LAG Hamm - Urteil vom 30.06.2011
8 Sa 285/11
Normen:
BGB § 626 Abs. 1;
Vorinstanzen:
ArbG Bochum, vom 12.01.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 5 Ca 2580/10

Unwirksame außerordentliche Kündigung eines psychisch kranken Arbeitnehmers bei Sachzerstörung im Zuge eines akuten Krankheitsschubes nach eigenmächtigem Absetzen verordneter Medikamente

LAG Hamm, Urteil vom 30.06.2011 - Aktenzeichen 8 Sa 285/11

DRsp Nr. 2011/16873

Unwirksame außerordentliche Kündigung eines psychisch kranken Arbeitnehmers bei Sachzerstörung im Zuge eines akuten Krankheitsschubes nach eigenmächtigem Absetzen verordneter Medikamente

1. Anders als beim Rückfall eines Alkoholikers nach einer Therapiemaßnahme, in deren Verlauf der Suchtkranke über die Notwendigkeit vollständiger Abstinenz und der Rückfallgefahren belehrt wird, müssen dem an einem psychischen Anfallsleiden erkrankte Arbeitnehmer die weitreichenden Folgen, die sich aus dem (eigenmächtigen) Absetzen der verordneten Medikamente ergaben, nicht ohne Weiteres bewusst sein; insofern scheidet eine Bewertung der im Rahmen eines akuten Krankheitsschubes erfolgten Sachbeschädigungen unter dem Gesichtspunkt einer schuldhaften Pflichtverletzung und damit ein verhaltensbezogener Kündigungsgrund aus. 2. Ein belastbarer Erfahrungssatz, nach dem es mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bei psychischen Anfallsleiden zu Rückfällen trotz Einnahme der verordneten Medikamente kommt, besteht nicht;