§ 3 InsVV liefert sogenannte Korrektive zu §§ 1, 2 InsVV, die es erlauben, in besonderen Fällen eine angemessene Vergütung herzustellen. Dabei werden vor allem die sogenannten Zuschläge häufig in der Praxis herangezogen und thematisiert. Aber das Gesetz liefert ebenfalls sogenannte Abschlagstatbestände, die es zu beachten gilt. Ein Zurückbleiben hinter dem Regelsatz ist danach insbesondere dann gerechtfertigt, wenn
- ein vorläufiger Insolvenzverwalter in Verfahren tätig war,
- die Masse bereits zu einem wesentlichen Teil verwertet war, als der Verwalter das Amt übernahm,
- das Insolvenzverfahren vorzeitig beendet wird oder das Amt des Verwalters vorzeitig endet,
- die Masse groß war und die Geschäftsführung geringe Anforderungen an den Verwalter stellte,
- die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar sind und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering ist oder
- der Schuldner in ein Koordinationsverfahren einbezogen ist, in dem ein Verfahrenskoordinator nach § 269e InsO bestellt worden ist.
Die Aufzählung in § 3 Abs. 3 InsVV bildet dabei keine abschließende Regelung, wie die Formulierung „insbesondere“ bereits erkennen lässt. Gleichwohl ist die Anzahl der Abschlagstatbestände in der vergütungsrechtlichen Praxis weniger ausgeprägt als etwa die der Zuschläge.
Neue richtungsweisende BGH-Entscheidungen
Mit zwei Sachverhalten hatte sich jedoch der BGH zu befassen und hat hier richtungsweisend „neu“ bewertet. Zum einen hat der BGH in seiner Entscheidung vom 07.10.2021 – IX ZB 4/20, ZInsO 2021, 2454, die Frage erörtert, ob eine vorherige Gutachtertätigkeit zu einem Abschlag bei der Vergütung führen kann.
Grundsätzlich bestätigte der BGH dabei den Ansatz, wonach es sich bei beiden Aufgaben um unterschiedliche Tätigkeitsfelder handelt, deren Honorierung jeweils gesondert und voneinander unabhängig zu betrachten ist. Im Regelinsolvenzverfahren wird bei einem Unternehmen recht häufig vorab ein Gutachter bestellt, der das Vorliegen der Insolvenzeröffnungsgründe sachverständig prüft.
Meist besteht dabei zwischen Gutachter und späterem (vorläufigen) Insolvenzverwalter auch Personenidentität. Folgerichtig besagt der BGH aber, dass dies also „normal“, der Regelfall also, sei. Dies bedeutet, dass eine Anrechnung beider Honorare nicht erfolgt.
Allerdings lässt der BGH nun in seiner Entscheidung abweichend von diesem Grundsatz aber auch Ausnahmen zu. In jedem Insolvenzverfahren besteht – so der BGH – auch im Rahmen der Vergütungsfestsetzung die Verpflichtung des Insolvenzverwalters, alle die Vergütung bestimmenden Faktoren darzulegen, die für das Gericht im Rahmen einer vergütungsrechtlichen Gesamtschau einzubeziehen sind.
Hierzu gehören nicht nur alle die Tätigkeit erschwerende, sondern auch alle potentiell erleichternden Faktoren, die im Ergebnis zu einem Abschlag führen können. Die „normale“ Tätigkeit eines vorläufigen Verwalters rechtfertigt nach ständiger Rechtsprechung des BGH (st. Rspr. seit BGH, Beschl. v. 11.05.2006 – IX ZB 249/04, NZI 2006, 464, 466 = ZInsO 2006, 642) regelmäßig einen Abschlag von der später festzusetzenden Vergütung als endgültiger Verwalter, da all die Tätigkeiten, die ein vorläufiger Verwalter bereits erbracht hat, von dem endgültigen Verwalter nicht mehr zu erbringen sind bzw. er auf diesen aufbauen kann.
Dieser Grundsatz lässt sich zwar nicht ohne weiteres auf das Verhältnis Gutachter – vorläufige Verwalter übertragen. Der BGH schließt aber nun nicht mehr aus, dass dennoch eine Vergütungskürzung zumindest denkbar ist. Dies komme in der genannten Konstellation nämlich zumindest dann in Betracht, wenn eine nennenswerte Arbeitserleichterung durch eine vorherige Gutachterbestellung eingetreten sei.
Wurden sich durch die Tätigkeit als Gutachter Kenntnisse über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Schuldnerin verschafft und dies bereits für die Vergütung des Gutachtens in besonders aufwendige und zeitintensive Weise abgerechnet, dann kann dies tatsächlich zu einer Arbeitserleichterung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters führen, denn dies lasse den vom Verwalter zu betreibenden Ermittlungsaufwand in der Eröffnungsphase des Insolvenzverfahrens regelmäßig nicht unberührt.