Die Neuregelung der Kinderkrankentage und des Kinderkrankengeldes – Erweiterung der Ansprüche für 2024 und 2025

Wenn ein Kind am Morgen aufwacht und über Magenschmerzen klagt oder Fieber hat, lässt es sich schlecht in den Kindergarten schicken oder den Tag über allein zu Hause lassen.

Zuweilen melden sich Arbeitnehmer in einem solchen Fall selbst arbeitsunfähig krank, verletzen damit aber ihren Arbeitsvertrag und riskieren eine (außerordentliche) Kündigung. Andere ziehen Erholungsurlaub für die Pflegetage in Erwägung.

Sowohl die eigene Krankschreibung als auch der Erholungsurlaub sind jedoch häufig entbehrlich. Stattdessen bietet es sich an, die Erkrankung des Kindes dem Arbeitgeber und der Krankenkasse zu melden („Kindkrank“) und um Entgeltfortzahlung nachzusuchen oder – sollte der Arbeitgeber hierzu nicht verpflichtet sein – an Stelle des Arbeitsentgelts das Kinderkrankengeld der Krankenversicherung als Lohnersatzleistung in Anspruch zu nehmen.

Das zum 01.01.2024 in Kraft getretene Pflegestudiumstärkungsgesetz hat den Anspruch auf Freistellung von der Arbeit und das Kinderkrankengeld für die Jahre 2024 und 2025 neu geregelt und dabei die Ansprüche noch einmal erweitert.

Das ist Grund genug, sich die Voraussetzungen für dieses Ansprüche und die Zahl der Tage, für die das Kinderkrankengeld gefordert werden kann, sowie die formalen Anforderungen an einen dahin gehenden Antrag näher anzusehen.

1. Freistellung von der Arbeit

Bedürfen Kinder der Betreuung und kann diese nur durch einen berufstätigen Elternteil wahrgenommen werden, erlangt dieser einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit nach § 273 Abs. 3 BGB.

Die Vorschrift verschafft dem Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht im Hinblick auf seine Arbeitsleistung, wenn ihm die Erbringung der Arbeitsleistung aufgrund eines „seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses“ nicht zumutbar ist.

Die Unzumutbarkeit ist im Einzelfall zu entscheiden, sie ist abhängig vor allem vom Alter des Kindes, der Schwere der Erkrankung und davon, ob Betreuungsmöglichkeiten durch andere Bezugspersonen gegeben sind. Der Anspruch wird durch ein Höchstalter des Kindes nicht begrenzt.

§ 45 Abs. 3 SGB V – eine sozialrechtliche Vorschrift mit arbeitsrechtlichem Inhalt – fällt insoweit konkreter aus, setzt aber auch Grenzen im Hinblick auf das Alter des Kindes.

So konkretisiert und erweitert die Vorschrift den Freistellungsanspruch für jeden Elternteil auf im Regelfall 15 Arbeitstage jährlich, macht diesen aber davon abhängig, dass das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Zudem darf keine andere Person im elterlichen Haushalt – etwa der Ehegatte, der Lebenspartner oder die Großeltern – das Kind beaufsichtigen, betreuen oder pflegen können. Des Weiteren muss ein Arzt bescheinigen, dass die Betreuung notwendig ist. Bei mehr als zwei Kindern steigt die Gesamtzahl der jährlichen Anspruchstage pro Elternteil auf 35 Arbeitstage.

Für Alleinstehende erhöht sich unter diesen Voraussetzungen der Freistellungsanspruch bei einem Kind auf 30 Arbeitstage, bei mehreren Kindern sogar auf längstens 70 Arbeitstage (§ 45 Abs. 2 SGB V).

Als alleinstehend ist grundsätzlich ein Elternteil anzusehen, der das alleinige Personensorgerecht für das mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebende Kind hat. Als alleinerziehend gilt aber auch, wer als erziehender Elternteil faktisch alleinstehend ist.

Die Kinderkrankentage müssen nicht am Stück genommen, sondern können auch für einzelne Tage, etwa an zwei Tagen einer Fünftagewoche geltend gemacht werden.

Dies erlaubt es Eltern, die an einigen Tagen der Woche Kinderbetreuung in Anspruch nehmen können, die Kinderkrankentage flexibel einzusetzen. Zudem lassen sich die Kinderkrankentage auf diese Weise für Elternteile einsetzen, die sich tageweise mit dem anderen Elternteil bei der Kinderbetreuung zu Hause abwechseln.

Eingeschränkt wird der Freistellungsanspruch, wenn er geltend gemacht wurde, bevor die Krankenkasse ihre Verpflichtung zur Zahlung des Kinderkrankengeldes anerkannt hat und sich dann herausstellt, dass die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt sind.

In diesem Fall ist der Arbeitgeber berechtigt, die gewährte Freistellung von der Arbeitsleistung auf einen späteren Freistellungsanspruch zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege eines erkrankten Kindes anzurechnen (§ 45 Abs. 3 Satz 2 SGB V).

Der Freistellungsanspruch besteht in jedem Arbeitsverhältnis unabhängig von der Betriebsgröße des Arbeitgebers. Auch der Umfang der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ist irrelevant.

Eltern mit einer geringfügigen Beschäftigung (sog. Minijob) haben deshalb ebenfalls einen Anspruch auf Freistellung. Selbst eine Tätigkeit im Homeoffice steht dem Anspruch nicht entgegen, wenn ein entsprechender Kinderbetreuungsbedarf besteht.

Schließlich darf der Anspruch aus § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB V – für gesetzlich wie privat versicherte Arbeitnehmer – durch Vertrag nicht ausgeschlossen oder verkürzt werden, ist also zwingendes Recht (§ 45 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 5 SGB V).

Vereinbarungen im Arbeitsvertrag oder in einem Tarifvertrag, die den Anspruch ausschließen oder wonach vor einer Freistellung zunächst Überstunden oder ein Zeitguthaben aufzubrauchen sind, sind deshalb nicht zulässig.

2. Erweiterte Freistellung bei stationärer Mitaufnahme

Seit dem 01.01.2024 besteht darüber hinaus für einen Elternteil ein Freistellungsanspruch bei einer stationären Behandlung des Kindes, wenn dieser aus medizinischen Gründen als Begleitperson mitaufgenommen wird, sofern das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist.

Ein zeitliche Begrenzung des Anspruchs ist nicht vorgesehen. Er besteht so lange, wie die Mitaufnahme dauert. Im Übrigen werden diese Krankentage auch nicht auf die Krankentage angerechnet, die zur Betreuung kranker Kinder genommen werden können.

3. Informations- und Nachweispflichten des Arbeitnehmers

Ist die Betreuung erforderlich, hat der Arbeitnehmer – parallel zur Rechtslage bei der eigenen Erkrankung – dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen, dass und wie lange er voraussichtlich mit der Arbeit ausfällt (siehe § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG).

Der Arbeitgeber hat Anspruch darauf, frühzeitig zu erfahren, dass der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit erscheint, damit er die notwendigen organisatorischen Maßnahmen im Hinblick auf den Arbeitsausfall des Mitarbeiters ergreifen kann.

Auf Verlangen muss dem Arbeitgeber auch eine ärztliche Bescheinigung über die Notwendigkeit der Betreuung durch den betreuenden Arbeitnehmer vorgelegt werden.

Verstöße gegen diese Anzeige- und Nachweispflicht berechtigten den Arbeitgeber – ebenso wie im Fall der eigenen Erkrankung des Arbeitnehmers – zur Abmahnung. Bei wiederholt erfolgloser Abmahnung kann auch eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht kommen.

4. Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers während Freistellungsphase

Einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer der Kurzzeitpflege gegenüber dem Arbeitgeber sieht § 45 SGB V nicht vor; die Vorschrift beschränkt sich auf den Freistellungsanspruch.

Ist eine Entgeltfortzahlung für eine Kurzzeitpflege nicht tarifvertraglich oder arbeitsvertraglich vorgesehen, kommt gegenüber dem Arbeitgeber ein Fortzahlungsanspruch nur auf der Grundlage von § 616 Abs. 1 Satz 1 BGB in Betracht, der eine entsprechende Leistung vorsieht, wenn der Beschäftigte aus persönlichen Gründen, die nicht selbst verschuldet sind, für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit an der Arbeitsleistung gehindert ist. Die Betreuung eines pflegebedürftigen Kindes wird gemeinhin als ein derartiger Hinderungsgrund angesehen.

Die Regelung bietet dennoch keine allzu sichere Grundlage für einen Zahlungsanspruch: Zunächst wird der Zeitraum, der als verhältnismäßig nicht erheblich anzusehen ist, auf eine Größenordnung von ca. fünf Arbeitstagen beschränkt.

An diesem vor annähernd 50 Jahren festgelegten Zeitraum hält die arbeitsgerichtliche Praxis bis heute fest. Zudem droht, wenn dieser Zeitraum überschritten wird, ein rückwirkender Wegfall des Zahlungsanspruchs auch für die ersten fünf Arbeitstage und und damit ein Verlust des gesamten Entgeltfortzahlungsanspruchs.

Vor allem aber handelt es sich bei dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB um eine abdingbare Regelung, die in aller Regel in den Arbeitsverträgen oder Tarifverträgen ausgeschlossen, zumindest aber eingeschränkt wird.

Enthält der für das Arbeitsverhältnis vereinbarte Arbeitsvertrag bzw. der anzuwendende Tarifvertrag eine solche Klausel, hat der Arbeitnehmer zwar einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht auf der Grundlage von § 45 Abs. 1 SGB V, nicht jedoch auf Entgeltfortzahlung während der Pflegezeit.

5. Anspruch auf Kinderkrankengeld

Anstelle des Entgeltfortzahlungsanspruchs gegen den Arbeitgeber lässt sich für gesetzlich versicherte Arbeitnehmer auf den Anspruch auf das Kinderkrankengeld gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung zurückgreifen.

Dieser Anspruch korrespondiert in seinen Voraussetzungen und seiner Dauer mit dem jeweiligen Freistellungsanspruch. Er setzt also ein erkranktes und pflegebedürftiges Kind voraus, das im Haushalt des Arbeitnehmers lebt und das nicht älter als zwölf Jahre ist.

Zudem muss ein Arzt die Notwendigkeit einer Betreuung durch den Arbeitnehmer – mangels einer anderweitigen Pflegeperson – attestieren. Des Weiteren muss auch das zu pflegende Kind – im Regelfall über die Familienversicherung – gesetzlich krankenversichert sein.

6. Kein Kinderkrankengeld bei einer geringfügigen Beschäftigung

Im Falle einer geringfügigen Beschäftigung des Arbeitnehmers besteht ein Anspruch auf Freistellung gegenüber dem Arbeitgeber (siehe oben 2/2.1). Hinsichtlich des sozialversicherungsrechtlichen Anspruchs auf Kinderkrankengeld ist zu berücksichtigen, dass geringfügige Beschäftigungen nicht sozialversicherungspflichtig sind, es fallen also keine Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung an.

Es besteht in diesem Fall daher auch kein Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung, so dass auch kein Kinderkrankengeld seitens der gesetzlichen Krankenkasse gezahlt wird.

7. Höhe des Kinderkrankengeldes

Die Höhe des Kinderkrankengeldes ist in § 45 Abs. 2 SGB V geregelt. Danach beläuft sich die Krankengeldleistung grundsätzlich auf 90 % des Nettoentgelts, auf das der Beschäftigte in den Tagen der Kindesbetreuung Anspruch hätte.

Darüber hinaus werden Einmalzahlungen des Arbeitgebers (Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Jahresboni etc.) berücksichtigt, wenn sie in den letzten zwölf Kalendermonaten vor der Freistellung gezahlt und davon Beiträge zur Krankenversicherung entrichtet wurden.

Das Bruttokrankengeld steigt dann, und zwar unabhängig von der Höhe der Einmalzahlung auf 100 % des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts.

Der Anspruch besteht für die Zahl der Tage, für die der Beschäftigte wegen der Betreuung Freistellung in Anspruch nimmt. Daher ist sowohl bei einem Vollzeit- als auch Teilzeitbeschäftigten das monatliche Arbeitsentgelt durch die Zahl der monatlichen Arbeitstage zu teilen und das Tagesentgelt des Freistellungszeitraums zu ermitteln.

Zugleich ist eine Kappung des Anspruchs auf höchstens 70 % der Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung vorgesehen. Im Jahr 2024 liegt diese Grenze bei 62.100 € im Jahr und 172,50 € am Tag. Der Tageshöchstsatz für das Pflegeunterstützungsgeld – maximal 70 % der Tagesbemessungsgrenze – beträgt damit 120,75 €.

8. Sozialversicherungsrechtlicher Schutz

Während der Freistellungsphase bleibt der Arbeitnehmer kranken-, pflege-, renten- und arbeits-losenversichert, auch wenn das Arbeitsentgelt nicht weitergezahlt wird. Mit dem Wegfall des Arbeitsentgelts entfallen aber für den Freistellungszeitraum die Sozialversicherungsbeiträge, die der Arbeitgeber i.d.R. abzuführen hat.

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