Einem Berufskraftfahrer darf fristlos gekündigt werden, wenn er in der Freizeit Drogen konsumiert. Das hat das BAG entschieden. Allerdings ist ansonsten in Fällen von Drogenkonsum aus Arbeitgebersicht bei Kündigungen Vorsicht geboten. Letztlich entscheiden die Auswirkungen im Einzelfall und die Möglichkeiten von Alternativmaßnahmen über die Wirksamkeit von Kündigungen.
Sachverhalt
Ein LKW-Fahrer nahm an einem arbeitsfreien Samstag Amphetamin und Methamphetamin zu sich. Amphetamin („Kokain“, „Speed“, „Pep“) wird in Deutschland vielfach in der Techno-Szene konsumiert, wirkt euphorisierend, hält wach und ermöglicht eine um mehrere Stunden verlängerte Aktivität. Bei nachlassender Wirkung kommt es zu Nervosität sowie Abgespanntheit und der Körper fordert die dringend benötigte Ruhe ein, aber das noch nicht abgebaute Amphetamin verhindert dies. Deshalb ist es verbreitet, sich dann durch den Konsum von Cannabis zu beruhigen („herunterrauchen“). Teilweise werden auch starke Beruhigungsmittel wie Valium eingenommen. Methamphetamin („Crystal Meth“) ist ein vollsynthetisches Stimulantium, das chemisch eng verwandt ist mit dem Amphetamin. Der stimulierende Effekt und das Missbrauchspotenzial von Methamphetamin werden jedoch als höher eingestuft.
Am folgenden Montag lenkte der Lkw-Fahrer sein Fahrzeug wieder im Straßenverkehr. Schon am nächsten Tag geriet er in eine Polizeikontrolle und der Drogenkonsum wurde festgestellt. Der Arbeitgeber reagierte mit einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Für ihn war eine weitere Beschäftigung unverantwortlich. Wäre es zu einem Unfall gekommen, hätten das schwerwiegende Folgen auch für Dritte habe können. Außerdem kann die Unzuverlässigkeit eines Fahrers nicht nur zu einer Vertragsstrafe, sondern auch zum Verlust eines Speditionsauftrags führen.
Der Berufskraftfahrer klagte gegen die Kündigung. Er trug als Hauptargument vor, dass bei ihm keine Anhaltspunkte für eine tatsächliche Fahruntüchtigkeit bestanden hätten.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Die Vorinstanzen hielten die fristlose außerordentliche Kündigung für unwirksam. Als der Arbeitgeber dagegen in Revision ging, musste der Arbeitnehmer vor dem BAG sein blaues Wunder erleben. Die Richter des BAG urteilten, dass die Kündigung wirksam war. Sie wiesen die Kündigungsschutzklage ab. Das vorinstanzliche LAG hatte nach Auffassung der Erfurter Richter bei der Interessenabwägung die sich aus der Einnahme von Amphetamin und Methamphetamin für die Tätigkeit eines Berufskraftfahrers typischerweise ergebenden Gefahren nicht hinreichend gewürdigt. Keine Rolle spielte für die Richter, ob die Fahrtüchtigkeit des Lkw-Fahrers bei den Fahrten konkret beeinträchtigt war oder nicht. Auch die Frage, ob deshalb eine erhöhte Gefahr im Straßenverkehr bestanden hatte, war für das BAG unerheblich.
Folgerungen aus der Entscheidung
Ein Berufskraftfahrer darf also seine Fahrtüchtigkeit nicht durch die Einnahme von Substanzen wie Amphetamin oder Methamphetamin gefährden. Das dürfte dann entsprechend auf für andere Drogen gelten. Nimmt er dennoch solche Substanzen ein, kann dies eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Droge vor oder während der Arbeitszeit konsumiert wurde. Für Alkohol wird dieses Urteil allerdings nicht gelten, da es sich bei Alkohol um eine grundsätzlich erlaubte Substanz handelt.
Praxishinweis
In vergleichbaren Fällen sollten Rechtsberater vorsichtig sein und nicht gleich zum schärfsten Schwert der fristlosen Kündigung greifen, wenn der Drogenkonsum keine unmittelbaren Gefahren – wie bei einem LKW- oder Taxifahrer – für Kunden, Kollegen, die Mitarbeiter selbst oder die Allgemeinheit birgt. In solchen Fällen kann eine fristlose Kündigung sozial ungerechtfertigt sein, weil sich das Problem z. B. auch durch eine Versetzung des Mitarbeiters und die Durchführung einer Entziehungskur lösen lassen könnte.
Stets stellt sich zudem in diesen Fällen die zentrale Frage, ob eine personenbedingte oder eine verhaltensbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber auszusprechen ist. Auf Seiten des Arbeitnehmers könnte diesem der Vortrag, einer Drogenabhängigkeit entscheidend weiterhelfen. Denn liegt eine unverschuldete Schlecht- oder Minderleistung vor, existiert also gerade kein verschuldetes Fehlverhalten des Arbeitnehmers, kann der Arbeitgeber allenfalls zu einer personenbedingte Kündigung nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG greifen. Auch hier gilt wieder: Eine Kündigung darf nur das letzte Mittel sein.
Liegt hingegen eine verschuldete Schlecht- oder Minderleistung vor, ist die Kündigung nach den Voraussetzungen zu prüfen, die für eine verhaltensbedingte Kündigung im Arbeitsrecht gelten. In der Regel ist jedoch zunächst eine Abmahnung erforderlich – es sei denn, es handelt sich um einen Berufskraftfahrer, wie das BAG entschieden hat.
Der Rechtsberater sollte auch die Alternativen zur Kündigung im Blick behalten.
Ist eine Schlecht- oder Minderleistung im Verhalten eines Arbeitnehmers begründet, sollte vor einer Kündigung unbedingt das Fehlverhalten durch den Arbeitgeber abgemahnt werden – und zwar mehrmals. Stets sollte geprüft werden, ob die Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz möglich sein könnte. Insoweit kann der Schaden in vielen Fällen durch eine Umsetzung oder Versetzung begrenzt werden.
Liegt die Schlecht- oder Minderleistung nicht im Verhalten des Arbeitnehmers begründet, sondern eine gesundheitliche Störung vor, könnte auch die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements helfen. Dadurch soll gerade der Verlust des Arbeitsplatzes vermeiden werden. Kommt der Rechtsberater tatsächlich zu der Ansicht, dass eine krankheitsbedingte – also eine personenbedingte – Kündigung auszusprechen ist, muss auch hier unter Berücksichtigung der bekannten Kriterien diese Drei-Stufen-Prüfung erfolgen.
BAG, Urt. v. 20.10.2016 - 6 AZR 471/15
Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Arno Schrader