- Ein elektronisches Dokument, das aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, ist nur dann wirksam auf einem sicheren Übermittlungsweg bei Gericht eingereicht, wenn die das Dokument signierende (und damit verantwortende) Person mit dem tatsächlichen Versender übereinstimmt.
- Der Inhaber eines beA darf sein Recht, nicht qualifiziert elektronisch signierte Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden, nicht auf andere Personen (z.B. Angestellte der Kanzlei) übertragen (Anschluss an die Rechtsprechung des BAG, des BGH, des BSG und des BVerwG).
BFH, Beschl. v. 05.11.2024 - XI R 10/22
Kurzfassung
Nach erfolgloser Klage vor dem FG legte die Klägerin gegen das Urteil Revision ein und beantragte gleichzeitig, die Begründungsfrist um einen Monat zu verlängern. Dem Antrag wurde stattgegeben. Die Revisionsbegründung ging - einerseits per Fax, anderseits über das beA - drei Tage zu spät beim BFH ein.
Mit weiterem Schriftsatz beantragte die Klägerin daher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete dies wie folgt:
Ihr Prozessbevollmächtigter habe die Revisionsbegründung am Vormittag des letzten Tages der Frist ausgefertigt und unterschrieben. Anschließend habe er den Schriftsatz seiner Büroangestellten mit der Anweisung übergeben, ihn noch am selben Tag per beA und Telefax an den BFH zu übermitteln.
Die betreffende Angestellte werde in der Kanzlei regelmäßig mit der Behandlung von Fristen - insbesondere dem Führen des Fristenkontrollbuchs sowie der Ausgangskontrolle - und auch mit dem Übermitteln von Schriftsätzen per beA betraut.
Die ihr so übertragenen Aufgaben habe sie stets sorgfältig und zuverlässig erfüllt. Am betreffenden Tag habe die Mitarbeiterin die Kanzleiräume gegen 14:00 Uhr aber unvermittelt verlassen müssen, nachdem sie einen Anruf der Kindertagesstätte wegen Erkrankung ihres seinerzeit einjährigen Sohns erhalten habe.
Die unterlassene Übersendung der Revisionsbegründung sei der Mitarbeiterin erst einige Tage später nach ihrer Rückkehr in das Büro aufgefallen.
Der BFH entsprach dem Antrag nicht. Jedes Verschulden, mithin auch einfache Fahrlässigkeit, schließe Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (vgl. z.B. BFH, Beschl. v. 17.02.2010 - I R 38/09, NV; v. 13.09.2012 - XI R 48/10, NV, Rdnr. 12).
Vorliegend hätte der Prozessbevollmächtige den Schriftsatz selbst über das beA bei Gericht einreichen müssen; eine Übertragung dieser Tätigkeit auf Kanzleiangestellte und andere Mitarbeiter sei nicht zulässig.
Der Senat schließe sich insoweit der Rechtsprechung der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes an (BVerwG, Beschl. v. 12.10.2021 - 8 C 4.21, Rdnr. 5; BSG, Beschl. v. 27.09.2023 - B 2 U 1/23 R, Rdnr. 17; BGH, Beschl. v. 20.06.2023 - 2 StR 39/23). Die entsprechenden Entscheidungen hätten dem Prozessbevollmächtigten bekannt sein müssen.
Daher sei zumindest von einfacher Fahrlässigkeit auszugehen. Warum der Bevollmächtigte nicht selbst zur fristgerechten Übersendung der Revisionsbegründung imstande war, sei nicht (ausreichend) substantiiert vorgetragen worden.
BFH, Beschl. v. 05.11.2024 - XI R 10/22