Am 22.07.2021 gab es eine weitreichende Entscheidung des BGH (BGH, Beschl. v. 22.07.2021 – IX ZB 85/19). Was war geschehen? Der im Verfahren bestellte Insolvenzverwalter veräußerte eine mit Absonderungsrechten belastete Betriebsimmobilie der Schuldnerin freihändig.
Ein entsprechender Kostenbeitrag wurde vereinbart und floss an die Masse. Der Verwalter hat für seine Tätigkeit als Insolvenzverwalter eine Mehrvergütung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV in Höhe der Hälfte der Kostenbeiträge zugrunde gelegt und – wie bislang üblich – einen Zuschlag beantragt. In der zugelassenen, aber erfolglos gebliebenen Rechtsbeschwerde stellte der BGH sodann überraschend fest, dass auch im Fall von zusätzlich geltend gemachten Zuschlägen die Mehrvergütung in entsprechender Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 InsVV auf die Hälfte des für die Feststellung in die Masse geflossenen Betrags begrenzt ist. Während in Report 5/2022 der Sachverhalt nur kurz angerissen wurde, soll nun zur Verdeutlichung ein Beispiel gegeben werden. Folgende „Leitlinien“ wurden durch die BGH-Entscheidung nun aufgestellt:
- Im Fall der freihändigen Veräußerung eines mit einem Absonderungsrecht belasteten Grundstücks durch den Insolvenzverwalter kann dieser Anspruch auf eine Mehrvergütung haben, die sich auf höchstens 2 % des Verwertungserlöses beläuft.
- Ist zwischen Verwalter und Absonderungsberechtigten allgemein ein Kostenbeitrag für die Verwertung einer Immobilie zugunsten der Masse vereinbart worden, beträgt der für die Vergütung maßgebliche Anteil der Feststellungskosten 4/9 dieses Beitrags.
- Bei der zur Ermittlung der Höhe der Mehrvergütung gebotenen Vergleichsberechnung ist jeweils darauf abzustellen, wie hoch die Vergütung unter Berücksichtigung von Zu- und Abschlägen konkret wäre. Der auf höchstens 50 % der Feststellungskosten begrenzte Differenzbetrag bildet abschließend die dem Insolvenzverwalter zu gewährende Mehrvergütung.
- Die Regelungen finden auch bei Grundstücken Anwendung.
Was bedeutet dies für die Praxis? Im Ergebnis ist damit zu rechnen, dass die Vergütungsabrechnung noch wesentlich komplizierter werden wird. Bereits jetzt bereitet § 1 Abs. 1 Buchst. a) InsVV Verständnisprobleme. Durch die BGH-Entscheidung wird die Regelung noch komplizierter, wenn bei Grundstücken und der freihändigen Veräußerung ein Zuschlag hinzukommen soll.
Folglich wird innerhalb der zuschlagsfähigen Berechnungsgrundlage eine zweite eröffnet, für die nur ein begrenzter Zuschlag denkbar ist, während für die sonstigen Zuschläge keine Deckelung vorgesehen ist. An einem Beispiel soll dies erläutert werden:
Beispiel: Der Verwalter hat einen Verwertungserlös i.H.v. 1.000.000 € erzielt. Darüber hinaus hat er Absonderungsrechte für 1.000.000 € verwertet. Umsatzsteuer war nicht abzuführen. An den absonderungsberechtigten Gläubiger wurde der Erlös abzüglich des 4%igen Feststellungskostenbeitrags von 40.000 € und des 5%igen Verwertungskostenbeitrags von 50.000 €, also insgesamt 910.000 € ausgekehrt.
Unter Berücksichtigung der neuen BGH-Rechtsprechung wäre der Zuschlag für die freihändige Verwertung der Immobilie begrenzt. Während auf alle anderen „Sondertätigkeiten“ ein Zuschlag auf die gesamte Berechnungsgrundlage denkbar bleibt, „begrenzt“ der BGH den Zu schlag für die freihändige Verwertung auf den hälftigen Feststellungskostenbeitrag als absolute Kappungsgrenze.
Die Berechnung sähe dann wie folgt aus:
a. Bruttoerlös einschließlich Absonderungsrecht:
Insolvenzmasse
1.000.000 €
Erlös Absonderungsrecht
1.000.000 €
Summe 1
2.000.000 €
b. abzüglich des an den Absonderungsberechtigten ausgekehrten Erlöses
Insolvenzmasse
1.000.000 €
Erlös Absonderungsrecht
1.000.000 €
Abzüglich des
ausgekehrten Betrags
– 910.000 €
Summe 2
1.090.000 €
c. Regelvergütung
Summe 1
84.250 €
Summe 2
64.260 €
d. Differenzbetrag
Summe 1 – Summe 2
19.990 €
e. Feststellungskostenbeitrag
Feststellungskostenbeitrag
40.000 €
50 % davon
20.000 €
f. erhöhte Vergütung
Der Differenzbetrag ist kleiner als die 50-%-Obergrenze:
Summe 2
64.260 €
Erhöhungsbetrag
19.990 €
Erhöhte Vergütung
84.250 €
Konsequenz BGH, Beschl. v. 22.07.2021 – IX ZB 85/19 für unseren Fall:
Regelvergütung:
Vergütung ohne Absonderungsrechte
64.260 €
Erhöhungsbetrag
19.990 €
Erhöhte Vergütung
84.250 €
aber maximale Begrenzung der „anteiligen“ Zuschläge auf 50 % des Feststellungskostenbeitrags (20.000 €), frei sind nur noch 10 €
Bei einem Zuschlag von 50 % ergibt sich folgende Rechnung:
50 % auf 64.260 €
32.130 €
50 % auf 19.990 €
9.995 €, aber Obergrenze 10 €
Zuschläge nur i.H.v.
32.140 €
Vergütung insgesamt
116.390 €