LSG Hessen - Urteil vom 28.09.2011
L 8 P 38/10
Normen:
SGB XI § 14 Abs. 4 Nr. 3; SGB XI § 15 Abs. 3;
Vorinstanzen:
SG Gießen, vom 19.05.2010 - Vorinstanzaktenzeichen S 9 P 10/09

Ermittlung der Pflegestufe in der sozialen Pflegeversicherung; Berücksichtigung von Wartezeiten der Pflegeperson während physiotherapeutischer Anwendungen

LSG Hessen, Urteil vom 28.09.2011 - Aktenzeichen L 8 P 38/10

DRsp Nr. 2012/2034

Ermittlung der Pflegestufe in der sozialen Pflegeversicherung; Berücksichtigung von Wartezeiten der Pflegeperson während physiotherapeutischer Anwendungen

1. In der Regel kann nach allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass eine Pflegeperson das Zeitfenster der Wartezeit während einer physiotherapeutischen Behandlung sinnvoll für sich nutzen kann. Dementsprechend kann ein Vortrag der Art, die Pflegeperson lese nicht und gehe auch nicht gerne in der Umgebung der Physiotherapiepraxis spazieren, keine Berücksichtigung finden. 2. Der für die Zuordnung zu einer Pflegestufe maßgebende Pflegebedarf kann nur nach seinem objektiven Ausmaß und damit unabhängig von den Lebensumständen der konkreten Pflegeperson beurteilt werden. Die Gesetzesformulierung in § 15 Abs. 3 SGB XI spricht gegen eine so stark individualisierende Betrachtungsweise. Diese Norm stellt auf den Zeitaufwand ab, den "ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson" für die erforderlichen Pflegeleistungen benötigt, nicht hingegen auf die Zeit, welche die für den Versicherten tätige konkrete Person für die Pflegeverrichtungen braucht. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 19. Mai 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.