Noch bevor der Koalitionsvertrag vorgestellt werden kann, muss sich die Ampelkoalition als Gesetzgeber beweisen: Nach den aktuellen Zahlen des Robert-Koch-Instituts (Stand: 19.11.2021) beträgt die Zahl der Neuinfektionen 52.970. Die 7-Tage-Inzidenz steigt damit auf 340,7 und erreicht damit einen neuen Höchstwert. Zugleich mehren sich Berichte über allmählich zu Neige gehende freie Intensivbetten in den Kliniken.
Diese Gemengelage veranlasste die künftigen Regierungsfraktionen in der vergangenen Woche den Entwurf eines "Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite" (IfSG-ÄnderungsG) vorzulegen. Der Gesetzentwurf findet sich unter dem folgenden Link:
https://dserver.bundestag.de/btd/20/000/2000015.pdf
Die Qualität der Regelungen wird als mäßig beschrieben und ihre Kommunikation im Vorfeld des Verfahrens durchgängig als desaströs kommentiert. Zunächst musste der Entwurf „nachgeschärft“ werden, u. a. in Gestalt einer 3-G-Regelung für den öffentlichen Personennah- und Fernverkehr. Zu Beginn dieser Woche herrschte dann Verwirrung über die Einführung einer berufsspezifischen Impfpflicht, die dann aber Widerstand der FDP scheiterte. Eine Impfflicht, auch eine berufsspezifische Impfpflicht, insbesondere für den Bereich der Gesundheits- und Pflegeberufe, wird es zunächst nicht geben. Dass sie bei einer weiteren Verschärfung der Infektionslage doch noch kommen, ist gegenwärtig aber nicht auszuschließen.
Das Gesetz hat nach heftigen Auseinandersetzungen am Donnerstag (18.11.2021) den Bundestag und am heutigen Freitag (19.11.2021) den Bundesrat passiert. Es dürfte – einen Tag nach seiner Verkündung – am 25.11.2021 in Kraft treten.
Hintergrund: Epidemische Lage von nationaler Tragweite läuft aus
Hintergrund der Neuregelungen ist das Auslaufen der vom Bundestag jeweils gem. § 5 Abs. 1 IfSG maximal befristet für drei Monate festzustellende "Epidemische Lage von nationaler Tragweite"; sie endet am 24.11.2021 und soll nach dem Willen der Fraktionen der künftigen Ampelkoalition nicht mehr verlängert werden. Die während der Geltung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite der Exekutive zustehenden Befugnisse zur Regelung infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen zu, die nun nicht mehr ohne weiteres möglich wären, sollen durch die Änderungen des Infektionsgesetzes kompensiert werden. Zudem sollen neue und weitere Maßnahmen unter Beteiligung des Bundestags und der jeweiligen Landesparlamente eingeführt werden.
Zurück ins Homeoffice
In arbeitsrechtlicher Hinsicht wird mit der Aufnahme des § 28b Abs. 4 IfSG zunächst – erneut – ein Recht auf Homeoffice eingeführt. Danach haben Arbeitgeber "den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen". Und weiterhin gilt: "Die Beschäftigten haben dieses Angebot anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen".
Diese Regelung entspricht im Wortlaut der bereits vom 23.04.2021 bis zum 30.06. 2021 in § 28b Abs. 7 IfSG im Gesetz befindlichen Regelung, der ihrerseits die Corona-Arbeitsschutzverordnung im Verordnungswege durch das BMAS vorangegangen war. Da es Vorbehalte hinsichtlich der Zulässigkeit einer derart eingriffsintensiven Regelung im bloßen Verordnungswege gab, wurde die Regelung im April 2021 in ein formelles Gesetz überführt. Ende Juni 2021 trat die Regelung dann aber außer Kraft, da sich die Infektionslage entspannte.
Die Hoffnung auf eine dauerhafte Entspannung aber trog. Nunmehr müssen Unternehmen ihren Beschäftigten wieder ein Angebot machen, die Tätigkeit von zuhause aus zu erbringen. Nur, wenn es wichtige Gründe gibt, darf dies unterbleiben. Solche Gründe liegen bei Bürotätigkeiten insbesondere bei Tätigkeiten wie der Postbearbeitung, Reparatur- und Wartungsaufgaben, oder Notdiensten vor.
Beschäftigte haben das Angebot auf Homeoffice zwar anzunehmen. Allerdings können sie weiterhin ins Büro kommen, wenn der Tätigkeit von zuhause aus "irgendwelche" Gründe entgegenstehen, die nicht – wie für den Arbeitgeber - das Gewicht von "zwingenden" Gründen aufweisen müssen. Damit wird es in der Praxis genügen, wenn der Arbeitnehmer schlicht mitteilt, nicht zuhause aus arbeiten zu können, sei es aus Platzgründen oder weil womöglich der Partner oder die Partnerin bereits dort arbeitet.
3G-Pflicht und deren Nachweis für alle Beschäftigten
Darüber hinaus gilt nunmehr eine bundesweite 3G-Pflicht in den Betrieben. Dazu sieht § 28b Abs. 1 IfSG n.F. vor, dass Arbeitsstätten nur betreten werden dürfen, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte geimpft, genesen oder getestet sind "und einen Impfnachweis, einen Genesenennachweis oder einen Testnachweismit sich führen". Sofern ein Test vorgelegt wird, darf dieser maximal 48 Stunden alt sein. Entgegen dieser Regelung darf der Betrieb nur betreten werden, um ein dortiges Impfangebot oder Testangebot wahrzunehmen. Damit besteht noch keine Impfpflicht, wohl aber eine Testpflicht für Ungeimpfte, die auch nicht als genesen gelten.
Diese Regelung gilt für jeden Arbeitsplatz, also unabhängig von der ausgeübten Tätigkeit. Die Pflicht besteht, sofern es zu "physischen Kontakten" zwischen den Beschäftigten kommen kann. Nach der Gesetzesbegründung ist dies bereits dann der Fall, "wenn in der Arbeitsstätte ein Zusammentreffen mit anderen Personen nicht ausgeschlossen werden kann, auch wenn es zu keinem direkten Körperkontakt kommt. Nicht erheblich ist, ob Beschäftigte tatsächlich auf andere Personen treffen. Wenn diese Möglichkeit besteht, muss ein Nachweis über den Status geimpft, genesen oder getestet mitgeführt werden".
Die Ausnahme für Geimpfte und Genese werden damit begründet, dass diese seltener infiziert würden und bei einer Infektion für einen deutlich kürzeren Zeitraum infektiös seien. Zudem seien Geimpfte und Genesene etwa 10-fach besser vor einem schweren Krankheitsverlauf geschützt als Ungeimpfte. Damit trügen sie in geringerem Maße zu einer Belastung des Gesundheitswesens bei.
Für Beschäftigte und auch Besucher bestimmter Einrichtungen wie z.B. von Pflegeheimen gilt überdies eine verschärfte Testpflicht (§ 28b Abs. 2 IfSG n.F.), die durch eine Klarstellung ihrer datenschutzrechtlichen Zulässigkeit (§ 28b Abs. 3 n. F. IfSG) noch ergänzt wird.
Prof. Dr. RA Joachim Weyand