BGH - Urteil vom 14.06.2022
VI ZR 172/20
Normen:
BGB § 823; BGB § 1004 Abs. 1 S. 1; GG Art. 1 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 1;
Fundstellen:
GRUR 2022, 1170
JZ 2023, 311
JZ 2023, 411
MDR 2022, 1216
NJW 2022, 2406
VersR 2022, 1116
Vorinstanzen:
LG Dessau-Roßlau, vom 24.05.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 2 O 230/18
OLG Naumburg, vom 04.02.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 9 U 54/19

Angriff des Geltungs- und Achtungsanspruchs eines jeden in Deutschland lebenden Juden durch eine das Judentum als Ganzes verhöhnende und verunglimpfende Darstellung; Entfernung eines Sandsteinreliefs von einer Kirchenfassade; Beseitigung des andauernden rechtswidrigen Störungszustands

BGH, Urteil vom 14.06.2022 - Aktenzeichen VI ZR 172/20

DRsp Nr. 2022/10238

Angriff des Geltungs- und Achtungsanspruchs eines jeden in Deutschland lebenden Juden durch eine das Judentum als Ganzes verhöhnende und verunglimpfende Darstellung; Entfernung eines Sandsteinreliefs von einer Kirchenfassade; Beseitigung des andauernden rechtswidrigen Störungszustands

a) Durch eine Darstellung, die das jüdische Volk und seine Religion, mithin das Judentum als Ganzes verhöhnt und verunglimpft, wird der Geltungs- und Achtungsanspruch eines jeden in Deutschland lebenden Juden angegriffen.b) Der rechtsverletzende Zustand, der von einem der Diffamierung und Verunglimpfung von Juden dienenden Sandsteinrelief ausgeht, kann nicht allein durch Entfernung des Reliefs, sondern auch dadurch beseitigt werden, dass sich der Störer von dem im Relief verkörperten Aussagegehalt distanziert, dieses kontextualisiert und in eine Stätte der Mahnung zum Zwecke des Gedenkens und der Erinnerung an die jahrhundertelange Diskriminierung und Verfolgung von Juden bis hin zum Holocaust umwandelt.c) Der Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB ist auf die Beseitigung des andauernden rechtswidrigen Störungszustands, nicht hingegen auf eine bestimmte Handlung gerichtet. Es muss daher grundsätzlich dem Schuldner überlassen bleiben, wie er den Störungszustand beseitigt.

Tenor