Voraussetzungen der Erforderlichkeit der Bundesgesetzgebung im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG hinsichtlich eines Instruments der öffentlichen Fürsorge am Beispiel des Betreuungsgeldes; Nichterforderlichkeit des Betreuungsgeldgesetzes für Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet
BVerfG, Urteil vom 21.07.2015 - Aktenzeichen 1 BvF 2/13
DRsp Nr. 2015/13305
Voraussetzungen der Erforderlichkeit der Bundesgesetzgebung im Sinne des Art. 72 Abs. 2GG hinsichtlich eines Instruments der öffentlichen Fürsorge am Beispiel des Betreuungsgeldes; Nichterforderlichkeit des Betreuungsgeldgesetzes für Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet
1. Der Begriff der öffentlichen Fürsorge in Art. 74 Abs. 1 Nr. 7GG setzt voraus, dass eine besondere Situation zumindest potenzieller Bedürftigkeit besteht, auf die der Gesetzgeber reagiert. Dabei genügt es, wenn eine - sei es auch nur typisierend bezeichnete und nicht notwendig akute - Bedarfslage im Sinne einer mit besonderen Belastungen einhergehenden Lebenssituation besteht, auf deren Beseitigung oder Minderung das Gesetz zielt.2. Will der Bundesgesetzgeber verschiedene Arten von Leistungen der öffentlichen Fürsorge begründen, muss grundsätzlich jede Fürsorgeleistung für sich genommen den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2GG genügen. Das Betreuungsgeldgesetz genügt dem nicht. Insbesondere ist es nicht zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse erforderlich. Dies wäre nur der Fall, wenn sich die Lebensverhältnisse in den Ländern in erheblicher, das bundesstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigender Weise auseinanderentwickelt hätten oder sich eine derartige Entwicklung konkret abzeichnete (wie BVerfGE 106, 62 <144>; 111, 226 <253>; 112, 226 <244>).
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