Teil 3: Die Nutzungspflicht
Der dritte Teil unserer Artikelreihe zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach behandelt eine Frage, die erst kurz vor dem ursprünglichen Starttermin an Bedeutung gewonnen hat: Sind Sie als Anwalt überhaupt verpflichtet, das besondere elektronische Anwaltspostfach zu nutzen?
Aktueller Hinweis: Das beA-System ist seit dem 03. September 2018 wieder aktiv! Was Sie zu Fristen und Nutzungspflichten jetzt wissen müssen, erfahren Sie in unserem aktuellen Artikel zum elektronischen Anwaltspostfach!
beA und Nutzungspflicht: Müssen Sie es nutzen?
In der Vergangenheit war die Frage nicht so leicht zu beantworten.
§ 130 ZPO gab zwar vor, dass von der Einführung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs jeder Rechtsanwalt betroffen ist. In den Gesetzestexten fand sich jedoch keine explizite Verpflichtung für Sie, das besondere elektronische Anwaltspostfach auch nutzen zu müssen.
Es ergab sich für Sie lediglich die Pflicht, ab 1.1.2018 Dokumente auf einem sicheren elektronischen Weg zu übermitteln.
In diesem Zusammenhang stellte das besondere elektronische Anwaltspostfach eine sichere Kommunikationsmethode dar.
Als Alternative bot sich zwar das De-Mail-Verfahren an. Da aber jeder Anwalt sowieso mit einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach ausgestattet wurde, erübrigt sich die Frage nach einer expliziten Nutzungspflicht.
Die Sache mit der Empfangsbereitschaft
Einen Knackpunkt stellte (und stellt) jedoch die praktische Ausführung des beA dar.
Die BRAK hatte in ihrer Konzeption vorgesehen, jedem Rechtsanwalt ein voll funktionsfähiges und bereits empfangsbereites besonderes elektronisches Anwaltspostfach auszuliefern – empfangsbereit steht in diesem Zusammenhang synonym für „bereits scharf geschaltet“.
Das bedeutet: Das Postfach kann Nachrichten empfangen, obwohl sich dessen Besitzer noch gar nicht durch eine Erstregistrierung am Postfach angemeldet hat.
Die Folge: Wichtige Nachrichten bleiben womöglich ungelesen im Posteingang liegen. Das könnte haftungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Anwälte machen mobil
Viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen fühlten sich deshalb übergangen und zur Teilnahme am besonderen elektronischen Anwaltspostfach genötigt, da Dokumente bereits ohne ihr Zutun empfangen werden könnten. Mehrfach wurde die BRAK aufgefordert, die Empfangsbereitschaft des beA an die Erstregistrierung durch den Rechtsanwalt zu knüpfen.
Die BRAK wies die Anträge jedoch mit der Begründung zurück, dass sich eine „werkseingestellte“ Empfangsbereitschaft direkt aus dem Gesetzestext ergeben würde. Indirekt könne durch die kommende Pflicht zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr auch eine (zumindest passive) Nutzungspflicht abgeleitet werden.
Die Kammer sah daher keinen Grund darin, das besondere elektronische Anwaltspostfach lediglich erst nach der Erstregistrierung durch den Anwalt empfangsbereit zu schalten.
Report: Das besondere elektronische Anwaltspostfach
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AGH Berlin schaltet sich ein
Es kam zum Rechtsstreit zwischen den besorgten Anwälten und der BRAK vor dem AGH Berlin. Dieser entschied zugunsten der Anwälte: Die BRAK dürfe zumindest den klagenden Anwälten ihr beA nicht empfangsbereit ausliefern.
Ein Tiefschlag für die BRAK. Denn mit dieser Entscheidung sah sie sich gezwungen, den für nunmehr 29.9.2016 geplanten Start erneut zu verschieben.
Der Grund: Die Konzeption des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs sah keine individuelle Freischaltung durch einzelne Anwälte vor. Das gesamte System musste also noch einmal auf den Prüfstand; gemeinsam mit den Entwicklerfirmen sollten Möglichkeiten zur Nachrüstung ausgelotet werden.
UPDATE: BMJV erweitert RAVPV am 29.6.2016
Um das beA doch noch zu retten, griff auch das BMJV in das Chaos rund um die Postfächer ein. Eine Erweiterung der RAVPV („Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer“) sollte die Lösung bringen:
Werkseinstellung durch die BRAK
§ 21 RAVPV-E regelt jetzt die werkseingestellte Empfangsbereitschaft. Demnach ist die BRAK verpflichtet, jedem Rechtsanwalt ein bereits empfangsbereites beA bereitzustellen.
Diese Regelung orientiert sich damit an der Argumentation der BRAK. Die Frage, ob das beA also bereits scharf geschaltet ausgeliefert werden kann, ist damit vorläufig geklärt.
Übergangszeit
Ab 31.12.2017 sind Rechtsanwälte verpflichtet, Dokumente auf einem sicheren elektronischen Weg zu übermitteln. Mit Blick auf diesen Stichtag regelt § 31 RAVPV-E, dass es eine Übergangszeit ab Start des beA bis zum 31.12.2017 geben wird.
In dieser Übergangszeit gibt es keine Nutzungspflicht für Anwälte: Weder besteht eine passive Nutzungspflicht durch das bloße Bereitstellen der notwendigen Technik sowie dem Durchführen einer Erstregistrierung am besonderen elektronischen Anwaltspostfach und der Posteingangskontrolle.
Noch besteht eine aktive Nutzungspflicht durch das Versenden von Nachrichten über das besondere elektronische Anwaltspostfach.
Darüber hinaus gilt das besondere elektronische Anwaltspostfach auch nicht haftungsrechtlich gegen Anwälte, die es nicht auf Posteingänge kontrollieren.
Empfangsbereitschaft
Die erweiterte RAVPV-E regelt ebenfalls, wie Rechtsanwälte eine Empfangsbereitschaft für das besondere elektronische Anwaltspostfach aussprechen.
Dabei orientiert sich das BMJV nicht an einer technischen Lösung, wie es der BRAK und den Entwicklerfirmen vorschwebt: Einzig der Rechtsanwalt kann eine Empfangsbereitschaft für das beA aussprechen.
Hierzu heißt es in der RAVPV-E auf Seite 42:
„Die Bereitschaft zur Entgegennahme von Nachrichten über das besondere elektronische Anwaltspostfach kann der Postfachinhaber bis zum 1. Januar 2018 auf verschiedenen Wegen zum Ausdruck bringen. Dabei kann er seine Bereitschaft in einem einzelnen Verfahren oder allgemein erklären. Für Letzteres kann z. B. ein Hinweis auf die Erreichbarkeit über das besondere elektronische Postfach auf dem Briefkopf oder auf der Internetseite des Postfachinhabers in Betracht kommen. Zudem wird im Versenden rechtsverbindlicher Nachrichten über das besondere elektronische Anwaltspostfach die schlüssige Erklärung zu sehen sein, auf demselben Weg auch erreichbar zu sein.“
Insbesondere der letzte Abschnitt ist dabei von großer Bedeutung:
„Die bloße Durchführung der Erstanmeldung des Postfachinhabers nach § 22 RAVPV-E wird hingegen noch keine Erklärung der Bereitschaft zur Entgegennahme von Nachrichten über das besondere elektronische Anwaltspostfach darstellen.“
RAVPV in Kraft, beA kann starten
Die geänderte RAVPV ist Ende September 2016 in Kraft getreten. Damit sind auch die Argumente vom Tisch, durch die der Start des beA vorübergehend ausgesetzt worden ist.
Die BRAK hat daraufhin umgehend gehandelt und einen Aufhebungsantrag beim AGH Berlin eingereicht. Diesem haben die Richter Ende Oktober 2016 stattgegeben. Damit war der Weg nun frei und das beA ist am 28.11.2016 gestartet.
Auf dieser Webseite können Sie sich in Ihr besonderes elektronisches Anwaltspostfach einwählen. Mit dem Start des beA beginnt auch die einjährige Laufzeit der beA-Karten.
Auch nach dem Start des beA laufen die Bestellerfassungen für die beA-Karten weiter. Auf dieser Seite der BNotK können Sie Ihre beA-Karte bestellen.
RAVPV: Ist Sie verfassungswidrig?
Das besondere elektronische Anwaltspostfach mag nun gestartet sein – vom Tisch ist der Widerstand allerdings noch nicht: Zwar haben die vor dem AGH Berlin jetzt unterlegenen Anwälte eingeräumt, keine weiteren Rechtsmittel einlegen zu wollen und auch nicht in das Hauptsacheverfahren zu gehen.
Jedoch wurden bereits Stimmen in der Anwaltschaft laut, die sich noch nicht geschlagen geben wollen. Ihrer Ansicht nach unternimmt der Gesetzgeber mit der RAVPV einen erheblichen Eingriff in die anwaltliche Berufsfreiheit, indem er sie zur Nutzung des beA verpflichtet. Damit wäre die RAVPV verfassungswidrig. Infolgedessen hätte der AGH Berlin auch die einstweiligen Anordnungen gegen das beA nicht aufheben können.
An dieser Stelle werden wir Sie dazu weiter auf dem Laufenden halten!
Die Artikelserie im Überblick:
Das besondere elektronische Anwaltspostfach, Teil 1: Starttermin, Anmeldung und beA-Karte
(aktuell) Das besondere elektronische Anwaltspostfach, Teil 3: Die Nutzungspflicht
Ihr
Sebastian Hohenbild,
Online-Redaktion, Deubner Verlag