1969 - 4 StR 237/69, NJW 1969, 2246, 2247).Die neu in Betracht kommende Strafnorm ist mit ihrem Wortlaut und auch hinsichtlich der einschlägigen Tatbestandsalternative oder [...]
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26.2.4 Straferhöhungsgründe

Autor: WußlerKurzüberblickErgeben sich erst in der Hauptverhandlung Strafschärfungsgründe, also solche besonderen Umstände, durch die ein neuer Tatbestand entsteht, ist ein rechtlicher Hinweis nach § 265 Abs. 2 Nr. 1, 1. Alt. StPO zu erteilen (BGH, Urt. v. 13.03.1959 - 4 StR 29/59, NJW 1959, 996).Die Hinweispflicht des § 265 StPO intendiert eine effektive Verteidigung des Angeklagten. Dieser soll vor überraschenden Entscheidungen geschützt werden.SachverhaltDer mehrfach einschlägig vorbestrafte Angeklagte wurde wegen Entwendens eines im Eigentum des Geschädigten G stehenden hochwertigen Mountainbikes angeklagt. Die Anklage wurde vom Strafrichter zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet.In der Hauptverhandlung wurde der Zeuge Z vernommen. Er berichtete, dass er das Fahrrad vor seinem Wohnhaus mit einem Fahrradschloss an eine Straßenlaterne angekettet habe. Im Rahmen der polizeilichen Zeugenvernehmung hat der Zeuge hierzu noch nichts gesagt. Seine Angaben in der Hauptverhandlung [...]
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26.2.6 Änderung der Tatsachengrundlage

Autor: WußlerKurzüberblickNach § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO sind Fälle hinweispflichtig, in denen sich erst in der Hauptverhandlung die Sachlage gegenüber der Schilderung des Sachverhalts in der zugelassenen Anklage ändert und dies zur genügenden Verteidigung einen Hinweis erforderlich macht.Bei einer Änderung der Tatsachengrundlage, insbesondere bei einer Änderung der Tatzeit, ist ein rechtlicher Hinweis nach § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO zu erteilen (BGH, Beschl. v. 23.11.2000 - 1 StR 429/00, NStZ-RR 2001, 263).Allerdings sind nur solche Veränderungen hinweispflichtig, die für das Verteidigungsverhalten des Angeklagten bedeutsam sind ("zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich").SachverhaltDem Angeklagten wird vorgeworfen, am 24.12. gegen 18.30 Uhr in die Wohnung des Geschädigten G eingedrungen zu sein und dort hochwertigen Schmuck im Wert von 40.000 € entwendet zu haben. Der Tatvorwurf beruht maßgeblich auf Videoaufzeichnungen des Hauseingangsbereichs der Wohnung des [...]
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Die relevanten Fallgruppen des rechtlichen Hinweises gem. § 265 StPO auf einen Blick!

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Die Aussetzung der Hauptverhandlung nach einem rechtlichen Hinweis des Gerichts

In welchen Fällen hat der Angeklagte nach einem rechtlichen Hinweis des Gerichts einen Anspruch auf Aussetzung der Hauptverhandlung? Wann erscheint die Aussetzung der Hauptverhandlung angemessen gem. § 265 Abs. 4 StPO? Hier finden Sie die Antworten!

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Der rechtliche Hinweis im Rahmen der Revision

Der rechtliche Hinweis und die Revision: Hier müssen Sie differenzieren! Geht es um die unrechtmäßige Ablehnung eines Aussetzungsantrags oder um einen fehlenden rechtlichen Hinweis in dem Falle, in dem Ihr Mandant sich bei rechtzeitigem Hinweis anders bzw. erfolgreicher hätte verteidigen können? Unser Fachbeitrag beantwortet Ihnen die aufgeworfenen und weiteren Fragen!

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Anwendung eines anderen Strafgesetzes ohne rechtlichen Hinweis des Gerichts? Fall mit Lösung

Ihr Mandant wird mit einer sog. Überraschungsentscheidung wegen eines anderen Strafgesetzes verurteilt als dies aus dem Inhalt des Tatvorwurfs im Strafbefehl hervorging. Ein rechtlicher Hinweis des Gerichts erfolgte nicht. Hier finden Sie die Lösung zu unserer praxisnahen Fallkonstellation, die auch wichtige prozesstaktische Hinweise für Sie enthält!

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Rechtlicher Hinweis des Gerichts wegen Vorliegens von Straferhöhungsgründen + Musterantrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung

Ergeben sich erst in der Hauptverhandlung Strafschärfungsgründe, also solche Umstände, durch die ein neuer Tatbestand entsteht, ist ein rechtlicher Hinweis nach § 265 Abs. 2 Nr. 1, 1. Alt. StPO zu erteilen. Unterbleibt ein solcher rechtlicher Hinweis i.S.d. § 265 StPO, so führt dies i.d.R. zur Aufhebung des Urteils.

In einem solchen Fall sollten Sie rasch einen Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung stellen. Wenn Sie hier klicken, gelangen Sie zu unserem Musterantrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung, den Sie sofort verwenden können!

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Typische Mandatssituation mit Lösung und Musterantrag: Rechtlicher Hinweis des Gerichts bei Änderung der Tatsachengrundlage

Stellen Sie sich vor: Ihrem Mandanten wird vorgeworfen, am 24.12. gegen 18:30 einen Wohnungseinbruchsdiebstahl begangen zu haben, der Tatvorwurf beruht maßgeblich auf Videoaufzeichnungen von der Wohnung des Geschädigten. Auf ihnen ist eine Person zu sehen, die ihrem Mandanten ähnelt. Ihr Mandant hat für die Tatzeit am 24.12. ein Alibi, welches von einer Zeugin in der Hauptverhandlung bestätigt wurde. Jetzt stellt sich allerdings heraus, dass Aufnahmedatum und -zeit im Tatzeitraum bei der Videoüberwachungsanalge falsch eingestellt waren und diese versehentlich zwei Tage zurückgerechnet hat. Tatsächlich wurde also ein Geschehen am 26.12. gegen 18:30 aufgezeichnet. Ihr Mandant wird verurteilt. Hätte das Gericht einen rechtlichen Hinweis gem. § 265 StPO erteilen müssen?

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