Verlässt ein am Unfall beteiligter Fahrer den Unfallort, ohne die Polizei und/oder seine Kaskoversicherung über den Unfall zu informieren, kann hierdurch die für die Kfz-Versicherung vertraglich festgelegte Wartepflicht verletzt werden. Dies kann zur Folge haben, dass die Kaskoversicherung den Unfallschaden nicht regulieren muss. Das hat das OLG Koblenz entschieden.
Darum geht es
Im konkreten Fall war der Kläger ohne Fremdeinwirkung auf der Autobahn bei Tempo 100 km/h mit der Leitplanke kollidiert und zunächst bis zu einem Rastplatz weitergefahren. Nachdem er dort den entstandenen Schaden (Streifspuren über die gesamte linke Fahrzeugseite) in Augenschein genommen hatte, hatte er die Fahrt fortgesetzt.
Die Schadensanzeige an seine Kaskoversicherung stellte er erst vier Tage später fertig. Die Reparatur des Fahrzeugs verursachte Kosten in Höhe von 22.217,16 €. Die auf Erstattung dieses Betrages gerichtete Klage gegen seine Vollkaskoversicherung hat das Landgericht abgewiesen.
Die Kaskoversicherung sei von ihrer Leistung frei geworden, weil der Kläger vorsätzlich die ihn aus Buchstabe E1.3 Satz 2 AKB treffende Wartepflicht verletzt und hierdurch dem Versicherer wesentliche Feststellungen zum Versicherungsfall unmöglich gemacht habe.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und unter anderem die Auffassung vertreten, die Einhaltung der Wartepflicht sei ihm bei Tempo 100 km/h auf einer vielbefahrenen Autobahn nicht möglich gewesen
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das OLG Koblenz hat in einem Hinweisbeschluss die Rechtsauffassung des Landgerichts bestätigt und die Berufung des Klägers als nicht erfolgversprechend eingeschätzt.
Die beklagte Kaskoversicherung müsse infolge der Pflichtverletzung des Klägers den Schaden nicht regulieren. Ein Fahrer verletze die in Buchstabe E1.3 AKB festgelegte Wartepflicht jedenfalls dann, wenn er durch das Verlassen der Unfallstelle den Straftatbestand der Unfallflucht (§ 142 Strafgesetzbuch) verwirkliche.
So verhalte es sich hier. Denn aufgrund des Schadensbildes am Fahrzeug des Klägers sei davon auszugehen, dass bei der Kollision nicht nur ein erheblicher Schaden am eigenen Fahrzeug, sondern auch ein nicht völlig belangloser Fremdschaden (Beschädigung der Leitplanke), entstanden sei.
Der Kläger habe daher an der Unfallstelle warten müssen. Hierbei könne dahinstehen, ob es ihm zumutbar gewesen wäre, in unmittelbarer Nähe zur Unfallstelle, beispielsweise auf dem Standstreifen der Autobahn, anzuhalten, um den Unfall zu melden.
Vorzuwerfen sei dem Kläger, dass er auch an der nächsten regulären Anhaltemöglichkeit - dem Rastplatz - weder die Polizei noch seine Kaskoversicherung über den Unfall informiert habe.
Durch diese Pflichtverletzung habe der Kläger seiner Kaskoversicherung wesentliche Feststellungen zum Versicherungsfall erschwert, beispielsweise dazu, ob er das versicherte Fahrzeug tatsächlich zum Unfallzeitpunkt lenkte, ob seine Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt war oder andere Gründe für einen Wegfall oder eine Einschränkung des Versicherungsschutzes vorlagen.
Der Verstoß gegen die Wartepflicht führe daher letztlich dazu, dass die Versicherung eine Schadensregulierung ablehnen dürfe.
Der Kläger hat auf den Hinweis des Senats seine Berufung zurückgenommen.
OLG Koblenz, Beschl. v. 11.12.2020 - 12 U 235/20