Begriff und Funktionsweise
Bei einem Unfalldatenschreiber (UDS) handelt es sich um ein fest installiertes, elektronisches Gerät, das ständig Daten u.a. zur Funktionsweise der Bremsen, Beleuchtung, Blinker, Geschwindigkeit, Bewegungsrichtung und Beschleunigung des Fahrzeugs aufzeichnet. Im Regelfall werden die Daten nach einigen Minuten wieder gelöscht, da sie als irrelevant angesehen werden. Wird aber nach einem Aufprall eine ausgeprägte Beschleunigung des Fahrzeugs wahrgenommen, sieht der Unfalldatenspeicher dies als Unfall und die Daten der letzten Sekunden oder gar Minuten verbleiben im Speicher.
Sie können später durch einen Sachverständigen ausgelesen werden. Beim Event-Data-Recorder (EDR) handelt es sich dagegen nicht um ein autarkes Gerät mit eigener Sensorik, sondern um einen kostengünstigen Sammelspeicher, der – im Fall eines Unfalls – die jüngsten Fahrdaten aus den Fahrassistenzsystemen des Autos wie etwa dem Airbag-Steuergerät speichert und diese Informationen für eine anschließende Auswertung durch einen Sachverständigen verfügbar macht (SCHLANSTEIN, VD 2014, 15).
Eine gesetzliche Pflicht zum Einbau von UDS bzw. EDR gibt es nicht. Der Einbau erfolgt freiwillig und wird häufig bei Behördenfahrzeugen, Firmenwagen oder Mietwagen vorgenommen. Mit der am 21.06.2017 in Kraft getretenen Änderung des Straßenverkehrsgesetzes haben allerdings erstmalig spezifische Regelungen für Kraftfahrzeuge mit hoch- und vollautomatisierten Fahrfunktionen Eingang in das deutsche Straßenverkehrsrecht gefunden, indem in den §§ 63a f. StVG Vorgaben für die Datenverarbeitung in hoch- und vollautomatisierten Fahrzeugen und mithin eine Verpflichtung zum sogenannten „Event Data Recording“ normiert wurden (vgl. hierzu SCHMID/WESSELS, NZV 2017, 357).
Beweiserhebung und -verwertung bei Zivilgerichten
Bedenken im Hinblick auf Beweiserhebungs- oder -verwertungsverbote werden von den Zivilgerichten nicht erhoben. Vielmehr werden die Messwerte ohne weiteres als Grundlage für eine Unfallrekonstruktion akzeptiert. Die Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten ist nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG zulässig, da sie zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich ist und keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen des Betroffenen ersichtlich sind.
Im Rahmen der erforderlichen Abwägung überwiegt das Interesse an der Aufklärung des Geschehensablaufs das Interesse des Betroffenen am Schutz der personenbezogenen Daten (LG Bochum, Urt. v. 07.11.2016 – 5 O 291/ 15, VRR 2017, 10). Die so gewonnenen Erkenntnisse werden teilweise sogar als Grundlage bei der Prüfung unfallbedingter Gesundheitsschädigungen zugelassen (zuletzt KG, Urt. v. 16.11.2006 – 22 U 267/04, VersR 2008, 837; BROCKMANN/NUGEL, ZfS 2016, 64; BALZER/NUGEL, NJW 2016, 193).
Die zivilprozessuale Grundlage, um das Auslesen von Fahrzeugdaten als Bestandteil der Unfallrekonstruktion zu ermöglichen, findet sich in den §§ 142, 144 ZPO. Das Gericht kann gem. § 142 Abs. 1 ZPO anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt (BROCKMANN/NUGEL, ZfS 2016, 64). Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann das Gericht die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.
Es kann zu diesem Zweck einer Partei oder einem Dritten die Vorlegung eines in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Gegenstands – also etwa eines Unfalldatenschreibers – aufgeben und hierfür eine Frist setzen.
Beweiserhebung und -verwertung bei Strafgerichten
Strafprozessual können die Behörden gem. §§ 94, 95, 98 StPO die Sicherstellung und die Herausgabepflicht von Fahrzeugdaten bzw. -datenträgern durch setzen. Die Staatsanwaltschaft darf nach § 102 StPO die Datenspeicher nach beweisrelevanten Daten durchsuchen. Dabei darf sie die Datenträger auch auslesen. Über § 110 Abs. 1 StPO wird es ihr dabei gestattet, eine Durchsicht der erlangten Daten vorzunehmen.
Kritische Stimmen aus der Literatur mahnen die strikte Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes an. Danach bedarf § 94 StPO einer verfassungskonformen Einschränkung im Einzelfall, da anderenfalls ein Verstoß gegen das vom BVerfG im Beschluss zur „Online-Durchsuchung“ als Verfassungsgut anerkannte Recht auf Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme vorläge (BVerfG, Urt. v. 27.02.2008 – 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07, NJW 2008, 822).
Der Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf den Fahrdatenbestand hat daher hohen Rechtfertigungsanforderungen zu genügen und kann regelhaft nur rechtmäßig erfolgen, wenn eine Beeinträchtigung bedeutsamer Rechtsgüter wie Leib, Leben oder Freiheit einer Person vorliegt (SCHWICHTENBERG, DuD 2015, 378).
Schweigerecht des Beschuldigten
Außerdem werden Bedenken im Hinblick auf den nemo-tenetur-Grundsatz angemeldet (MIELCHEN, SVR 2014, 81; SCHWICHTENBERG, DUD 2015, 378). Der aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“ bedeutet, dass sich niemand in einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren selbst belasten muss (BVerfG, Urt. v. 19.03.2013 – 2 BvR 2628/10, BVerfGE 133, 168).
Dieser Grundsatz wird ausgehöhlt, wenn die von einem Autofahrer freiwillig oder ohne seine Kenntnis im eigenen Pkw erhobenen Daten in einem Prozess gegen seinen Willen gegen ihn verwendet werden können. Soweit dieser Problematik dadurch entgegengewirkt werden soll, die Aufzeichnungsgeräte mit einer Funktion auszustatten, mit der der Fahrer nach einem Unfall dgen diese Funktion vom Halter und/oder Eigentümer der Fahrzeuge regelmäßig deaktiviert wird.
Eine ähnliche Problematik kann sich ergeben, wenn die Polizei einen vom Betroffenen freiwillig eingebauten Unfalldatenspeicher beschlagnahmen und sich bei der Auswertung ein Verkehrsverstoß wie etwa eine Geschwindigkeitsüberschreitung ergeben würde. Die Verfolgungsbehörde könnte durch Auswertung des persönlichen, im Eigentum des Fahrzeugführers/-halters stehenden Datenspeichers sein Aussageverweigerungsrecht regelmäßig unterlaufen (MIELCHEN, SVR 2014, 81).