Bei einer Aussetzung der Rentenkürzung nach § 33 VersAusglG muss das Gericht immer prüfen, ob eine bestehende Unterhaltsregelung den gesetzlichen Vorschriften über den nachehelichen Unterhalt widerspricht. Dies ist der Fall, wenn nur eine ältere Unterhaltsregelung besteht, die im Ruhestand die aktuelle Unterhaltsverpflichtung nicht mehr abbildet. Das hat der BGH entschieden.
Sachverhalt
Während der gesetzlichen Ehezeit (01.07.1979-30.04.2005) hatten beide Ehegatten, die bereits vor Jahren voreinander geschieden wurden, Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Antragsgegnerin (Deutsche Rentenversicherung Bund; im Folgenden: DRV Bund) erworben. Der Ehezeitanteil der Anrechte des Antragstellers belief sich auf 1.190,31 €, derjenige der Ehefrau auf 168,86 €.
Außerdem hatte der Antragsteller Anrechte bei der Zusatzversorgungskasse der Gemeinden und Gemeindeverbände des Regierungsbezirks Kassel (im Folgenden: ZVK) mit einem Ehezeitanteil einer dynamischen Rentenanwartschaft von 272,61 € erworben, zudem weitere Anrechte bei der P. AG mit einer dynamischen Rentenanwartschaft i.H.v. 39,56 €.
Das AG hat auf Grundlage des vor dem 01.09.2009 geltenden Rechts den Versorgungsausgleich durchgeführt und zu Lasten der gesetzlichen Rentenversicherung des Antragstellers zugunsten der gesetzlichen Rentenversicherung der Ehefrau 510,73 € im Wege des Splittings nach § 1587b Abs. 1 BGB sowie 19,78 € im Wege des erweiterten Splittings nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG übertragen.
Zudem waren zu Lasten der Anrechte des Antragstellers bei der ZVK weitere Anrechte zugunsten der Ehefrau i.H.v. 136,30 € im Wege des analogen Quasi-Splittings nach §§ 1 Abs. 3 VAHRG, 1587b Abs. 2 BGB in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet worden.
Aufgrund außergerichtlicher Vereinbarung der geschiedenen Ehegatten zahlte der Antragsteller seit August 2009 an die Ehefrau nachehelichen Unterhalt von monatlich 1.000 €. Zudem überließ er ihr eine ihm gehörende Wohnung mietfrei.
Der Antragsteller bezieht mittlerweile eine vorzeitige Altersrente von 1.406,05 € brutto bzw. 1.257,72 € netto, die ohne Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs 1.983,08 € brutto bzw. 1.761,97 € netto betragen würde. Er begehrt von der DRV, die durch den Versorgungsausgleich bedingte Kürzung seiner laufenden Rente i.H.v. 510,73 € auszusetzen.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Der BGH führt aus, dass bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs auf der Grundlage des früheren Rechts die Obergrenze einer Anpassung dem Betrag entspricht, der im Wege des früheren Splittings nach § 1587b Abs. 1 BGB a.F. ausgeglichen wurde. Dies stelle hier der Splittingbetrag = 510,73 € dar; dieser Betrag müsse dann noch aufgrund des seit dem Ehezeitende (30.04.2005) gestiegenen Rentenwerts dynamisiert werden.
Die weitergehende Kürzung der gesetzlichen Rente des Antragstellers infolge des Quasi-Splittings nach §§ 1 Abs. 3 VAHRG, 1587b Abs. 2 BGB (hier: 136,30 €) und des erweiterten Splittings nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG (hier: 19,78 €) habe auf die Bestimmung der Obergrenze keine Auswirkung. Diese Kürzungen betreffen Anrechte des Antragstellers, die nicht anpassungsfähig i.S.d. § 32 VersAusglG sind.
Da die Anpassung zudem auch nicht höher als der (ohne die Kürzung bestehende) gesetzliche Unterhaltsanspruch sein dürfe, müsse für die Durchführung der Anpassung eine vorhandene Unterhaltsregelung stets von Amts wegen daraufhin überprüft werden, ob sie noch den gesetzlichen Vorschriften über den nachehelichen Unterhalt entspreche.
Eine Korrektur der Unterhaltsregelung sei insbesondere vorzunehmen, wenn diese bereits älter sei und noch aus der Zeit des Erwerbslebens des Unterhaltspflichtigen stamme, da sie nach dessen Eintritt in den Ruhestand regelmäßig nicht mehr der aktuellen Unterhaltsverpflichtung entspreche.
Folgerungen aus der Entscheidung
Die Anpassung setzt voraus, dass der Ausgleichspflichtige bereits eine laufende Rente aus einem Anrecht bezieht, das aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt worden ist. Unerheblich ist, ob die Versorgungskürzung aufgrund des alten oder neuen Versorgungsausgleichsrechts erfolgt ist, § 33 VersAusglG ist in beiden Fällen anzuwenden.
Der BGH bestätigt hier seine Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschl. v. 21.3.2012 - XII ZB 234/11, FamRZ 2012, 853), dass die Obergrenze der Anpassung nach § 33 Abs. 1, Abs. 2 VersAusglG bei Altentscheidungen dem Betrag entspricht, der im Wege des Splittings nach § 1587b Abs. 1 BGB ausgeglichen wurde.
Eine Anpassung kommt nur bei Unterhaltsansprüchen des Ausgleichsberechtigten in Betracht. Ein Unterhaltstitel muss zwar nicht vorliegen. Andererseits genügt alleine das Bestehen eines Titels nicht, wenn der titulierte nicht dem materiell geschuldeten Unterhalt entspricht. Daher muss auch bei Vorliegen eines Unterhaltstitels geprüft werden, ob der titulierte Unterhaltsanspruch tatsächlich (noch) besteht, (vgl. BGH, Beschl. v. 21.3.2012 – XII ZB 234/11, FamRZ 2012, 853).
Ein bestehender Unterhaltstitel kann nur zugrunde gelegt werden, wenn er auf der Grundlage der ungekürzten Versorgung (also auf Basis der Renten, wie sie sich ohne den Versorgungsausgleich ergeben) entstanden ist. Überwiegend wird dies nicht der Fall sein. Dann ist der Versorgungsausgleich hinwegzudenken und auf dieser Grundlage der Unterhalt zu berechnen. Es wäre der Unterhalt also mit der Altersrente des Mannes von 1.761,97 € netto zu errechnen.
Die Kürzung ist dann in Höhe dieses Unterhaltsanspruchs auszusetzen, höchstens jedoch in Höhe der Differenz der beiderseitigen Ausgleichswerte aus denjenigen Anrechten i.S.d. § 32, aus denen der Ausgleichspflichtige eine laufende Versorgung bezieht, § 33 Abs. 3 VersAusglG.
Praxishinweis
Über die Anpassung und deren Abänderung wegen Unterhalts entscheidet das Familiengericht, § 34 Abs. 1 VersAusglG. Da die Anpassung erst ab Folgemonat nach Antragstellung wirkt, §§ 38 Abs. 2, 34 Abs. 3 VersAusglG, sollte sie schnellstmöglich geltend gemacht werden.
Anpassungsfähig sind ausschließlich die in § 32 VersAusglG genannten Grundversorgungen. Betriebliche Versorgungen oder privaten Versicherungen können somit nicht angepasst werden. Deshalb kam hier auch keine Anpassung betreffs der Kürzungen durch das Quasi-Splitting oder das erweiterte Splitting in Frage.
BGH, Beschl. v. 02.08.2017 – XII ZB 170/16
Quelle: Richter am OLG Frank Götsche