Früher sahen die Rechtsordnungen der EU-Mitgliedsstaaten unterschiedliche Anknüpfungspunkte für die Bestimmung des anwendbaren Rechts vor. Für Erbfälle, die nach dem 17.08.2015 eingetreten sind, sieht die EuErbVO nun grundsätzlich den gewöhnlichen Aufenthaltsort als Anknüpfungspunkt vor. Der gewöhnliche Aufenthaltsort muss nicht mit dem Begriff des Wohnsitzes iSv § 7 Abs. 1 BGB übereinstimmen. In der Praxis kann, etwa bei Grenzpendlern, schwer zu bestimmen sein, wo der gewöhnliche Aufenthaltsort einer Person lag - für Ihr IPR-Mandat ist diese Frage jedoch entscheidend! Deswegen finden Sie hier die neuste Rechtsprechung des EuGH und der deutschen Gerichte, sowie die wichtigsten theoretischen Grundlagen.
Die staatsvertraglichen oder gesetzlichen Regeln, die bestimmen, welche Rechtsordnung den zu beurteilenden Sachverhalt regeln soll, heißen Kollisionsnormen. Da die Kollisionsnormen das anzuwendende Recht bestimmen, müssen sie an bestimmte Tatbestandsmerkmale anknüpfen. Welche Anknüpfungspunkte dies sind, bestimmt das jeweilige anwendbare Statut. Das IPR der verschiedenen Staaten sah früher unterschiedliche Anknüpfungspunkte für die Bestimmung des anwendbaren Rechts vor. Für Erbfälle, die nach dem 17.08.2015 eingetreten sind, sieht die EuErbVO nun grundsätzlich den gewöhnlichen Aufenthaltsort als Anknüpfungspunkt vor. Mehr dazu, was darunter im Einzelfall zu verstehen ist, finden Sie hier!
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Bei sog. Grenzpendlern (hier: zwischen Deutschland und Polen) bestimmt sich die internationale Zuständigkeit in Erbsachen ab dem 17.08.2015 nach Art. 4 ff EuErbVO und damit grundsätzlich nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers. Letzterer ist unter Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der persönlichen familiären Eingliederung des Erblassers in den (Aufenthalts-)Mitgliedstaat unter Berücksichtigung der Erwägungsgründe 23 und 24 der EuErbVO zu bestimmen. Dies kann dazu führen, dass der gewöhnliche Aufenthalt eines bejahrten Grenzpendlers, der im Zweitstaat nicht integriert ist, beim Erststaat verbleibt, obwohl dieser keinen Wohnsitz mehr dort hat. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich dann nach nationalem Recht und knüpft gem. § 343 Abs. 2 FamFG n. F. an den letzen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland an.
Ein Verfahren über die Entgegennahme der Erklärung der Tochter des Erblassers über die Ausschlagung der Erbschaft ist gem. § 31 IntErbRVG i.V. mit Art. 13 EuErbVO bei demjenigen Nachlassgericht zu führen, in dessen Amtsbezirk die ausschlagende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hiervon unberührt bleibt jedoch die ggfls. später eintretende Zuständigkeit eines Erblassers, der seinen Wohnsitz im Ausland, seinen gewöhnlichen Aufenthalt aber in Deutschland hatte.
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Der Begriff "gewöhnlicher Aufenthalt" im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2201/2003 ist dahin auszulegen, dass darunter der Ort zu verstehen ist, der Ausdruck einer gewissen sozialen und familiären Integration des Kindes ist. Hierfür sind insbesondere die Dauer, die Regelmäßigkeit und die Umstände des Aufenthalts in einem Mitgliedstaat sowie die Gründe für diesen Aufenthalt und den Umzug der Familie in diesen Staat, die Staatsangehörigkeit des Kindes, Ort und Umstände der Einschulung, die Sprachkenntnisse sowie die familiären und sozialen Bindungen des Kindes in dem betreffenden Staat zu berücksichtigen. Es ist Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes festzustellen.
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Die internationale Zuständigkeit wird in Kapitel II EuErbVO (Art. 4-15 EuErbVO) geregelt. Dagegen bleibt die Regelung der örtlichen, sachlichen und funktionellen Zuständigkeit den Mitgliedstaaten vorbehalten (Art. 2 EuErbVO). So unterscheidet die Erbrechtsverordnung nicht zwischen zivilprozessualen Verfahren und Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und verdrängt die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in §§ 12 ff., 27 und 28 ZPO sowie §§ 105 und 343 f. FamFG.Ausgangspunkt der Verordnung ist die allgemeine Zuständigkeit am letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers (Art. 4 EuErbVO). Sodann wird die internationale Zuständigkeit für die Fälle geregelt, in denen der Erblasser eine Rechtswahl oder die Erben eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen haben (Art. 5-8 EuErbVO).
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Wie einleitend bereits ausgeführt, kann für Todesfälle, die sich ab dem 17.08.2015 ereignen, nach dem Erblasser die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (ENZ) beantragt werden. Dabei verdrängt das ENZ nicht den deutschen Erbschein, sondern tritt lediglich neben diesen. Zwar wird ein ENZ gem. Art. 62 Abs. 1 EuErbVO zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt; allerdings entfaltet das Zeugnis auch in dem Land seine Wirkung, in dem es ausgestellt worden ist (Art. 62 Abs. 3 Satz 2 EuErbVO). Kontrovers diskutiert wird die Frage, ob die Beteiligten auch dann einen Erbschein beantragen können, wenn der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat außerhalb Deutschlands hatte. Mehr zu diesem Streit finden Sie in dieser Einführung!
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