LSG Sachsen-Anhalt - Urteil vom 26.04.2016
L 10 SF 5/15 EK
Normen:
GG Art. 19 Abs. 4; GVG § 198 Abs. 1 S. 2; EMRK Art. 6;

Entschädigung für eine überlange VerfahrensdauerAngemessenheit der VerfahrensdauerSchwierigkeit des FallesStrukturelle Überlastung der Justiz des Landes Sachsen-AnhaltBesonders schwerer Grundrechtsverstoß

LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26.04.2016 - Aktenzeichen L 10 SF 5/15 EK

DRsp Nr. 2016/12177

Entschädigung für eine überlange Verfahrensdauer Angemessenheit der Verfahrensdauer Schwierigkeit des Falles Strukturelle Überlastung der Justiz des Landes Sachsen-Anhalt Besonders schwerer Grundrechtsverstoß

1. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. 2. Im Rahmen der Prüfung der Schwierigkeit des Falles (vom EGMR als "complexity of the case" bezeichnet) sind sowohl rechtliche als auch tatsächliche Erschwernisse zu berücksichtigen, mithin etwa die Wichtigkeit und Sensibilität der zu beantwortenden rechtlichen Fragen und die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Sorgfalt der gerichtlichen Prüfung und Untersuchung. 3. Von Bedeutung sind der Umfang der gebotenen Anhörungen, das Ausmaß an erforderlicher Tatsachenaufklärung sowie das Erfordernis der Einholung von Sachverständigengutachten. 4. Die Verletzung des Anspruchs auf Rechtsschutz in angemessener Zeit beruht vorliegend auf einer strukturellen Überlastung der Justiz des beklagten Landes Sachsen-Anhalt in der Sozialgerichtsbarkeit und zeigt eine generelle Vernachlässigung des Anspruchs aus Art. 6 EMRK, Art. 19 Abs. 4 GG; der daraus resultierende Grundrechtsverstoß ist damit besonders schwer.