Die Erbin eines verstorbenen Künstlers erzielt durch die 19 Jahre nach dessen Tod erfolgte Veräußerung des künstlerischen Nachlasses auch dann nachträgliche Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit, wenn zwischen Tod und Veräußerung keine weiteren Verwertungshandlungen vorgenommen wurden.
Dies hat das FG Schleswig-Holstein entschieden. Die Klägerin wendete sich gegen einen Bescheid des Finanzamtes, in dem ein Veräußerungsgewinn für Einkünfte aus selbstständiger Arbeit festgesetzt worden war.
Sie hatte die Manuskripte, Ideensammlungen und Exposees Ihres verstorbenen Mannes geerbt und 19 Jahre später veräußert.
Dem Rechtsnachfolger zufließende nachträgliche Einkünfte sind ihm als eigene Einkünfte zuzurechnen. Der Tod eines Freiberuflers hat nicht zur Folge, dass eine Betriebsaufgabe vorliegt oder das Betriebsvermögen bei seinen Erben in das Privatvermögen übergeht (BFH-Urteile vom 7. Oktober 1965 IV 346/61 U, BFHE 83, 462, BStBl III 1965, 666; vom 12. März 1992 IV R 29/91, BFHE 168, 405, BStBl II 1993, 36). Auch wenn ein Schriftsteller, Wissenschaftler oder Künstler stirbt und die Berufstätigkeit des verstorbenen Freiberuflers aufgrund ihrer höchstpersönlichen Natur von den Erben nicht fortgeführt werden kann, liegt darin keine Betriebsaufgabe (BFH-Urteil vom 29. April 1993 IV R 16/92, BFHE 171, 385, BStBl II 1993, 716; Brandt in Hermann/Heuer/Raupach, EStG, § 18 Anm. 332 m.w.N.; Wacker in Schmidt, EStG, 24. Auflage, § 18 Rz. 256; a.A. FG Berlin, Urteil vom 22. September 1986 VIII 152/85, EFG 1987, 244; Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 7. August 1991 IV 1053/87, EFG 1993, 329). Die Veräußerung der vom Erblasser geschaffenen Werke stellt sich als Abschluss und Abwicklung der künstlerischen Betätigung dar und wird daher noch dieser zugerechnet (vgl. BFH-Urteil vom 7. Oktober 1965 IV 346/61 U, BFHE 83, 462, BStBl III 1965, 666).
Aus diesem Grunde ist schon in der bisherigen Rechtsprechung entschieden worden, dass Einkünfte aus selbstständiger Arbeit gegeben sind, wenn der Erbe die noch vom Erblasser geschaffenen Werke veräußert und wenn die Witwe und Erbin eines Erfinders dessen Erfindungen durch Übertragung von Patentrechten verwertet (BFH-Urteil vom 7. Oktober 1965 IV 346/61 U, BFHE 83, 462, BStBl III 1965, 666). Dies gilt nach der Rechtsprechung des BFH auch, wenn die Verwertungshandlungen sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und die zum Nachlass gehörenden Kunstwerke einzeln veräußert werden. Diese Gestaltung der Abwicklung hat zur Folge, dass nicht ein begünstigter Betriebsveräußerungs- oder Betriebsaufgabegewinn entsteht, sondern dass nach dem Normaltarif zu besteuernde Einkünfte anfallen. Die Qualifikation der Einkünfte als (nachträgliche) Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit wird dadurch jedoch nicht berührt.
Der BFH hat auch in anderem Zusammenhang ausgeführt, dass sich an den Tod eines freiberuflich tätigen Steuerpflichtigen eine Abwicklungstätigkeit anschließen kann, die noch der freiberuflichen Tätigkeit zuzuordnen ist (BFH-Urteil vom 30.März 1989 IV R 45/87, BFHE 156, 204, BStBl II 1989, 509). Wenn in dieser Entscheidung von einer zeitlich begrenzten Abwicklungstätigkeit gesprochen wurde, so ist damit gemeint, dass die damals zu beurteilenden Aktivitäten (im Wesentlichen Durchsicht von Manuskripten und Akten) nur über einen begrenzten Zeitraum in Betracht kamen. Bei der Verwertung von zum Nachlass gehörenden Kunstwerken ergibt sich die zeitliche Begrenzung mittelbar daraus, dass nur die Verwertung der noch vorhandenen Kunstwerke der freiberuflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann (BFH-Urteil vom 29. April 1993 IV R 16/92, BFHE 171, 385, BStBl II 1993, 716). Nachträglich eingehende Honorare und Gewinnanteile und Verwertungsentgelte (GEMA, VG-Wort) oder vom Erben vereinbarte Entgelte aus der Verwertung von Urheberrechten des Erblassers gehören gleichfalls zu den freiberuflichen Einkünften der Erben (Seeger in Schmidt, EStG, 24. Auflage, § 24 Rz. 93 und Wacker in Schmidt, EStG, § 18 Rz. 257; BFH-Urteil vom 2. März 1995 IV R 62/93, BFHE 177, 113, BStBl II 1995, 413). Etwas anderes gilt nur, wenn die veräußerten Wirtschaftsgüter durch Entnahme vor der Veräußerung in das Privatvermögen überführt worden waren (Seeger in Schmidt, EStG, 24. Auflage, § 24 Rz. 93; Horn in Hermann/Heuer/Raupach, EStG, § 24 Anm. 78).
Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen im Streitfall nachträgliche Einkünfte der Mutter des Klägers aus der freiberuflichen Tätigkeit ihres verstorbenen Ehemannes gemäß § 24 Nr. 2 i.V.m. § 18 Nr. 1 EStG vor. Die Einnahmen der Mutter des Klägers aus der Veräußerung der Manuskripte, Ideensammlungen und Exposees des Vaters des Klägers standen in wirtschaftlichen Zusammenhang mit der ehemaligen Tätigkeit ihres Ehemannes. Diese an Y veräußerten Werke und Nutzungsrechte gehörten zu dem der selbstständigen Arbeit dienenden freiberuflichen Betriebsvermögen des Vaters des Klägers, was in der mündlichen Verhandlung zwischen den Beteiligten unstreitig war. Diese Eigenschaft verloren diese Wirtschaftsgüter auch nicht durch den Tod des Vaters des Klägers im Jahre 1979, denn ein Übergang in das Privatvermögen der Erbin erfolgte dadurch nicht. Der Tod des Vaters des Klägers führte auch nicht zu einer Betriebsaufgabe, da eine entsprechende Betriebsaufgabeerklärung nicht abgegeben wurde. Der künstlerische Nachlass war nunmehr Betriebsvermögen der Mutter des Klägers (vgl. insoweit insbesondere BFH-Urteil vom 29. April 1993 IV R 16/92, BFHE 171, 385, BStBl II 1993, 716).
FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 07.12.2005 - Aktenzeichen 2 K 220/01Die Entscheidung im Volltext erhalten Sie hier.
Quelle: FG Schleswig-Holstein - Urteil vom 07.12.05