Die Kosten, die der berufstätige Elternteil für die Betreuung des Kindes durch Dritte aufwendet, können lediglich als dessen berufsbedingte Aufwendungen berücksichtigt werden. Sie sind kein Mehrbedarf des Kindes.
Das hat der BGH entschieden. Anders kann dies bei einer besonderen Förderung des Kindes sein. Ein Mehrbedarf des Kindes muss ggf. substantiiert dargelegt und bewiesen werden.
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Verfahrens über Kindesunterhalt noch über einen Beitrag des Vaters von monatlich 150 € Kosten für die Tagesmutter für die beiden bei der Mutter lebenden gemeinsamen Kinder. Das AG hat den minderjährigen Kindern jeweils monatlich 75 € Mehrbedarf pro Kind zugesprochen, das OLG hat den Antrag abgewiesen.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Die Rechtsbeschwerde blieb ohne Erfolg. Der BGH stellt klar, dass die hier anfallenden Betreuungskosten kein Mehrbedarf der Kinder sind.
Nur ausnahmsweise gehen die Kosten einer Fremdbetreuung über die einem Elternteil obliegende Betreuung hinaus und sind dann Mehrbedarf des Kindes, für den die Eltern nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen aufzukommen haben.
Ein solcher weitergehender Bedarf der Kinder liegt hinsichtlich der üblichen pädagogisch veranlassten Betreuung in staatlichen Einrichtungen wie etwa Kindergärten, Schulen und Horten vor (vgl. BGH, Beschl. vom 05.03.2008 – XII ZR 150/05, FamRZ 2008, 1152 Rn. 19 ff., BGH, Beschl. v. 01.06.2011 – XII ZR 45/09, FamRZ 2011, 1209 Rn. 36, BGH, Beschl. v. 11.01.2017 – XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437 Rn. 37).
Die teilweise in der Literatur vertretene generelle Qualifizierung der Kosten einer Fremdbetreuung als Mehrbedarf des Kindes lehnt der BGH als dem Gesetz widersprechend ab. Veranlasst der betreuende Elternteil für die Kinder eine Fremdbetreuung, erfüllt er damit regelmäßig lediglich die ihm obliegende Betreuungspflicht und hat deswegen auch die dafür erforderlichen Kosten zu tragen.
Dass die Kosten einer Fremdbetreuung bei der Bemessung eines Ehegattenunterhalts einkommensmindernd berücksichtigt werden können, steht dieser Aufteilung der Elternverantwortung nicht entgegen. Entfällt der Ehegattenunterhalt, führt dies dazu, dass beide Eltern ihren Teil der Unterhaltsverantwortung allein und ohne Berücksichtigung gegenüber dem anderen Elternteil tragen müssen.
Wird die Betreuung eines Kindes durch Dritte allein infolge der Berufstätigkeit des betreuenden Elternteils erforderlich, sind die Betreuungskosten kein Mehrbedarf des Kindes, sondern gehören zur allgemeinen Betreuung, die vom betreuenden Elternteil im Gegenzug zur Barunterhaltspflicht des anderen allein zu leisten ist. Die entstehenden Kosten können nur als berufsbedingte Aufwendungen des betreuenden Elternteils Berücksichtigung finden.
Danach begründen die Kosten der Tagesmutter im vorliegenden Fall keinen Mehrbedarf, denn es handelt sich nicht um eine pädagogisch veranlasste Betreuung von Kindern. Auch der Umfang der Fremdbetreuung kann im vorliegenden Fall keinen Mehrbedarf der Kinder begründen. Denn ihre Aufgaben sind – über die Abholung der Kinder von der Schule und die Hausaufgabenbetreuung hinaus – auch die Zubereitung der Speisen und leichte Hausarbeiten.
Es ist bereits nicht ersichtlich, dass sie über die übliche Betreuung (einschließlich der üblichen Hausaufgabenbetreuung) hinausgehen sollten. Die Fremdbetreuung umfasst somit lediglich Aufgaben, die dem betreuenden Elternteil persönlich obliegen, was einen Mehrbedarf der Kinder ausschließt.
Folgerungen aus der Entscheidung
Der BGH stellt weiter klar, dass ein unterhaltsrechtlich relevanter betreuungsbedingter Mehrbedarf des Kindes nur bei einem Betreuungsbedarf vorliegt, der über den Umfang der von dem betreuenden Elternteil ohnehin geschuldeten Betreuung hinausgeht. Dies ist dann der Fall, wenn die Kosten eine besondere Förderung i.S.d. genannten Rechtsprechung zu staatlichen Kindergärten, Kindertagesstätten oder Horten betreffen. Dabei kann auch die Förderung in vergleichbaren privaten Einrichtungen relevant werden.
Eine Fremdbetreuung deckt folglich immer dann einen Mehrbedarf des Kindes ab, als sie über die üblichen Betreuungsleistungen eines Elternteils (einschließlich der üblichen Hausaufgabenbetreuung) hinausgeht oder die weitere Betreuung etwa pädagogisch veranlasst ist. Für einen solchen Mehrbedarf des Kindes haften beide Eltern nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB anteilig.
Praxishinweis: Die Betreuungskosten können im Regelfall lediglich im Rahmen des Ehegattenunterhaltes als Abzugsposition beim Einkommen des betreuenden Elternteils berücksichtigt werden.
Dies ist auch durch Ansatz eines geschätzten fiktiven Betrages möglich, wenn die Großmutter das Kind unentgeltlich betreut, um der Mutter des Kindes eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen (BGH Beschl. v. 18.04.2012 – XII ZR 65/10).
Da die Einstufung als berufsbedingte Aufwendungen des Elternteils der Normalfall ist, muss der Verfahrensbeteiligte, der stattdessen die Einstufung als Mehrbedarf des Kindes erreichen will, diese ggf. durch einen substantiierten Sachvortrag darlegen und beweisen.
Da beim Mehrbedarf eine anteilige Haftung beider Eltern besteht, gehört dann zur schlüssigen Begründung des Zahlungsantrags gegen den anderen Elternteil auch die Darlegung, welcher Haftungsanteil auf den in Anspruch genommenen Elternteil entfällt (vgl. BGH, Beschl. v. 07.12.2016 – XII ZB 422/15, FamRZ 2017, 370 mit Anm. Knittel; KG, Beschl. v. 13.7.2015 – 25 UF 57/15, FamRZ 2016, 379; OLG Bremen, Beschl. v. 29.06.2011 – 4 WF 51/11; NJW 2011, 2596).
BGH, Beschl. v. 04.10.2017 – XII ZB 55/17
Quelle: Dr. Wolfram Viefhues