Wie umgehen mit Beweisen aus der Dashcam? Elektronische Zeugen im Fahrzeug und die Beweisverwertung

Bei den sogenannten „Dashcams“ handelt es sich um Minikameras, die etwa am Armaturenbrett angebracht werden können und die das Verkehrsgeschehen festhalten und speichern.

In der rechtlichen Diskussion stehen die Fragen, ob der Betrieb solcher Kameras überhaupt zulässig ist und ob ihre Aufnahmen ggf. im Zivilprozess oder im Strafverfahren verwertet werden dürfen.

Zulässigkeit des Betriebs einer Dashcam

Ob der Betrieb einer Dashcam rechtlich zulässig ist, wird unterschiedlich beurteilt. Diskutiert werden Verletzungen des KunstUrhG und des Datenschutzrechtes.

Verstoß gegen KunstUrhG

Ein Verstoß gegen § 22 KunstUrhG liegt nach ganz überwiegender Auffassung nicht vor (a.A. LG Heil-bronn, Urt. v. 03.02.2015 – I 3 S 19/14, 3 S 19/14,DAR 2015, 211).

§ 22 KunsturhG verbietet lediglich das Verbreiten und zur Schaustellen von Aufnahmen, nicht aber das Fotografieren selbst (LG Landshut,Kapitel 1Kapitel 1.1 Beschl. v. 01.12.2015 – 12 S 2603/15, MDR 2016,792).

Die Anfertigung einer Dashcam-Aufnahme und deren nachfolgende Verwertung im Zivilprozessbedeutet keine Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung i.S.v. § 22 KunstUrhG.

Zum Zwecke der Beweissicherung und Beweisführung in einem Gerichtsverfahren gefertigte Bilder sind nicht zur Veröffentlichung bestimmt bzw. es besteht keine Veröffentlichungsgefahr (LG Frankenthal, Urt. v.30.12.2015 – 4 O 358/15, MDR 2016, 791).

Zudem ergibt sich aus § 24 KunstUrhG, dass die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung für Zwecke der Rechtspflege zulässig ist, soweit sie durch Behörden erfolgt (LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 08.02.2016 –2 O 4549/15, VRR 2016, Nr. 9, 11–13).

Verstoß gegen Datenschutz

Auch datenschutzrechtlich ist die Zulässigkeit des Einsatzes einer Kamera umstritten. Weitgehend Einigkeit besteht noch darüber, dass personenbezogene Daten (§ 3 Abs. 1 BDSG) unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen durch nicht-öffentliche Stellen (vgl. § 2 Abs. 4 BDSG) verarbeitet (vgl. § 3Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 BDSG), genutzt oder dafür erhoben werden oder die Daten in oder aus nicht automatisierten Dateien verarbeitet, genutzt oder dafür erhoben werden (§ 3 Abs. 2 BDSG).

Nach überwiegender Auffassung liegt kein Anwendungsausschluss des BDSG gem. § 1 Abs. 2 Nr. 3bzw. § 27 Abs. 1 2 BDSG wegen ausschließlich persönlicher oder familiärer Nutzung der Daten vor.

Die Erhebung und Verarbeitung der personenbezogenen Daten wird nämlich bereits unter dem erklärten Zweck vorgenommen, ein Beweismittel im straf- oder zivilgerichtlichen Verfahren zu haben und die Aufnahmen im Bedarfsfall bei Behörden vorzulegen.

Dadurch wird der persönliche und familiäre Bereich verlassen (VG Ansbach, Urt. v. 12.08.2014 – AN 4 K13.01634, DAR 2014, 663). Stark umstritten ist die Frage, ob der Betrieb einer Dash-Cam unter die Regelung des § 6b BDSG fällt.

Gemäß § 6b Abs. 1 BDSG ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) nur zulässig, soweit sie

  • zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,
  • zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
  • zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke

erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

Es wird unterschiedlich beurteilt, ob § 6b BDSG Minikameras in Fahrzeugen überhaupt erfasst:

  • Teilweise wird vertreten, diese Regelung sei nicht auf Aufzeichnungen aus einem Fahrzeug heraus, sondern auf die Überwachung öffentlich zugänglicher Räume mit stationären optisch-elektronischen Einrichtungen zugeschnitten. Dies werde an § 6b Abs. 2 BDSG erkennbar, der vorschreibe, den Umstand der Überwachung durch geeignete Maßnahmen kenntlich zu machen. Dies sei nur bei stationärer, nicht aber bei mobiler Videoaufzeichnung vorstellbar (LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 08.02.2016 – 2 O 4549/15, VRR 2016, Nr. 9, 11– 13; LG Landshut, Beschl. v. 01.12.2015 – 12 S 2603/15, MDR 2016, 792; AG Nürnberg, Urt. v. 08.05.2015 – 18 Q 8938/14, DAR 2015, 472; AG Nienburg, Urt. v. 20.01.2015 – 4 Ds 520 Js 39473/ 14, DAR 2015, 280 ff.; KLANN, DAR 2014, 451, 452).
  •  Andere tragen diese Einschränkung nicht mit. Bei der gewählten Formulierung der optisch-elektronischen Einrichtung handele es sich gerade um einen wertneutralen Begriff, der jegliche Form der Videoüberwachung erfassen solle. § 6b BDSG verfolge den Zweck, die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen zu gestatten, um das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen zu wahren. Durch den Klammerzusatz in § 6b Abs. 1 BDSG („Videoüberwachung“) habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass jegliches technisches Gerät, das Videos aufzeichnen kann, grundsätzlich als optisch-elektronische Einrichtung im Sinne dieser Norm zu verstehen sei (VG Göttingen, Beschl. v. 12.10.2016 – 1 B 171/16, DUD 2017, 113; OLG Stuttgart, Beschl. v. 04.05.2016 – 4 Ss 543/15, NJW 2016, 2280; LG Memmingen, Urt. v. 14.01.2016 – 22 O 1983/13, DAR 2016, 143; VG Ansbach, Urt. v. 12.08.2014 – AN 4 K 13.01634, DAR 2014, 663; vgl. auch BALZER/NUGEL, NJW 2014, 1622, 1626 m.w.N.).

Wenn man Dash-Cams grundsätzlich dem Anwendungsbereich des § 6b BDSG unterstellt, kommt es für die Zulässigkeit der Datenspeicherung darauf an, ob die Aufzeichnung „zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen“. Auch diese Frage wird unterschiedlich beurteilt.

  • Nach LG Memmingen (Urt. v. 14.01.2016 – 22 O 1983/13, DAR 2016, 143) genügt die bloß theoretische Möglichkeit des Notwendigwerdens einer Beweisführung aufgrund der generellen Gefährlichkeit des Straßenverkehrs oder der Möglichkeit von Vandalismus nicht, um ein überwiegendes Interesse zu begründen. Andere halten es für ausreichend, dass der Betrieb erfolgt, um mögliche Beweismittel bei einem Verkehrsunfall oder bei einem anderen verkehrsrechtlichen Sachverhalt vorlegen zu können (VG Ansbach, Urt. v. 12.08.2014 – AN 4 K 13.01634, DAR 2014, 663; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 08.02.2016 – 2 O 4549/15, VRR 2016, Nr. 9, 11–13; im konkreten Fall offengelassen von OLG Stuttgart, Beschl. v. 04.05.2016 – 4 Ss 543/15, NJW 2016, 2280).
  • Nach VG Göttingen (Beschl. v. 12.10.2016 – 1 B 171/16, DUD 2017, 133) ist die Beobachtung nicht gem. § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG zulässig, da sie nicht zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Dies gilt in der Folge auch für die anschließende Verarbeitung und Nutzung der Daten nach § 6b Abs. 3 BDSG.
  • Nach OLG Celle, Beschluss vom 04.10.2017 – 3 Ss (OWi) 163/17, DAR 2018, 35, stellt die Aufzeichnung mutmaßlich verkehrsordnungswidriger Verhaltensweisen Dritter im öffentlichen Straßenverkehr mittels einer sogenannten Dash-Cam (Onboard-Kamera) und die anschließende Übermittlung der dergestalt erhobenen Daten an die zuständige Bußgeldbehörde zwecks Ahndung eventuell begangener Verkehrsordnungswidrigkeiten einen Verstoß gegen § 1 Abs. 1 BDSG dar und ist durch § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG als Ordnungswidrigkeit sanktioniert.
  •  Der BGH hat in seinem wegweisenden „DashCam-Urteil“ (BGH, Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17, BGHZ 218, 348 m. Anm. etwa von GREGER, DAR 2018, 506; LÖFFELMANN, JR 2018, 608; METZ, NZV 2018, 419) folgende differenzierende Lösung vertreten: Die Videoaufzeichnung mittels einer Dash-Cam, auch während der Fahrt, unterliegt dem Regelungsregime des Bundesdatenschutzgesetzes. Die Aufnahmen der Dash-Cam im Streitfall enthalten personenbezogene Daten i.S.d. § 3 Abs. 1 BDSG, also Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person. Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG findet das Bundesdatenschutzgesetz auch für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch nichtöffentliche Stellen Anwendung, soweit diese Stellen die Daten unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen erheben und die Tätigkeit nicht ausschließlich für persönliche oder familiäre Zwecke erfolgt. Eine Videoüberwachung, die sich auch nur teilweise auf den öffentlichen Raum erstreckt und dadurch auf einen Bereich außerhalb der privaten Sphäre desjenigen gerichtet ist, der die Daten auf diese Weise verarbeitet, kann nicht als eine ausschließlich persönliche oder familiäre Tätigkeit angesehen werden.

Ob sich eine Befugnis zur mobilen Videoaufzeichnung mittels Dash-Cam grundsätzlich aus § 6b Abs. 1 oder aus § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG ergeben kann, hat der BGH offengelassen, da eine etwaige Erlaubnis jedenfalls an der fehlenden Verhältnismäßigkeit scheitern würde. Im konkreten Streitfall hatte der Kläger eine Kamera verwendet, die regelmäßig über einen Zeitraum von ca. vier Stunden ohne konkreten Anlass das Verkehrsgeschehen aufzeichnete.

Damit war die Datenerhebung jedenfalls nicht erforderlich, da es technisch möglich ist, die dauerhafte Aufzeichnung zu vermeiden und lediglich eine kurzzeitige anlassbezogene Speicherung im Zusammenhang mit einem Unfallgeschehen vorzunehmen. Wenn diese Möglichkeiten nicht genutzt werden, überwiegen die schutzwürdigen Interessen der anderen Verkehrsteilnehmer mit ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Streitfall den Interessen des Verwenders der Kamera.

Verwertbarkeit im Zivilprozess

Soweit der Betrieb der Kamera als Verstoß gegen das Datenschutzrecht und/oder § 22 KunstUrhG gewertet wird, stellt sich die Frage, ob die rechtswidrig erlangten Aufnahmen gleichwohl im Zivilprozess als Beweismittel verwertet werden dürfen (umfassend zu dieser Thematik GREGER, Kamera on board – Zur Zulässigkeit des Video-Beweises im Verkehrsunfallprozess, NZV 2015, 114).

Fehlerhafte Beweiserhebung verhindert nicht generell Verwertung

Im Grundsatz gilt, dass eine unzulässige oder fehlerhafte Beweiserhebung die Verwertung der hierbei gewonnenen Erkenntnisse nicht generell verhindert. § 286 ZPO i.V.m. Art.103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt und die von ihnen angebotenen Beweise vollständig zu berücksichtigen (BVerfG, Beschl. v. 09.10.2002 – 1 BvR 1611/96, 1 BvR 805/98, BVerfGE 106, 2; BGH, Urt. v. 01.03.2006 – XII ZR 210/04, BGHZ 166, 283, 290).

Ein Verbot der Verwertung eines vom Gericht erhobenen Beweises kommt daher nur in Betracht, wenn dies ein Gesetz ausdrücklich anordnet (z.B. § 7 Abs. 2 AutobahnmautG für Aufzeichnungen der Erfassungsanlagen) oder wenn die Beweiserhebung ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht einer Partei verletzt, ohne dass dies zur Gewährleistung eines im Rahmen der Güterabwägung als höherwertig einzuschätzenden Interesses der anderen Partei oder eines anderen Rechtsträgers nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt erscheint (ZÖLLER/GREGER, § 286 ZPO Rdnr. 15a).

Güterabwägung bei Verwertung

Hinsichtlich der insoweit vorzunehmenden Interessenabwägung ist zunächst auf der Grundlage der durch das Bundesverfassungsgericht entwickelten Sphärentheorie (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 24.06.1993 – 1 BvR 689/92, BVerfGE 89, 69, 82 f.) die Sphäre zu bestimmen, in welche das vorliegende Geschehen einzuordnen ist.

Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet dabei zwischen drei Sphären in Gestalt der sogenannten „Intimsphäre“ als Kernbereich der privaten Lebensgestaltung, der sogenannten „Privat- oder Geheimsphäre“ als durch Sozialbezug geprägten Bereich der privaten Lebensgestaltung und der sogenannten „Sozial-, Öffentlichkeits- bzw. Individualsphäre“ als Bereich der Teilnahme am öffentlichen Leben. Da die Kameraaufzeichnungen im öffentlichen Straßenverkehr stattfinden, bewegen sich die Aufnahmen im Bereich der Öffentlichkeitssphäre.

Ob dabei das Interesse des Nutzers der Kamera an einer möglichst lückenlosen Aufklärung des Sachverhalts oder aber das Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der zu Unrecht gefilmten Person vorrangig sind, muss für jeden Einzelfall durch eine Abwägung der widerstreitenden Interessen ermittelt werden. Die Rechtsprechung ist uneinheitlich:

  • Ein Teil der Rechtsprechung verneint ein Verwertungsverbot. Zugunsten des Verwenders der Kamera sei auf das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG abzustellen, was der Rechtspflege eine hohe Bedeutung zumesse. Im Zusammenspiel mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG sowie dem Gebot des effektiven Rechtschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG und der freien richterlichen Beweiswürdigung, wie sie in § 286 ZPO ihre einfachgesetzliche Ausprägung erfahren habe und wonach die Gerichte gehalten seien, angebotene Beweise grundsätzlich zu berücksichtigen, ergäben sich überwiegende Rechtspositionen und Interessen auf Seiten des Verwenders der Kamera (LG Frankenthal, Urt. v. 30.12.2015 – 4 O 358/15, MDR 2016, 791; LG Traunstein, Urt. v. 01.07.2016 – 3 O 1200/15, Juris; LG Landshut, Beschl. v. 01.12.2015 – 12 S 2603/15, MDR 2016, 792). Nach AG Nürnberg (Urt. v. 08.05.2015 – 18 C 8938/14, DAR 2015, 977) soll sogar bei einem Unfall mit einem reinen Sachschaden das Aufklärungsinteresse des Geschädigten das Persönlichkeitsrecht gefilmter Personen überwiegen, weil dies im Bereich der Öffentlichkeit ohnehin nur marginal tangiert sei.
  • Andere nehmen ein Verwertungsverbot an. Durch die Aufzeichnung werde das Grundrecht der gefilmten Person auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt. Dem Interesse an der Zivilrechtspflege komme nicht generell ein überwiegendes Gewicht zu. Es müssten vielmehr weitere Gesichtspunkte hinzutreten, die das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Rechtsverletzung als schutzbedürftig erscheinen ließen (vgl. BGH, Urt. v. 12.01.2005 – XII ZR 227/03, NJW 2005, 497). Solche Gesichtspunkte seien bei einer anlasslosen und permanenten Aufzeichnung des Verkehrsgeschehens nicht gegeben (LG Heilbronn, Urt. v. 03.02.2015 – I 3 S 19/14, 3 S 19/14, DAR 2015, 211). Das LG Memmingen (Urt. v. 14.01.2016 – 22 O 1983/13, DAR 2016, 143) stellt darauf ab, dass die Zulassung einer rechtswidrig erlangten Videoaufnahme zu einer weiteren Verbreitung von Dash-Cams und daher einer dauerhaften und flächendeckenden Überwachung im öffentlichen Verkehr führen würde, so dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung völlig ausgehöhlt würde. Dem müsse durch ein Beweiserhebungsverbot Einhalt geboten werden, sofern es nicht um wesentlich bedeutendere Rechtsgüter als den bloßen Eigentumsschutz gehe.
  • Der BGH hat sich im bereits oben zitierten „DashCam-Urteil“ (BGH, Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17, BGHZ 218, 348) bei der Frage eines zivilprozessualen Verwertungsverbotes für eine vermittelnde Lösung entschieden, die eine Güterabwägung im Einzelfall fordert. Auf der einen Seite stehen das Interesse des Beweisführers an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche, sein im Grundgesetz verankerter Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege und an einer materiell richtigen Entscheidung nach freier Beweiswürdigung. Auf der anderen Seite steht das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung und ggf. als Recht am eigenen Bild, sofern er auf der Aufnahme für Dritte erkennbar ist.

Für die konkrete Abwägung hat der BGH sodann auf folgende Aspekte abgestellt:

Der Unfallgegner ist lediglich in seiner Sozialsphäre betroffen. Aufgezeichnet wurde ein Unfallgeschehen unter Beteiligung seines Kraftfahrzeugs. Das Geschehen ereignete sich im öffentlichen Straßenraum, in den er sich freiwillig begeben hat. Er hat sich durch seine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer ausgesetzt.

Es wurden nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar sind. Der Verwender der Kamera ist häufig in einer besonderen Beweisnot, die der Schnelligkeit des Verkehrsgeschehens geschuldet ist. Wenn überhaupt Zeugen vorhanden sind, ist der Beweiswert ihrer Aussagen angesichts der Flüchtigkeit des Unfallgeschehens und der Gefahr von Rekonstruktionsund Solidarisierungstendenzen regelmäßig gering; unfallanalytische Gutachten setzen verlässliche Anknüpfungstatsachen voraus, an denen es häufig fehlt.

Hier treffen das grundrechtsähnliche Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs und das Rechtsstaatsprinzip für die Interessen des Unfallgeschädigten kritisch aufeinander. Jedes Beweisverwertungsverbot beeinträchtigt nicht nur die im Rahmen der Zivilprozessordnung grundsätzlich eröffnete Möglichkeit der Wahrheitserforschung und damit die Durchsetzung der Gerechtigkeit und die Gewährleistung einer funktionstüchtigen Zivilrechtspflege, sondern auch durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechte der auf Durchsetzung ihres Anspruchs klagenden Parteien.

Es besteht auch ein individuelles Interesse der Partei eines Zivilprozesses an der Findung der materiellen Wahrheit bis hin zur Abwehr eines möglichen Prozessbetrugs. Schließlich ist im Unfallhaftpflichtprozess zu beachten, dass das Gesetz selbst den Beweisinteressen des Unfallgeschädigten durch die Regelung des § 142 StGB ein besonderes Gewicht zugewiesen hat.

Datenschutzrechtliche Verstöße sollen für die Frage der Verwertbarkeit des Beweismittels nicht von Bedeutung sein, da es nicht Aufgabe des Zivilprozesses ist, die Einhaltung der Regeln des Datenschutzes durchzusetzen – hierfür ist primär auf die datenschutzrechtlichen Vorschriften etwa aus §§ 43 Abs. 2, 44 Abs. 1 oder § 38 Abs. 5 BDSG abzustellen. Im konkreten Fall hat der BGH aus diesen Gründen ein Beweisverwertungsverbot verneint.

Verwertbarkeit im Straf-/ Bußgeldverfahren: Grundsätze des Beweisverwertungsverbots

Auch im Straf- und Bußgeldverfahren ist anerkannt, dass aus einem Beweiserhebungsverbot nicht automatisch ein Beweisverwertungsverbot folgt. Im Einzelfall stützt die Rechtsprechung das Entstehen von Beweisverwertungsverboten auf eine Abwägung zwischen der Bedeutung des betreffenden Beweismittels für das Strafverfahren und der Schwere des Verstoßes gegen das Beweiserhebungsverbot (sog. Abwägungslehre).

Für Beweiserhebungsverbote, die ausschließlich dem Schutz des Staates (§§ 54, 96 StPO) oder dritter Personen (§§ 55, 81c StPO) dienen, hat der BGH die sogenannten Rechtskreistheorie entwickelt, der zufolge unterschieden werden muss, ob durch das Beweiserhebungsverbot der Rechtskreis des Beschuldigten, eines Zeugen oder eines Dritten berührt wird (zuletzt BGH, Urt. v. 20.01.2004 – 1 StR 319/03, NStZ 2004, 442).

Ein Beweisverwertungsverbot ist ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung nur ausnahmsweise aus übergeordneten wichtigen Gesichtspunkten im Einzelfall anzunehmen, wenn einzelne Rechtsgüter durch Eingriffe fern jeder Rechtsgrundlage so massiv beeinträchtigt werden, dass dadurch das Ermittlungsverfahren als ein nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geordnetes Verfahren nachhaltig geschädigt wird (BGH, Urt. v. 18.04.2007 – 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285).

Insoweit wird ein Beweisverwertungsverbot nur dann angenommen, wenn die zur Fehlerhaftigkeit der Ermittlungsmaßnahmen führenden Verfahrensverstöße entweder besonders schwerwiegend waren oder bewusst oder willkürlich begangen wurden. Diese Grundsätze sind über § 46 OWiG auch im Bußgeldverfahren heranzuziehen (BVerfG, Beschl. v. 20.05.2011 – 2 BvR 2072/10, NJW 2011, 2783).

Beweisverwertung im Strafverfahren

Strafverfahrensrechtlich ist bislang nur die Entscheidung des AG Nienburg (Urt. v. 20.01.2015 – 4 Ds 155/14, 4 Ds 520 Js 39473/14 (155/14), DAR 2015, 280) bekannt geworden. Der Angeklagte hatte einen Zeugen ausgebremst und wurde wegen Gefährdung des Straßenverkehrs gem. § 315c StGB verurteilt. Der geschädigte Zeuge hatte eine Kamera aktiviert, dessen Aufnahmen im Strafprozess herangezogen wurden.

Das AG Nienburg verneinte ein Beweisverwertungsverbot. Bei wertender Betrachtung überwiege unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange des Angeklagten das allgemeine Interesse an der Effektivität der Strafverfolgung. Die Verwertung der Aufzeichnung sei erforderlich gewesen, da aufgrund der Unergiebigkeit der Zeugenaussagen keine anderen Beweismittel zur Verfügung gestanden hätten.

Die Verwertung sei auch verhältnismäßig gewesen, denn es sei nicht der Angeklagte selbst, sondern nur sein Fahrzeug abgebildet worden. Berücksichtigt werden müsse der dringende Verdacht, dass der Angeklagte im Fall eines Schuldspruchs zu einer empfindlichen Freiheitsstrafe verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis entzogen werde und dass diese Maßnahmen im konkreten Fall vor allem das Interesse aller Bürger an der zukünftigen Sicherheit des Straßenverkehrs schützen solle.

Beweisverwertung im Bußgeldverfahren 

Im Bußgeldverfahren hat sich – soweit ersichtlich – bislang nur das OLG Stuttgart mit der Frage befassen müssen, ob eine Dash-Cam-Aufnahme zur Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit verwertet werden darf. Im konkreten Fall hatte ein Verkehrsteilnehmer den Betroffenen gefilmt, wie dieser mit seinem Pkw ein Rotlicht missachtet hatte. Das OLG Stuttgart (Beschl. v. 04.05.2016 – 4 Ss 543/15, NJW 2016, 2280) verneinte ein Beweisverwertungsverbot. Der Tatrichter sei grundsätzlich nicht gehindert, eine Videoaufzeichnung, die keine Einblicke in die engere Privatsphäre gewähre, sondern lediglich Verkehrsvorgänge dokumentiere und eine mittelbare Identifizierung des Betroffenen über das Kennzeichen seines Fahrzeugs zulasse, zu verwerten, wenn dies zur Verfolgung einer besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigenden Ordnungswidrigkeit erforderlich sei.

Aus § 6b BDSG folge kein ausdrückliches Beweisverwertungsverbot. Die hohe Bedeutung der Verkehrsüberwachung für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs sei zu berücksichtigen. Im Gegenzug seien Intensität und Reichweite des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die Videoaufzeichnung gering.

Die Videoaufzeichnung werde nicht durch den Staat veranlasst. Sollten private Videoaufzeichnungen etwa durch private „Hilfssheriffs“ Überhand nehmen, könnten die Verfolgungsbehörden dieser Entwicklung im Rahmen des § 47 OWiG begegnen. Im Übrigen bestehe kein Rechtssatz dahin, dass es im Straf- und Bußgeldverfahren stets untersagt wäre, von Privaten erlangte Beweismittel zu verwerten, sofern diese unter Verstoß gegen Gesetze gewonnen wurden. Aus der rechtswidrigen Erlangung eines Beweismittels durch einen Dritten folge nicht ohne weiteres die Unverwertbarkeit dieses Beweismittels im Strafverfahren (vgl. BGH, Urt. v. 12.04.1986 – 3 StR 453/88, BGHSt 36, 167, 173).

Selbst Beweismittel, die von Privaten in strafbewehrter Weise erlangt wurden, seien – verfassungsrechtlich unbedenklich – grundsätzlich verwertbar und unterlägen nicht zwingend per se einem Beweisverwertungsverbot (vgl. zum Thema „Steuer-CDs“: BVerfG, Kammerbeschl. v. 09.11.2010 – 2 BvR 2101/09, NStZ 2011, 103).

Die Entscheidung hat in der Literatur Kritik erfahren. Aus § 6b Abs. 3 Satz 2 BDSG folge, dass eine Nutzung von Videoaufnahmen zu anderen Zwecken nur zur Verfolgung von Straftaten, nicht aber bei Ordnungswidrigkeiten zulässig sei.

Die Entscheidung des OLG Stuttgart führe zu einer Erosion des § 6b BDSG und zu einer Steigerung des permanenten Überwachungsdrucks im öffentlichen Raum (CORNELIUS, NJW 2016, 2282; KRÄMER, SVR 2016, 272).

Zusammenfassung

Ob der Betrieb einer Dash-Cam rechtlich zulässig ist oder einen Verstoß gegen das BDSG und/oder § 22 KunstUrhG darstellt, ist nicht geklärt. Die Rechtsprechung der Instanzgerichte ist uneinheitlich. Höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Frage steht noch aus. Wenn man den Betrieb als unzulässig ansieht und damit ein Beweiserhebungsverbot annimmt, stellt sich anschließend die Frage nach einem daraus resultierenden Beweisverwertungsverbot.

Während insoweit die zivilgerichtliche Rechtsprechung erneut uneinheitlich ist, gehen die – allerdings derzeit noch vereinzelten – straf- und bußgeldrechtlichen Entscheidungen davon aus, dass kein Beweisverwertungsverbot besteht.

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