+++Tipp+++ Spezialreport Cannabis-Legalisierung und THC-Grenzwert: Das gilt am Steuer! Von Felix Koehl, Vorsitzender Richter am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof und Experte u.a. für Straßenverkehrsrecht » Hier kostenlos herunterladen!
Cannabis-Legalisierung und THC-Grenzwert: Das gilt am Steuer!
Seit Jahren wird in der Fachwelt darüber gestritten, ob der Grenzwert für verbotenes Fahren unter Cannabiseinfluss richtig oder zu niedrig angesetzt ist.
Nun sollen Besitz und Anbau der Droge zum 01.04.2024 für Volljährige mit Vorgaben legal werden.
Das neue Gesetz zur Legalisierung von Cannabis regelt außerdem, dass das Verkehrsministerium (neue) THC-Grenzwerte für das Führen von Kraftfahrzeugen auf wissenschaftlicher Grundlage ermittelt.
Zu diesem Zweck wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt; erste Ergebnisse sind für das Frühjahr 2024 zu erwarten. Wichtig ist zu betonen, dass sich damit im Straßenverkehrsrecht bislang nichts geändert hat, vielmehr gelten die aktuellen Vorgaben.
Das bedeutet, dass die Verkehrsteilnahme unter Cannabis-Einfluss von der teilweisen Legalisierung des Erwerbs und des Besitzes von Cannabis getrennt betrachtet werden muss. Grundsätzlich kann Cannabis die Wahrnehmung verändern und das Reaktionsvermögen negativ beeinflussen.
Ordnungswidrigkeiten- und strafrechtliche Folgen von Cannabis im Straßenverkehr
Den Tatbestand von § 315 c StGB verwirklicht u. a. derjenige, der im Straßenverkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet.
Andere berauschende Mittel sind solche, die in ihren Auswirkungen denen des Alkohols vergleichbar sind und die zu einer Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens sowie der intellektuellen und motorischen Fähigkeiten führen.
Auch Cannabis zählt zu den Mitteln, die zu Fahrunsicherheit führen können.
Entscheidend ist immer, dass die berauschende Wirkung seitens des Gerichtes festgestellt wird. Während der Nachweis des Konsums des berauschenden Mittels regelmäßig wie derjenige des Alkoholkonsums zu führen ist, kann die Frage der berauschenden Wirkung, die in der Regel mit der Wirkstoffkonzentration und damit der Menge der eingenommenen Mittel korrespondiert, nur durch Einholung eines Sachverständigengutachtens geklärt werden.
Die Fahrunsicherheit muss aufgrund vorhandener Ausfallerscheinungen festgestellt werden, außerdem muss sie sich auf das Fahrverhalten ausgewirkt haben.
Von der Rechtsprechung ist eine drogenbedingte Fahrunsicherheit beispielsweise angenommen worden beim ungebremsten Einfahren in die Kreuzung trotz Haltezeichens eines Polizeibeamten und bei verbotswidrigem Wenden und nachträglicher Mühe beim Beantworten von Fragen der Polizeibeamten.
Schließlich muss das tatbestandsmäßige Verhalten des Täters zu einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert geführt haben. Beurteilungsmaßstab für die Feststellung der konkreten Gefahr ist die objektiv-nachträgliche Prognose aus der ex-ante Sicht. Erforderlich sind Kausalität und Zurechnungszusammenhang zwischen der herbeigeführten Gefahr und dem verbotenen Verhalten, was bedeutet, dass sich in der konkreten Gefahr die typische Gefährlichkeit des entsprechenden Verkehrsverstoßes realisiert hat.
Unter den gleichen Voraussetzungen, aber unabhängig vom Einfluss einer Gefährdung, kommt eine Strafbarkeit nach § 316 StGB in Betracht.
Der entscheidende Unterschied zum Alkohol ist hier, dass es keine festen Grenzwerte gibt.
Nach § 24 a Abs. 2 StVG handelt derjenige ordnungswidrig, der unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mitteln im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt.
Zu den in der Anlage aufgeführten berauschenden Mitteln gehört auch Cannabis. § 24 a Abs. 2 StVG ist bei Beachtung der analytischen Grenzwerte grundgesetzkonform. Es muss eine Tatzeit-Konzentration der betreffenden Substanz zumindest in einer Höhe festgestellt sein, die eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit jedenfalls als möglich erscheinen lässt.
Um zuverlässige Beurteilungen der anstehenden Einzelfälle zu erlauben, wird richtigerweise auf die ansonsten in der Praxis ungenutzten, aber wertvollen Erkenntnisse der Grenzwertkommission zurückgegriffen werden, nach der für Cannabis 1,0 ng/ml THC erforderlich ist.
Fahrerlaubnisrechtliche Folgen von Cannabis im Straßenverkehr
Bei regelmäßiger Einnahme von Cannabis entfällt die Fahreignung (Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung).
Bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis besteht die Fahreignung nur, wenn zwischen dem Konsum und dem Führen von Fahrzeugen ausreichend getrennt wird und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust vorliegt (Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung).
Die Abhängigkeit von Cannabis führt zum Verlust der Fahreignung (Nr. 9.4 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung).
Der Tatbestand der Regelmäßigkeit ist zumindest im Normalfall dann erfüllt, wenn Cannabis täglich oder nahezu täglich konsumiert wurde, wofür das Rauchen von ein bis zwei Joints täglich über einen Zeitraum von etwas mehr als einem halben Jahr ausreichend ist.
Gelegentlicher Konsum von Cannabis wird angenommen, wenn der Konsument die Droge mehrmals, aber deutlich weniger als täglich zu sich nimmt, wobei Mindestvoraussetzung ein zweimaliger Konsum ist, soweit es sich dabei um zwei selbstständige Konsumvorgänge handelt.
Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird das fehlende Trennungsvermögen nicht mehr vermutet, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber mit einer THCKonzentration von mindestens 1,0 ng/ml teilnimmt, wovon die Rechtsprechung früher ausging.
Vielmehr kann die Fahrerlaubnisbehörde in einem solchen Fall die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen (§ 14 Abs. 1 Satz 3 FeV).
Im Fall wiederholter Zuwiderhandlungen nach § 24 a StVG im Zusammenhang mit Cannabiskonsum muss die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV).
Streit über die Grenzwerte
Seit Jahren wird in der Fachwelt darüber gestritten, ob der Grenzwert für verbotenes Fahren unter Cannabiseinfluss richtig oder zu niedrig angesetzt ist. Fachleute für Verkehrssicherheit und Verkehrsrecht in Deutschland empfehlen die Anhebung des momentan erlaubten THCWerts im Blut.
Auf einen genauen Wert legten sich die Juristen und Mediziner nicht fest, sie empfehlen dem Gesetzgeber lediglich, den derzeit angewandten Grenzwert für die THCKonzentration von 1,0 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum angemessen raufzusetzen.
Dieser Grenzwert sei momentan so niedrig, dass er lediglich einen Cannabis-Konsum nachweise. Einen zwingenden Rückschluss auf eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung lasse der aktuelle Grenzwert jedoch nicht zu.
Die Gefahren von Cannabis im Straßenverkehr
Das Hauptproblem ist, dass die Wirkweise und der Abbau von Cannabis nicht so gut erforscht sind, wie dies beim Alkohol der Fall ist.
Alkohol baut sich kontinuierlich ab, beim THC herrschen völlig andere Verteilungs- und Abbauvorgänge.
Wirkung und Konzentration müssen bei Cannabis getrennt gesehen werden. Außerdem ist die Art der Aufnahme entscheidend. Beim Inhalieren hat man eine rasche Wirkstoffaufnahme mit einem sehr schnellen Anstieg der Konzentration im Blut. Aber es erfolgt auch ein schneller Abfall der Konzentration.
Der Spitzenwert wird innerhalb von Minuten durchschritten. Die Wirkung steigt aber noch längere Zeit an, etwa bis zu ein bis zwei Stunden, was nachlassende Konzentration bei zunehmender Wirkung bedeutet.
Bei der oralen Aufnahme sind die Spitzenwerte unter Umständen erst nach vier bis sechs Stunden erreicht. Anders als beim Alkohol gibt es beim THC aber keine Dosis-Wirkung-Beziehung, die man nachvollziehbar beschreiben kann.
Die Wirkungen von Cannabis sind vielfältig. Studien zeigen, dass Probanden auch 24 Stunden nach dem Konsum eines Joints nicht völlig klar im Kopf sind, auch wenn kein THC mehr im Blut nachgewiesen werden kann.
Cannabis-Konsumenten haben etwa Schwierigkeiten, sich bei einer stumpfen Tätigkeit wie geradeaus Autofahren auf eine Gefahrenwahrnehmung mit anschließender Reaktion einzulassen.
Fazit
Für den Cannabis-Konsum im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr ändert sich zunächst einmal nichts.
Mandanten oder potenzielle Mandanten sind daher eindringlich darauf hinzuweisen, dass die jetzt erfolgte eingeschränkte Freigabe von Cannabis sie insoweit nicht besserstellt und im berauschten Zustand nach wie vor nicht Auto gefahren werden darf.
Wenn sich im Zusammenhang mit Cannabis straßenverkehrsrechtlich tatsächlich etwas ändert, werden wir Sie weiter informieren.
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