Beim betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) greifen auch Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats - allerdings nur im Rahmen von Verfahrensgrundsätzen, ansonsten ist die Umsetzung eines BEM Aufgabe des Arbeitgebers. Das hat das BAG entschieden. Die Voraussetzungen und der Inhalt eines BEM sind dabei grundsätzlich von anderen betrieblichen Verfahren abzugrenzen.
Sachverhalt
Wenn Betriebsrat und Arbeitgeber sich streiten und keine Lösung finden, ist häufig die Einigungsstelle zuständig. Diese fällt dann einen Einigungsstellenspruch, der eingeschränkt durch die Arbeitsgerichte überprüft werden kann. In diesem Fall stritten der Arbeitgeber und sein Betriebsrat über die Wirksamkeit eines solchen Einigungsstellenspruchs zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM).
Das BEM hat ein Arbeitgeber dann durchzuführen, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb von zwölf Monaten länger als sechs Wochen am Stück oder in Teilen arbeitsunfähig erkrankt ist. Es soll dadurch geklärt werden, wie die Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann.
In dem Spruch der Einigungsstelle war nun für die Durchführung des BEM die Bildung eines Integrationsteams vorgesehen, das sich aus je einem Vertreter des Arbeitgebers und des Betriebsrats zusammensetzt. Dieses hat das BEM mit dem betroffenen Arbeitnehmer durchzuführen, konkrete Maßnahmen zu beraten und diese dann dem Arbeitgeber vorzuschlagen. Außerdem sollte das Integrationsteam den anschließenden Prozess begleiten.
Das passte dem Arbeitgeber allerdings nicht und er wollte durch das ArbG die Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle feststellen lassen. Nachdem der Arbeitgeber vor dem LAG (LAG Hamburg, Beschl. v. 20.02.2014 – 1 TaBV 4/13) gewonnen hatte, legte der Betriebsrat eine Rechtsbeschwerde ein, und die Angelegenheit wurde an das BAG verwiesen.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Das BAG gab dem Arbeitgeber ebenfalls Recht und wies die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats zurück. Die Einigungsstelle hatte hier ihre Zuständigkeit überschritten, weil sich der Spruch der Einigungsstelle sich nicht auf die Ausgestaltung des BEM beschränkt hatte. Der Fehler lag darin, dass das Integrationsteam weiter beteiligt werden sollte. Die Umsetzung der Maßnahmen ist aber allein Aufgabe des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber entscheidet alleine, wie diese durchzuführen ist.
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Maßnahmen des Gesundheitsschutzes erfasst nur die Aufstellung von Verfahrensgrundsätzen zur Klärung der Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann. Dieses ergibt sich daraus, dass der Betriebsrat zwar bei Maßnahmen des Gesundheitsschutzes nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitbestimmt, der maßgebliche § 84 Abs. 2 S. 1 SGB IX, in dem das BEM geregelt ist, allerdings nur eine Rahmenvorschrift ist.
Folgerungen aus der Entscheidung
Der Betriebsrat kann nach § 84 Abs. 2 S. 1 SGB IX die Durchführung eines BEM grundsätzlich verlangen. Außerdem ist er nach § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX dazu gehalten, zu überwachen, ob der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nachkommt. Dieses Initiativrecht wird zudem durch § 93 SGB IX nochmals unterstrichen. Die eigentliche Durchführung des BEM obliegt allerdings dem Arbeitgeber. Lediglich Verfahrensgrundsätze sind mitbestimmungspflichtig, nicht aber die spätere Ausgestaltung.
Praxishinweis
Das BEM ist keine formale Voraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung. Fehlt es jedoch, wird der Arbeitgeber mit seiner Kündigung mit großer Wahrscheinlichkeit scheitern. Die Einzelfälle, in denen ein BEM nicht durchgeführt werden muss, sind rar gesät. Und in einer Vielzahl von Entscheidungen wurde zwischenzeitlich festgestellt, wie ein solches BEM durch den Arbeitgeber durchzuführen ist.
Sowohl Arbeitgeber als auch Betriebsrat kann hier nur geraten werden, die Verfahrensgrundsätze in einer Betriebsvereinbarung festzuhalten – wenn es denn einen Betriebsrat gibt.
Wichtig ist auch die Abgrenzung des BEM zu zwei weiteren im SGB IX genannten Verfahrensarten, nämlich
- zur Integrationsvereinbarung und
- zum Präventionsverfahren.
Diese beiden Verfahren haben grundsätzlich mit dem BEM nichts zu tun. Die Integrationsvereinbarung findet sich in § 83 SGB IX, das Präventionsverfahren in § 84 Abs. 1 SGB IX. Durch die Integrationsvereinbarung wird die Eingliederung schwerbehinderter Menschen, vor allem im Rahmen der Arbeitsplatzgestaltungen Personalplanung geregelt. Es geht also in erster Linie um die Eingliederung und nicht wie beim BEM um die Erhaltung der Gesundheit der Arbeitnehmer.
Das Präventionsverfahren bezieht sich ebenfalls auf schwerbehinderte Arbeitnehmer. Damit soll vermieden werden, dass das Arbeitsverhältnis eines schwerbehinderten Arbeitnehmers wegen personen-, verhaltens- oder betriebsbedingter Gründe endet. Die Arbeitsunfähigkeit steht also nicht unbedingt im Vordergrund.
Außerdem muss bei dieser Gelegenheit noch einmal eins klargestellt werden: Die Regelungen zum BEM finden sich im SGB IX, das den Titel „Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen“ trägt. Trotzdem gilt das BEM für sämtliche Arbeitnehmer, die länger als sechs Wochen innerhalb eines Jahres erkrankt sind. Es findet also nicht nur Anwendung auf behinderte oder schwerbehinderte Menschen.
BAG, Beschl. v. 22.03.2016 - 1 ABR 14/14
Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Arno Schrader