Der BGH hat entschieden, dass Motorhersteller, die nicht zugleich Fahrzeughersteller sind, Kfz-Käufern im sog. Abgasskandal nur dann haften, wenn sie selbst nach den §§ 826, 31 BGB sittenwidrig vorsätzlich gehandelt oder dem Fahrzeughersteller nach § 823 Abs. 2, § 830 Abs. 2 BGB in Verbindung mit der Fahrzeuggenehmigungsverordnung EG-FGV vorsätzlich Beihilfe geleistet haben.
Darum geht es
Der Kläger nimmt die beklagte Motorherstellerin, die nicht zugleich Fahrzeugherstellerin ist, wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Kläger kaufte am 09.04.2019 von einem Händler ein gebrauchtes Kraftfahrzeug eines anderen Fahrzeugherstellers, das mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten Motor der Baureihe EA 897 (Euro 6) ausgerüstet ist.
Das Fahrzeug war bereits zuvor von einem vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) angeordneten Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung betroffen. Ein von der Beklagten zur Beseitigung der vom KBA beanstandeten Abschalteinrichtung erstelltes Software-Update hatte das KBA am 01.08.2018 freigegeben.
Die im Wesentlichen auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich des Wertes gezogener Nutzungen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs gerichtete Klage hatte vor dem Landgericht weitgehend Erfolg (Landgericht Osnabrück, Urt. v. 19.11.2021 - 5 O 764/21).
Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage insgesamt abgewiesen, weil der Kläger weder nach §§ 826, 31 BGB noch nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schadensersatz von der Beklagten verlangen könne (OLG Oldenburg, Urt. v. 07.07.2022 - 8 U 250/21).
Das gelte auch, soweit der Kläger sein Begehren auf das Vorhandensein eines Thermofensters stütze. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Der BGH hat die Revision des Klägers zurückgewiesen.
Aufgrund der bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts war davon auszugehen, dass der Beklagten selbst keine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung des Klägers zur Last falle.
Die Beklagte habe auch keine vorsätzlich Beihilfe dazu geleistet, dass der Fahrzeughersteller das Fahrzeug vorsätzlich mit einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung - bezogen auf ein in das Fahrzeug verbautes Thermofenster - in den Verkehr gebracht habe.
Zwar steht, wie der BGH nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteilen von 26.06.2023 entschieden hat, dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 versehenen Kraftfahrzeugs unter den Voraussetzungen des § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch gegen den Fahrzeughersteller auf Ersatz des Differenzschadens zu.
Die Sonderpflicht, eine mit den (unions-)gesetzlichen Vorgaben konvergierende Übereinstimmungsbescheinigung auszugeben, trifft indessen nur den Fahrzeughersteller, nicht den Motorhersteller.
Der BGH hat die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH in dessen Urteil vom 21.03.2023 (Az. C-100/21) in seinen Urteilen vom 26.06.2023 auf die Erteilung einer unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung gestützt.
Diese Bescheinigung legt der Fahrzeughersteller in seiner Eigenschaft als Inhaber einer EG-Typgenehmigung gemäß Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG jedem Fahrzeug bei. Hiermit wird nicht nur die Übereinstimmung des erworbenen Fahrzeugs mit dem genehmigten Typ, sondern auch die Einhaltung aller Rechtsakte bescheinigt.
Die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV knüpft an die Erteilung einer unzutreffenden Übereinstimmungsbescheinigung durch den Fahrzeughersteller an.
Der Motorhersteller kann deshalb, weil er die Übereinstimmungsbescheinigung nicht ausgibt, nach den allgemeinen und durch das Unionsrecht unangetasteten Grundsätzen des deutschen Deliktsrechts weder Mittäter einer Vorsatztat des Fahrzeugherstellers noch mittelbarer (Vorsatz-)Täter hinter dem (ggf. fahrlässig handelnden) Fahrzeughersteller sein, weil ihn nicht die hierzu erforderliche Sonderpflicht trifft.
Eine bei Sonderdelikten mögliche Beteiligung der Beklagten als Motorherstellerin im Sinne des § 830 Abs. 2 BGB an einer deliktischen Schädigung des Fahrzeugherstellers, die ebenfalls geeignet gewesen wäre, ihre deliktische Haftung zu begründen, kam nach den nicht beachtlich angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in Betracht.
Zwar kann Beihilfe auch zu Sonderdelikten geleistet werden, bei denen der Gehilfe nicht Täter sein kann. Voraussetzung ist allerdings nicht nur, dass der Gehilfe mit doppeltem Vorsatz hinsichtlich der fremden rechtswidrigen Tat und der eigenen Unterstützungsleistung gehandelt hat.
Bedingung einer Beteiligung ist vielmehr weiter eine Vorsatztat des Fahrzeugherstellers. Die vorsätzliche Förderung einer fahrlässigen Tat erfüllt die Voraussetzungen des § 830 Abs. 2 BGB nicht.
Eine Vorsatztat des Fahrzeugherstellers hat das Berufungsgericht, ohne dass die Revision dem beachtlich entgegengetreten wäre, nicht festgestellt.
BGH, Urt. v. 10.07.2023 - VIa ZR 1119/22