LAG Thüringen - Urteil vom 09.07.2009
5 Sa 213/09
Normen:
BGB § 626 Abs. 1; SGB IX § 136;
Vorinstanzen:
ArbG Erfurt, vom 15.02.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 8 Ca 1404/07

Außerordentliche Kündigung einer Gruppenleiterin in Behindertenwerkstatt bei Zukleben des Mundes mit Heftpflaster

LAG Thüringen, Urteil vom 09.07.2009 - Aktenzeichen 5 Sa 213/09

DRsp Nr. 2009/27343

Außerordentliche Kündigung einer Gruppenleiterin in Behindertenwerkstatt bei Zukleben des Mundes mit Heftpflaster

1. Klebt die Gruppenleiterin einer Behindertenwerkstatt einem behinderten Werkstattmitarbeiter ein Heftpflaster über den Mund, weil er "sehr laut und frech gewesen ist", rechtfertigt dies im Einzelfall die außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung. 2. Einem anderen Menschen den Mund zuzukleben, ist ein in nahezu jeder denkbaren Situation vollkommen unangemessenes Verhalten, da der so Behandelte zum Objekt degradiert und herabgewürdigt wird. 3. Für die Prognoseentscheidung, ob zukünftig mit vertragstreuem Verhalten gerechnet werden kann, kommt es auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung an; hat die Gruppenleiterin bis zu diesem Zeitpunkt nicht erkennen lassen, dass sie die Dimension ihres Fehlverhaltens erfasst hat oder ihr Verhalten bedauert, ist auch für die Zukunft zu befürchten, dass die Arbeitnehmerin in ähnlicher Weise gegen ihre Vertragspflichten verstoßen wird.

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 15.02.2008 - 8 Ca 1404/07 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Normenkette:

BGB § 626 Abs. 1; SGB IX § 136;

Tatbestand: