Vollstreckungsverbote und die sogenannte Rückschlagsperre tangieren das Vollstreckungsrecht unmittelbar. Daher sind Kenntnisse davon für beide Rechtsgebiete (Insolvenz und Vollstreckung) elementar.
Vollstreckungsverbote und Rückschlagsperre bilden die beiden Ergänzungen zum Anfechtungsrecht. Während Letzteres rechtsgeschäftliche Vermögensverschiebungen beseitigen soll, können Vollstreckungsverbote und die Rückschlagsperre vollstreckungsrechtlich erlangte Sicherungen (nicht Befriedigungen!) für unwirksam bzw. unzulässig erklären und im Nachhinein beseitigen.
Insolvenzverwalter hat Verstrickung zu beseitigen
Trotz Verstoßes gegen die beiden Beschränkungen tritt eine Verstrickung ein, wie der BGH1 bereits festgestellt hat. Letztlich ist es daher Aufgabe des Insolvenzverwalters, diese zu beseitigen. Dies kann mittels nachgesuchter „Außervollzugsetzung“2 der Vollstreckungsmaßnahme erfolgen oder aber mittels Aufhebung.3
Die Rückschlagsperre ist in § 88 InsO geregelt und verfolgt das Ziel, solche Sicherungen zu beseitigen, die vielleicht erst in Kenntnis des drohenden Verfahrens „in letzter Minute“, jedenfalls bereits in der Krise, erlangt wurden und welche bei Bestand eine Befriedigung der Gläubigergesamtheit beinträchtigen würden.
Durch das Insolvenzverfahren soll eine gemeinschaftliche und gleichmäßige Befriedigung der Insolvenzgläubiger erreicht werden. Durch die „Rückschlagsperre“ werden solche zweckwidrigen Sicherungen mit Eröffnung unwirksam, sofern sie innerhalb eines gewissen Zeitraums erlangt wurden.
§ 88 InsO dient dem Erhalt der Masse
§ 88 InsO dient also dem Erhalt der Masse und trägt dem Grundsatz der gleichmäßigen und bestmöglichen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger Rechnung. 4
§ 88 InsO differenziert dabei zwischen einer Unternehmens- und einer Verbraucherinsolvenz. Während bei der Unternehmensinsolvenz der Zeitraum der Rückschlagsperre nur einen Monat (gerechnet rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung) beträgt, gestattet es die Vorschrift im Verbraucherinsolvenzverfahren, Sicherungen bis zu drei Monate rückwirkend für unwirksam zu erklären.
In der Insolvenzordnung ist – entgegen einer weit verbreiteten Meinung – nicht „ein Vollstreckungsverbot“ geregelt. Tatsächlich bestehen nämlich „diverse“ Vollstreckungsverbote, die die Vita eines Insolvenzverfahrens begleiten.
Übersicht der Vollstreckungsverbote
Folgende Vollstreckungsverbote sind zu beachten:
- Vollstreckungsverbot nach § 89 Abs. 1 InsO
- Erweitertes Vollstreckungsverbot nach § 89 Abs. 2 InsO
- Vollstreckungsverbot nach § 90 Abs. 1 InsO
- Vollstreckungsverbot nach § 210 InsO
- Vollstreckungsverbot nach § 294 Abs. 1 InsO
- Vollstreckungsverbote im Nachlassinsolvenzverfahren
Auch die Vollstreckungsverbote bezwecken dasselbe wie die Rückschlagsperre, nämlich die Sicherung der Masse zugunsten der Gesamtgläubigerschaft und gegen einzelne Gläubigerbevorteilung. Ein Verstoß gegen ein Vollstreckungsverbot führt aber ebenso nicht dazu, dass automatisch die Pfändungswirkungen entfallen.
Bereits der BGH hat mit Entscheidung vom 21.09.20175 klargestellt, dass auch eine solche Vollstreckung, die entweder unwirksam oder gar unzulässig sei, im Hinblick auf die eingetretene Verstrickung Bestand hat. Weder Rückschlagsperre noch Vollstreckungsverbot haben Einfluss auf die öffentlich-rechtliche Verstrickung.
Nach Ansicht des BGH betreffe die Unzulässigkeit oder die Unwirksamkeit nur die vom Vollstreckungsgläubiger erlangte Sicherung, nicht aber das Vollstreckungsverfahren selbst. Dies folgt zum einen aus § 836 Abs. 2 ZPO. Gemäß § 836 Abs. 2 ZPO gilt der Überweisungsbeschluss, auch wenn er zu Unrecht erlassen worden ist, zugunsten des Drittschuldners dem Schuldner gegenüber so lange als rechtsbeständig, bis er aufgehoben wird und die Aufhebung zur Kenntnis des Drittschuldners gelangt.
Aktuelle Entscheidungen zu Rückschlagsperre und Vollstreckungsverboten
Über das „Wie“ der Beseitigung streiten sich aktuell die Gerichte. Während die einen Gerichte nur eine „Aufhebung“ einer unwirksamen oder unzulässigen Maßnahme sehen, da das Gesetz nichts anderes regele, befürworten andere auch eine „Ruhendstellung“ mit dem Argument, einem Gläubiger – sollte es nicht im Insolvenzverfahren zur Restschuldbefreiung kommen – damit nicht den Rangplatz zu nehmen.
Zuletzt hat sich der BGH sowohl im Jahr 2020 als auch im Jahr 2021 für eine Ruhendstellung ausgesprochen. Nachdem er binnen einem Jahr sich zweimal für eine Ruhendstellung ausgesprochen hat, dürfte die h.A. daher zu dieser Meinung tendieren.6
Zulässiges Rechtsmittel sowohl gegen die unwirksame Vollstreckung (Rückschlagsperre) als auch gegen die unzulässige Vollstreckung (Verstoß gegen eines der Vollstreckungsverbote) ist die Erinnerung nach § 766 ZPO, welche auch für das Insolvenzverfahren gilt, und über welche nur im laufenden Verfahren das Insolvenzgericht als besonderes Vollstreckungsgericht entscheidet. Dies gilt auch für eine Verwaltungsvollstreckung.7
Nach Aufhebung des Verfahrens ist wiederum das „herkömmliche“ Vollstreckungsgericht zuständig.8
1 BGH, Urt. v. 21.09.2017 – IX ZR 40/17, InsbürO 2017, 506 = ZInsO 2017, 2267 = ZIP 2017, 2016, Rdnr. 15; MOCK, in: UHLENBRUCK, Kommentar zur InsO, 14. Aufl., § 89 Rdnr. 40.
2 BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – IX ZB 34/06, ZInsO 2008, 40 ff. = WM 2008, 171 ff.; BGH, Urt. v. 19.11.2020 – IX ZR 210/19.
3 Siehe hierzu: LISSNER, ZInsO 2020, 645 ff.
4 LISSNER/KNAUFT, Handbuch Insolvenz, 1. Aufl., Rdnr. 695.
5 BGH, Urt. v. 21.09.2017 – IX ZR 40/17.
6 Cranshaw, jurisPR-InsR 12/2021 Anm. 3; BGH, Beschl. v. 19.11.2020 – IX ZB 14/20; BGH, Beschl. v. 02.12.2021 – IX ZB 10/21.
7 Vgl. MünchKomm-InsO/BREUER/FLÖTHER, 4. Aufl. 2019, § 89 Rdnr. 67; WITTER/AMEND, in: Frankfurter Kommentar InsO, 9. Aufl. 2018, § 89 Rdnr. 60; APP, NZI 1999, 138, 139.
8 AG Hamburg-Altona, Beschl. v. 12.06.2019 – 320 a M 7/13.
Autor: Dipl.-Rechtspfleger Stefan Lissner