Trotz einer wirksamen Eigenbedarfskündigung kann ein Vermieter zur Fortsetzung des Mietverhältnisses verpflichtet sein. Die sog. Sozialklausel in § 574 BGB (Widerspruch in Härtefällen) kann auch bei einem Mangel an Wohnraum greifen. Das hat das Landgericht Berlin II entschieden und vor dem Hintergrund des angespannten Berliner Wohnungsmarkts eine zweijährige Mietzeitverlängerung angeordnet.
Darum geht es
Das Amtsgericht Berlin Mitte hatte eine von der Vermieterin erhobene Räumungsklage mit seinem am 08.09.2022 verkündeten Urteil (Az. 117 C 257/21) mit der Begründung abgewiesen, die von der Vermieterin ausgesprochene Eigenbedarfskündigung sei formunwirksam gewesen.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Landgericht Berlin II hat der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil teilweise stattgegeben.
Nach Durchführung einer Beweisaufnahme Hat das Landgericht die Eigenbedarfskündigung - anders als zuvor das Amtsgericht - zwar für wirksam erachtet, jedoch zugleich die Fortsetzung des Mietverhältnisses für die Dauer von zwei Jahren angeordnet.
Die angeordnete Fortsetzung des Mietverhältnisses für die Dauer von zwei Jahren begründet das Gericht damit, dass es den beklagten Mietern in dem vorliegenden Fall nicht möglich gewesen sei, angemessenen Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen zu beschaffen.
Demzufolge können Mieter unter Berufung auf die sog. Sozialklausel (§§ 574 Abs. 1 und 2 BGB) nach Abwägung mit den Vermieterinteressen unter gewissen Voraussetzungen die Fortsetzung ihres Mietverhältnisses verlangen, auch wenn die zuvor ausgesprochene Kündigung wirksam ist.
Zur Begründung des auf die Sozialklausel gestützten Fortsetzungsanspruchs hat das Gericht darauf abgestellt, dass sich die Mieter nach Ausspruch der Eigenbedarfskündigung über einen Zeitraum von fast zwei Jahren auf eine Vielzahl von Wohnungen im gesamten Berliner Stadtgebiet beworben haben, jedoch aufgrund der angespannten Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt sowie des nur noch geringen Angebotes freier Wohnungen mit ihren Bewerbungen keinen Erfolg hatten.
Zudem hat das Landgericht berücksichtigt, dass auch über das sog. Geschützte Marktsegment (GMS) in absehbarer Zeit kein freier Alternativwohnraum in Berlin für die Mieter zur Verfügung stand.
Auch der Umstand, dass das gesamte Stadtgebiet von Berlin durch eine Mietenbegrenzungsverordnung (MietBegrV Bln) als Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt ausgewiesen ist, sei ein weiterer Beleg für die Richtigkeit des Mietervortrages.
Außerdem hat das Gericht berücksichtigt, dass der von der Vermieterin geltend gemachte Eigenbedarf nicht besonders dringlich war.
Das Landgericht hat im Rahmen seiner Entscheidung die bisherigen Vertragsbedingungen von Amts wegen geändert und neben der Anordnung der befristeten Fortdauer des Mietverhältnisses auch die von den Mietern bisher geschuldete Nettokaltmiete auf ein marktübliches Niveau angehoben.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Landgericht Berlin II, Urt. v. 25.01.2024 - 67 S 264/22