LAG Schleswig-Holstein - Urteil vom 18.01.2022
1 Sa 159/21
Normen:
ZPO § 256 Abs. 1; ZPO § 286; BGB § 130 Abs. 1; KSchG § 4 S. 1; KSchG § 7;
Fundstellen:
ArbRB 2022, 106
NZA-RR 2022, 165
Vorinstanzen:
ArbG Elmshorn, vom 22.06.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 4 Ca 86 e/21

Anscheinsbeweis im ZivilprozessAnscheinsbeweis für den Zugang eines Kündigungsschreibens

LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.01.2022 - Aktenzeichen 1 Sa 159/21

DRsp Nr. 2022/4464

Anscheinsbeweis im Zivilprozess Anscheinsbeweis für den Zugang eines Kündigungsschreibens

1. Beim Anscheinsbeweis geht es um die Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung durch den Richter im Rahmen der freien Beweiswürdigung. Voraussetzung für die Anwendung des Anscheinsbeweises ist ein sog. typischer Geschehensablauf, also ein sich aus der Lebenserfahrung bestätigender gleichförmiger Vorgang, durch dessen Typizität es sich erübrigt, die tatsächlichen Einzelumstände eines bestimmten historischen Geschehens nachzuweisen. 2. Bei Übersendung eines Kündigungsschreibens per Einwurf-Einschreiben und gleichzeitiger Vorlage des Einlieferungsbelegs spricht der Beweis des ersten Anscheins für den Zugang dieses Schriftstücks beim Empfänger. Denn der feststehende tatsächliche Geschehensablauf führt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem Einwurf der Sendung in den richtigen Briefkasten. Dafür bieten auch die organisatorischen Anweisungen, die die Deutsche Post AG für die Zustellung eines Einwurf-Einschreibens getroffen hat, eine hinreichend sichere Grundlage.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 22.06.2021 - 4 Ca 86 e/21 -teilweise geändert: Der Klageantrag zu 3) (Feststellungsantrag) wird abgewiesen.