Das Oberverwaltungsgericht NRW hat mit Eilbeschluss wesentliche Teile der NRW-Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 für Ein- und Rückreisende (Coronaeinreiseverordnung) vorläufig außer Vollzug gesetzt. Demnach muss bei diesen Regelungen das tatsächliche Infektionsgeschehen berücksichtigt werden - etwa durch den Ausweis von Risikogebieten.
Darum geht es
Die Coronaeinreiseverordnung bestimmt, dass Personen, die mehr als 72 Stunden im Ausland (ausgenommen die Mitgliedstaaten der EU, Island, Liechtenstein, Norwegen, Schweiz sowie Großbritannien und Nordirland) waren und dann nach Nordrhein-Westfalen einreisen, sich auf direktem Weg in die eigene Häuslichkeit begeben müssen und diese 14 Tage nicht verlassen dürfen.
Sie dürfen in diesem Zeitraum keinen Besuch von Personen empfangen, die nicht zum Hausstand des Aufenthaltsorts gehören. Zudem müssen sie sich unverzüglich beim zuständigen Gesundheitsamt melden.
Die aus Köln stammenden Antragsteller haben sich mit einem Eilantrag gegen die Verpflichtung zur „häuslichen Quarantäne“ gewandt und geltend gemacht, bei der derzeitigen Datenlage sei es nicht mehr gerechtfertigt, grundsätzlich alle aus sogenannten Drittländern Einreisende unter Quarantäne zu stellen.
Sie befinden sich seit Anfang März 2020 gemeinsam mit ihren minderjährigen Kindern in Thailand, um dort ihren Familienurlaub zu verbringen. Nachdem die Heimreise wegen der Corona-Pandemie bisher unterblieben war, beabsichtigten sie nunmehr die Rückkehr nach Deutschland.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Oberverwaltungsgericht NRW hat dem Antrag entsprochen.
Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass die angegriffenen Regelungen nach der Prüfung im Eilverfahren voraussichtlich rechtswidrig seien. Es sei bereits zweifelhaft, ob diese auf die infektionsschutzrechtliche Generalklausel gestützt werden könnten, um so auch Einreisende, von denen keine Gefahr ausgehe, unter Quarantäne zu stellen.
Dieser Vorgehensweise stehe voraussichtlich entgegen, dass das Infektionsschutzgesetz speziellere Absonderungsregelungen enthalte, die mindestens einen Ansteckungsverdacht bei dem Betroffenen voraussetzten. Davon, dass ein solcher bei allen aus Drittländern Einreisenden gegeben sei, gehe offenbar auch der Verordnungsgeber nicht aus.
Aber auch wenn angenommen würde, dass ein Rückgriff auf die Generalklausel möglich wäre, sei die Maßnahme voraussichtlich nicht rechtmäßig.
Da es auch außerhalb Europas eine Reihe von Staaten gebe, in denen das Infektionsrisiko derzeit erkennbar nur noch gering oder jedenfalls nicht höher als in der Bundesrepublik sei, handele es ich bei der Anordnung einer „häuslichen Quarantäne“ für alle aus Drittstaaten einreisenden Personen nicht (mehr) um eine notwendige Schutzmaßnahme.
Der Verordnungsgeber sei gehalten, dem tatsächlichen Infektionsgeschehen Rechnung zu tragen und eine differenziertere Regelung zu erlassen.
Insoweit bleibe es dem Antragsgegner jedenfalls unbenommen, auf der Grundlage nachvollziehbarer Erkenntnisse Risikogebiete auszuweisen, bei denen die Verhängung einer Quarantäne gerechtfertigt sei.
Überdies dürfte es nicht ausgeschlossen sein, wenn er aus Drittländern Einreisende verpflichte, sich unverzüglich bei den jeweils zuständigen Infektionsschutzbehörden zu melden, um dann möglicherweise weitere Infektionsschutzmaßnahmen einzuleiten.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
OVG NRW, Beschl. v. 05.06.2020 - 13 B 776/20.NE