Bis zur 3. Erbordnung wird der Nachlass ausgehend von einem gemeinsamen Elternteil nach Stämmen und Linien geteilt (lat. parens, parentis = Elternteil, deshalb Parentelsystem). Ab der 4. Erbordnung entscheidet die Zahl der die Verwandtschaft vermittelnden Geburten und damit der Grad der Verwandtschaft über die Erbfolge, §§ 1928 Abs. 2 und 3, 1929 Abs. 2 BGB (Gradualsystem). Einführung, Falllösung und ein wichtiges Urteil erklären Ihnen, welche Bedeutung das Parentelsystem für die Praxis hat!
Der Begriff der Verwandtschaft ist in § 1589 Abs. 1 BGB definiert. Danach ist Verwandtschaft grundsätzlich Blutsverwandtschaft. Es gibt zwei Besonderheiten, auf die hier einzugehen ist: die Rechtsbeziehung des nichtehelichen Kindes zu seinem leiblichen Vater und die Adoption. Diese Einführung erklärt, wie das Parentelsystem in der Praxis funktioniert!
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Der Erblasser und seine Ehefrau heiraten 1980 und lebten in kinderloser Ehe mit gesetzlichem Güterstand. Nichteheliche Abkömmlinge sind nicht vorhanden. Der Vater des Erblassers ist bereits verstorben. Der Erblasser hatte seit mehr als zehn Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter, seinen vier Geschweistern und dem Rest seiner Familie. Er hat einen Bausparvertrag mit einem angesparten Bausparguthaben. Es gibt keine Bezugsberechtigung für den Todesfall. Der Zugewinn des Erblassers und seiner Ehefrau ist gleich groß. Der Erblasser verstirbt ohne Testament. Die Ehefrau kommt zu Ihnen, weil die Bausparkasse das Guthaben nicht an sie auszahlen möchte.
Im Rahmen der Erbenermittlung stellen Sie fest, dass die Mutter des Erblassers und einer seiner vier Brüder bereits vorverstorben sind. Der verstorbene Bruder hat einen Sohn (Neffe des Erblassers). Außerdem hatte die Mutter des Erblassers nach dem Tod seines Vaters noch eine nichteheliche Tochter bekommen (Halbschwester des Erblassers). Welche Erbquoten nehmen Sie in Ihren Erbscheinsantrag auf?
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der in § 1928 Abs. 3 BGB normierte Übergang vom Parentelsystem zum Gradualprinzip für die gesetzlichen Erben ab der vierten Ordnung verfassungsgemäß, weswegen ein Aussetzen des Verfahrens und eine Vorlage des Gesetzes dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG (vgl. dazu Leipold NJW 2003, 2657 in Abgrenzung zu AG Starnberg FamRZ 2003, 1131) nicht zu erfolgen hat.
aa) Das Gradualprinzip für Erben ab der vierten Ordnung verstößt nicht gegen die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG .
Grundlegend für die Erbrechtsgarantie ist die Anerkennung der Privaterbfolge (BVerfGE 91, 346 , 358). Mit der Gewährleistung der Privaterbfolge wäre es neben dem Verbot der gewillkürten Erbfolge nicht vereinbar, den Nachlass Verstorbener, die eine Verfügung von Todes wegen nicht getroffen haben, einer privaten Erbfolge zu entziehen. Vielmehr muss der Gesetzgeber für den Fall, dass der Erblasser keine letztwillige Verfügung über seinen Nachlass getroffen hat, eine gesetzliche Erbregelung vorsehen, die am typisierten Interesse des Erblassers ausgerichtet ist (vgl. BVerfGE 91, 346 , 359).
Welche konkrete Ausgestaltung er hierbei wählt und auf welche Umstände er abstellt, die bei objektiver Betrachtung aus Sicht eines verständigen Erblassers entscheidende Bedeutung für die Erbfolge haben, obliegt grundsätzlich dem Gesetzgeber, der Inhalt und Schranken des Erbrechts bestimmt (vgl. BVerfGE 91, 346 , 359).
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