Eheverträge: Wann ist der Ausschluss des Versorgungsausgleichs zulässig?

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Ein Versorgungsdefizit kann dadurch ausgeglichen werden, dass die vom Ehepartner während der Ehe erworbenen Entgeltpunkte dem anderen Partner in der Höhe übertragen werden, wie er bei einer fortgesetzten Erwerbstätigkeit selbst hätte erzielen können. Das hat das OLG Bremen entschieden. Bei der Zulässigkeit von Eheverträgen ist zwischen der Inhalts- und Ausübungskontrolle zu unterscheiden.

Sachverhalt

Vier Monate vor der Heirat in 1994 hatten die künftigen Ehegatten ehevertraglich den Güterstand der Gütertrennung vereinbart, den Versorgungsausgleich ausgeschlossen sowie wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt verzichtet, wovon ausdrücklich auch der Betreuungsunterhalt für den Fall, dass aus der Ehe gemeinschaftliche Kinder hervorgehen sollten, umfasst war. Dabei sind die Ehegatten davon ausgegangen, dass sie eine kinderlose Doppelverdienerehe führen würden.

1995 wurde die gemeinsame Tochter geboren. Die Antragsgegnerin (gelernte Friseurin) hat sich seitdem durchgängig um den gemeinsamen Haushalt und die Betreuung und Erziehung der Tochter gekümmert, während der Antragsteller als Stapelfahrer vollzeitig erwerbstätig war.

Im Dezember 2012 haben sich die Eheleute getrennt, die Scheidung wurde in 2014 rechtshängig. Im Verfahren haben die Eheleute um die Wirksamkeit des Ehevertrages bzw. des ausgeschlossenen Versorgungsausgleichs angesichts dessen, dass der Antragsteller deutlich mehr Anrechte im Versorgungsausgleich als die Antragsgegnerin erworben hat, gestritten.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Der Ehevertrag hält nach Ansicht des OLGs der nach § 8 Abs. 1 VersAusglG durchzuführenden Inhaltskontrolle stand. Hinsichtlich der vereinbarten Gütertrennung und somit des Ausschlusses eines späteren Zugewinnausgleichs ist der Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts nicht berührt. Ein Verzicht auf den Betreuungsunterhalt ist unbedenklich, wenn (wie hier) kein gemeinsamer Kinderwunsch der Ehegatten besteht und auch sonst für deren Absicht, eine Familie mit Kindern zu gründen, nichts ersichtlich ist.

Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist wirksam, weil eine Doppelverdienerehe geplant und dies auch nicht unrealistisch war. Geringere Verdienstmöglichkeiten eines Ehegatten mit daraus folgenden geringeren Anwartschaften als jene des anderen Ehegatten führen nicht zur Sittenwidrigkeit.

Der Ehevertrag hält auch einer Gesamtwürdigung gem. § 138 BGB trotz einseitiger Benachteiligung der Ehefrau stand. Außerhalb der Vertragsurkunde sind keine verstärkenden Umstände zu erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität – insbesondere infolge der Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit – hindeuten würden.

Dagegen hält der Ausschluss des Versorgungsausgleichs der Ausübungskontrolle gem. § 8 Abs. 1 VersAusglG nicht stand. Durch die Geburt der Tochter im Folgejahr der Eheschließung hat die Antragsgegnerin entgegen der ursprünglichen Planung keine Berufstätigkeit ausgeübt und für ihr Alter vorsorgen können. Hierin liegt eine grundlegende Abweichung der tatsächlichen Lebenssituation von den beim Vertragsschluss zugrunde gelegten Lebensumständen.

Es sind daher die voraussichtlich bei durchgängiger Erwerbstätigkeit von der Antragsgegnerin erworbenen Anrechte zu ermitteln. Bei einer Berufstätigkeit als Friseurin ergeben sich dann 9,866 Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn sie vollschichtig als Friseurin von September 1995 bis zum Ehezeitende gearbeitet hätte.

Folgerungen aus der Entscheidung

Bei der Inhaltskontrolle ist zu prüfen, ob die Vereinbarung im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr - losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung zu versagen ist (st. Rspr. d. BGH, vgl. zuletzt BGH, Beschl. v. 15.3.2017, XII ZB 109/16, FamRZ 2017, 884).

Neben der Beurteilung des objektiven Vertragsinhaltes sind die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie ihre sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der Gestaltung des Ehevertrages veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen. Einen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen gibt es nicht.

Deshalb ist Sittenwidrigkeit regelmäßig nur ausnahmsweise und nur dann gegeben, wenn durch den Ehevertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder teilweise abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen angestrebten Ehetyp oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt wird (vgl. BGH, Beschl. v. 15.3.2017, XII ZB 109/16, FamRZ 2017, 884; Beschl. v. 29.1.2014, XII ZB 303/13, FamRZ 2014, 629; Beschl. v. 31.10.2012, XII ZR 129/10, FamRZ 2013, 195).

Bei der Ausübungskontrolle ist zu prüfen, ob und inwieweit es einem Ehegatten nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB verwehrt ist, sich auf eine ihn begünstigende ehevertragliche Regelung zu berufen. Im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe muss sich aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine einseitige unzumutbare Lastenverteilung ergeben; dann sind im Wege der Vertragsanpassung die ehebedingten Nachteile auszugleichen (BGH, Beschl. v. 31.10.2012, XII ZR 129/10, FamRZ 2013, 195).

Bei Anpassung des ausgeschlossenen Versorgungsausgleichs ist grds. kein vollständiger Versorgungsausgleich durchzuführen, sondern nur das ehebedingte Versorgungsdefizit aufzufüllen. Maßstab hierfür ist die Versorgung, die der benachteiligte Gatte bei Weiterführung seiner beruflichen Tätigkeit voraussichtlich erzielt hätte.

Die fiktiven Versorgungsanrechte der gesetzlichen Rentenversicherung werden i.d.R. auf die Weise zu ermitteln sein, dass die u.a. anhand tariflicher Regelwerke gem. § 287 ZPO zu schätzenden Entgelte, die bei fiktiver vollschichtiger Erwerbstätigkeit in den Jahren der ehebedingten Aufgabe seiner Erwerbstätigkeit hätte erzielt werden können, in das Verhältnis zum jeweils gegebenen Durchschnittsentgelt aller Versicherten gesetzt werden und die sich hieraus ergebende Summe an Entgeltpunkten ermittelt wird (vgl. BGH, Beschl. v. 27.2.2013, XII ZB 90/11, FamRZ 2013, 770).

Praxishinweis: Bei der Wirksamkeitskontrolle von Eheverträgen muss streng zwischen der Inhaltskontrolle und der Ausübungskontrolle unterschieden werden. Während bei ersterer auf die Verhältnisse der (künftigen) Ehegatten im Zeitpunkt des Zustandekommens des Ehevertrages abzustellen ist, sind bei der Ausübungskontrolle die Verhältnisse im Zeitpunkt des Scheiterns der Lebensgemeinschaft maßgeblich.

 

Daran knüpfen zudem unterschiedliche Rechtsfolgen. Führt die Inhaltskontrolle zur Unwirksamkeit, gelten die gesetzlichen Regeln. Greift lediglich die Ausübungskontrolle ein, muss der (wirksame!) Vertrag lediglich den geänderten Verhältnissen angepasst werden. Die Inhaltskontrolle wird heutzutage nur sehr ausnahmsweise zur Sittenwidrigkeit führen. Ein Anwendungsfall kann die Beurkundung eines Ehevertrags mit einer schwangeren Frau oder einer Frau mit einem Baby sein (BGH, Beschl. v. 15.3.2017, XII ZB 109/16, FamRZ 2017, 884).

Das Eingreifen der Ausübungskontrolle wird dagegen eher in Betracht zu ziehen sein, z.B. wenn ein Ehegatte wegen unvorhergesehener Umstände einem Erwerb nicht (dauerhaft) nachgehen konnte. Dabei darf der durch den Ausschluss des Versorgungsausgleichs benachteiligte Ehegatte nicht besser gestellt werden, als er ohne die Ehe und den damit einhergehenden Erwerbsverzicht stünde. Dies macht durchaus aufwendige fiktive Berechnungen im Versorgungsausgleich vonnöten, wie die vorliegende Entscheidung anschaulich zeigt.

OLG Bremen, Beschl. v. 24.05.2017 - 4 UF 152/16

Quelle: Richter am OLG Frank Götsche

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