Was im März 2020 als pandemiebedingte und vorübergehende Maßnahme des Gesetzgebers vorgestellt und verabschiedet wurde – das „Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld“ – entwickelt sich zu einer Langzeit-Story:
Das Bundeskabinett hat am 14.09.2022 eine Änderung der Kurzarbeitergeldzugangsverordnung (KugZuV) beschlossen, mit der die Sonderregelungen des aktuellen Quartals um weitere drei Monate – sie treten am 01.10.2022 in Kraft und gelten bis zum Ende des Jahres – fortgeschrieben werden.
Kurzarbeitergeld als Kriseninstrument
Die Vorschriften zur Kurzarbeit und zum Kurzarbeitergeld (§§ 93–109 SGB III) haben sich in der Coronapandemie als probates Kriseninstrument erwiesen.
Die Gewährung von Kurzarbeitergeld an die betroffenen Arbeitnehmer macht es möglich, deren Arbeitspflicht zeitweise zu suspendieren und damit deren Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis zu vermeiden. Der Entgeltausfall wird in Teilen durch das von der Agentur für Arbeit zu zahlende Kurzarbeitergeld kompensiert.
Zugleich werden auf diese Weise kleine und große Unternehmen in die Lage versetzt, qualifizierte Mitarbeiter zu halten und mit ihnen nach Beendigung der Krise Produktion und Dienstleistung wieder „hochzufahren“.
Den Unternehmen wird so die dringend benötigte Liquidität zur Überwindung der Krise verschafft und die Gefahr von Insolvenzen verringert. Nicht zuletzt erspart der Verzicht auf den Personalabbau den Unternehmen Aufwendungen, die nach Beendigung der Krise bei der Suche nach neuen Mitarbeitern anfallen würden.
Zugangserleichterungen zum Kurzarbeitergeld
Die Regelvoraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeit gehen davon aus,
- dass die Zahl der Beschäftigten, die im Betrieb vom Arbeitsausfall betroffen sein müssen, sich mindestens auf ein Drittel beläuft (§ 96 Abs. 1 Nr. 4 SGB III) und
- dass vor Antritt der Kurzarbeit alle positiven Arbeitszeitsalden der betroffenen Arbeitnehmer abgebaut sein müssen (§ 96 Abs. 4 SGB III).
Diese Voraussetzungen hat der Gesetzgeber bereits durch das Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld mit Wirkung zum 01.03.2020 suspendiert, um den Unternehmen eine rasche Reaktion auf die Mitte März 2020 auftretenden und rasch ansteigenden Coronainfektionen zu ermöglichen.
In der Folgezeit wurden die – zunächst bis zum Ende des Jahres 2020, dann zum Ende des Jahres 2021 – befristeten Regelungen wiederholt der jeweils aktuellen Pandemieentwicklung angepasst, teils durch Änderungen der gesetzlichen Vorschriften, teils durch Verordnungen, von denen im Rahmen der Verordnungsermächtigung des § 109 Abs. 5 SGB III Gebrauch gemacht wurde.
Kurzarbeitergeldzugangsverordnung
Für die zuletzt ergriffenen Maßnahmen wurde seitens der Bundesregierung auf die Kurzarbeitergeldzugangsverordnung (KugZuV) vom 22.06.2022 zurückgegriffen, mit der Zugangserleichterungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld um weitere drei Monate, und zwar bis zum 30.09.2022 verlängert wurden.
Begründet wurde die Verordnung mit der sich weltweit verschärfenden Lieferkettenproblematik, die ihren Ausgang in den Folgen der COVID-19-Pandemie hatte und sich durch den Ende Februar 2022 begonnenen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine merklich ausdehnte.
Verschlechternde Geschäftserwartungen der Unternehmen
Nunmehr zeigt sich im siebten Monat des Angriffskriegs auf die Ukraine eine weitere Verschärfung der Störungen in den Lieferketten, zu denen mögliche Versorgungsengpässe beim Gas hinzutreten.
Seit Mai 2022 haben sich die Geschäftserwartungen der deutschen Unternehmen kontinuierlich verschlechtert und liegen im August 2022 auf dem niedrigsten Wert seit dem Höhepunkt der Coronakrise im April 2020.
Damit sind ein Großteil der Beschäftigten von den Unsicherheiten und möglichen Auswirkungen auf Produktion und Sicherheit der Arbeitsplätze betroffen.
Mit der Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeldzugangsverordnung vom 14.09.2022 wurden die Zugangserleichterungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld für weitere drei Monate bis zum 31.12.2022 verlängert.
Im Einzelnen regelt die Änderungsverordnung:
- Die Voraussetzungen für den Zugang zum Kurzarbeitergeld, die in jedem Monat des Bezugs des Kurzarbeitergeldes erfüllt sein müssen, bleiben erneut bis zum 31.12.2022 herabgesetzt.
- Die Zahl der Beschäftigten, die im Betrieb vom Arbeitsausfall betroffen sein müssen, bleibt von mindestens einem Drittel auf mindestens 10 % abgesenkt, und
- auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden vor der Gewährung des Kurzarbeitergeldes wird weiter vollständig verzichtet.
Von den Zugangserleichterungen profitieren sowohl die Betriebe, die innerhalb der gesetzlichen Bezugsdauer von zwölf Monaten über den 30.09.2022 hinaus kurzarbeiten müssen, als auch die Betriebe, die ab 01.10.2022 neu oder nach einer mindestens dreimonatigen Unterbrechung erneut Kurzarbeit anzeigen müssen, und zwar jeweils bis zum Ablauf des 31.12.2022.
Die übrigen pandemiebedingten Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld, insbesondere die zur Höhe des Kurzarbeitergeldes, die ab dem 01.07.2022 wieder auf 60 % (67 % für Haushalte mit Kindern) beschränkt ist, wurden dagegen nicht wieder aufgegriffen.
Ebenso können die ab 01.07.2022 vom Anwendungsbereich der Vorschriften ausgeschlossenen Leiharbeitsunternehmen Kurzarbeitergeld nicht mehr in Anspruch nehmen.
Autor: Ein Beitrag von Rechtsanwalt Prof. Dr. Joachim Weyand, Direktor des Instituts für Rechtswissenschaft a.D., Universität Ilmenau, Mitherausgeber des Deubner „Praxishandbuch Arbeitsrecht“ und Autor des „Rechtsportal Arbeitsrecht“. Der Beitrag ist in beiden Werken im Oktober 2022 erschienen.