LAG Niedersachsen - Urteil vom 16.03.2022
8 Sa 809/20
Normen:
EMRK Art. 10; BetrVG § 23; BetrVG § 102 Abs. 1; BetrVG § 102 Abs. 5; BetrVG § 103; BetrVG § 119; BPersVG § 79 Abs. 2; BGB § 626 Abs. 1; KSchG § 15;
Vorinstanzen:
ArbG Hannover, vom 18.06.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 2 Ca 486/18

Besonderer Kündigungsschutz von BetriebsratsmitgliedernUnwirksame Beschlussfassung des Betriebsrats bei Fehlen eines ErsatzmitgliedsWichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGBUmfassende Interessenabwägung vor einer fristlosen KündigungInteressenabwägung bei der Ausübung des WhistleblowingsWeiterbeschäftigungsanspruch während des Kündigungsschutzprozesses

LAG Niedersachsen, Urteil vom 16.03.2022 - Aktenzeichen 8 Sa 809/20

DRsp Nr. 2023/3413

Besonderer Kündigungsschutz von Betriebsratsmitgliedern Unwirksame Beschlussfassung des Betriebsrats bei Fehlen eines Ersatzmitglieds "Wichtiger Grund" i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB Umfassende Interessenabwägung vor einer fristlosen Kündigung Interessenabwägung bei der Ausübung des "Whistleblowings" Weiterbeschäftigungsanspruch während des Kündigungsschutzprozesses

1. Sinn und Zweck des § 103 BetrVG ist es, Arbeitnehmern, die ein betriebsverfassungsrechtliches Amt ausüben, im Interesse einer unbefangenen Amtsausübung und der Funktionsfähigkeit des jeweiligen Betriebsverfassungsorgans vor unbegründeten außerordentlichen Kündigungen des Arbeitgebers zu schützen. 2. Kommt ein Betriebsratsbeschluss ohne die erforderliche Hinzuziehung eines Ersatzmitglieds zustande, ist der Beschluss unwirksam. 3. Bei einer fristlosen Kündigung ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", d. h. typischerweise, als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der Umstände des Falls jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht. Eine widerrechtliche Bedrohung des Arbeitgebers kann einen wichtigen Grund darstellen.