Die am 25.05.2022 ausgelaufene SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung wurde zum 01.10.2022 wieder in Kraft gesetzt, um das betriebliche Infektionsgeschehen in den bevorstehenden Herbst- und Wintermonaten so gut wie möglich einzudämmen.
Die Verordnung verpflichtet die Arbeitgeber, die bereits in den Jahren 2020 und 2021 praktizierten Maßnahmen und Instrumente der Pandemiebekämpfung wie
- betriebsbezogene Kontaktbeschränkungen und Verringerung der Bürobelegung,
- Hygieneregelungen,
- Lüftungsverhalten,
- betriebliche Maskenpflichten,
- Testangebote und
- die arbeitgeberseitige Unterstützung bei Impfungen
erneut einzusetzen, um die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen und das betriebliche Infektionsgeschehen beherrschbar zu halten.
Zugleich aber wurden in der neuen Fassung die Verpflichtungen der Arbeitgeber gegenüber den vorangehenden Regelungen merklich reduziert.
Bekämpfung des betrieblichen Infektionsgeschehens mit SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnungen
Seit Beginn des Jahres 2021 wird das durch die Coronapandemie hervorgerufene betriebliche Infektionsgeschehen durch den Gesetzgeber mit Arbeitsschutzverordnungen bekämpft, die explizit als SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnungen ausgewiesen sind.
Ihre Grundlage haben sie in § 18 Abs. 3 ArbSchG. Im Mittelpunkt der Regelungen steht ein Hygienekonzept des jeweiligen Betriebs, das die Pflicht, Masken zu tragen, einschließt, eine Kontaktreduktion der Beschäftigten, die zwischenzeitlich zum verpflichtenden Angebot von Homeoffice-Arbeitsplätzen führte und nicht zuletzt die Verpflichtung zum Angebot von Coronatestungen in den Betrieben.
Die erste am 21.01.2021 durch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMAS) erlassene SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung war bis zum 15.03.2021 befristet, wurde in der Folgezeit aber nicht weniger als dreimal verlängert.
Eine komplette Neufassung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung trat am 20.03.2022 in Kraft, in der wesentliche Teile verändert wurden; sie galt bis zum 25.05.2022.
Aktualisierung der Verordnung wegen steigender Infektionszahlen
Vor dem Hintergrund der derzeit vorherrschenden Omikron-Variante BA5 des Coronavirus SARS-CoV-2 wird in diesem Herbst und im Winter 2022/23 mit einem deutlich erhöhten Infektionsgeschehen gerechnet, so dass krankheitsbedingte Ausfallzeiten im Beschäftigungssystem und darüber hinaus das Risiko, dass Infizierte an Long-COVID erkranken können, wieder ansteigen können.
Um dem vorzubeugen, hat das Bundeskabinett am 31.08.2022 eine aktualisierte Version der Verordnung erlassen, die am 01.10.2022 in Kraft getreten ist.
Im Mittelpunkt der Verordnung steht erneut die Verpflichtung der Betriebe, ein betriebliches Hygienekonzept zu erstellen, in dem bewährte, praxisgerechte und bei Betrieben und Beschäftigten bekannte und akzeptierte Schutzmaßnahmen zum betrieblichen Infektionsschutz festgelegt und umgesetzt werden sollen.
Hierzu können neben Maßnahmen zur Umsetzung der AHA+L-Regel und dem Tragen von Schutzmasken auch die Verminderung betrieblicher Personenkontakte, z.B. durch die Reduzierung der gleichzeitigen Nutzung von Räumen und durch das Angebot an die Beschäftigten, im Homeoffice zu arbeiten, gehören.
Darüber hinaus sollen die Arbeitgeber prüfen, ob allen in Präsenz Arbeitenden regelmäßige Testangebote gemacht werden. Schließlich bleiben die Arbeitgeber verpflichtet, ihre Beschäftigten bei der Wahrnehmung von Impfangeboten „zu unterstützen“.
Maßnahmen der aktuellen SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung im Überblick
Folgende Maßnahmen sind in der neuen Verordnung vorgesehen:
- Festlegung und Umsetzung von Schutzmaßnahmen im betrieblichen Hygienekonzept (§ 2 Abs. 1 VO); dabei sind insbesondere die folgenden Maßnahmen zu prüfen:
- die Umsetzung der AHA+L-Regel an den Arbeitsplätzen und
- Verminderung der betriebsbedingten Personenkontakte, z.B. durch Reduzierung der gleichzeitigen Nutzung von Räumen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1–5 VO) und
- das Angebot eines Homeoffice-Arbeitsplatzes (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 VO).
- Maskenpflicht überall dort, wo technische und organisatorische Maßnahmen zum Infektionsschutz allein nicht ausreichen (§ 2 Abs. 3 VO)
- Testangebote für alle in Präsenz Beschäftigten (§ 2 Abs. 7 VO)
- Verpflichtung der Arbeitgeber, zur Erhöhung der Impfquote und Unterstützung der Beschäftigten bei der Wahrnehmung von Impfangeboten beizutragen (§ 3 VO)
Eine Abschwächung der Arbeitgeberpflichten gibt es zunächst im Bereich der Homeoffice-Arbeitsplätze. Insoweit „kann“ der Arbeitgeber den Beschäftigten „anbieten“, geeignete Tätigkeiten in ihrer Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen.
Die Verpflichtung, ein entsprechendes Angebot zu machen, die noch im ursprünglichen Entwurf der VO vom 24.08.2022 vorgesehen war, wurde damit nicht Gesetz.
Die neue Regelung dürfte kaum über die meisten der bislang auf betrieblicher Ebene vereinbarten Homeoffice-Konzepte hinausgehen.
Zudem wurde die Verpflichtung zum Angebot von Testungen, die ebenfalls im VO-Entwurf vom 24.08.2022 noch enthalten war, nicht aufrechterhalten.
Nunmehr hat der Arbeitgeber im Rahmen seiner Gefährdungsbeurteilung „zu prüfen“, den Beschäftigten Tests anzubieten.
Diese Tests müssen bestimmten Qualitätsanforderungen genügen (In-vitro-Diagnostika, die für den direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 bestimmt und die aufgrund ihrer CE-Kennzeichnung verkehrsfähig sind), und sie müssen kostenfrei sein. Ob der Arbeitgeber das Angebot macht, obliegt aber alleine seiner Entscheidung.
Laufzeit der neuen Verordnung
Die am 01.10.2022 in Kraft getretene VO endet am 07.04.2023. Im April 2023, so lautet die Hoffnung, ist die Coronapandemie ausgestanden.
Autor: Ein Beitrag von Rechtsanwalt Prof. Dr. Joachim Weyand, Direktor des Instituts für Rechtswissenschaft a.D., Universität Ilmenau, Mitherausgeber des Deubner „Praxishandbuch Arbeitsrecht“ und Autor des „Rechtsportal Arbeitsrecht“. Der Beitrag ist in beiden Werken im Oktober 2022 erschienen.