LAG Mainz, Urt. v. 10.11.2011 - 10 Sa 329/11
Der Zweck rechtfertigt nicht die Mittel: Ein Bankangestellter darf sich auch bei massiver Verliebtheit nicht aus den Bankdaten die Handynummer einer Kundin besorgen, um privaten Kontakt aufzunehmen. Die Flirtversuche empfand die Kundin als Belästigung und informierte den Vorstand. Grund für eine Kündigung? Das LAG Mainz hat sich mit dem Fall beschäftigt. {DB:tt_content:2566:bodytext}
Darum geht es
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung. Der Kläger ist seit 2001 bei der Beklagten, einer Bank, als Bankangestellter, zuletzt als Leiter des Standardgeschäfts Basiskunden, beschäftigt. Die Bank beschäftigt ca. 100 Arbeitnehmer.
Der (verheiratete) Kläger hatte an einer Tankstelle eine Dame mit den Worten „Kennen wir uns nicht? Sie kommen mir bekannt vor!" angesprochen. Auf seine Nachfrage teilte ihm der Tankwart den Namen der Frau mit. Am folgenden Tag brachte der Kläger in Erfahrung, dass die Frau Kundin der Bank ist, besorgte sich aus den Bankdaten ihre Handynummer und versandte ihr eine SMS mit seiner privaten Telefonnummer: „Dieser Blickkontakt hat mich beeindruckt. Sie besitzen eine große Ausstrahlung. Vielleicht ging es Ihnen ja wie mir gestern Morgen. Handy-Nr.."
In der darauffolgenden Woche hatte die Dame einen Termin mit ihrem Kundenbetreuer. Der Kläger folgte ihr von der Schalterhalle in ein Beratungszimmer und sprach sie dort erneut an. Die Kundin empfand die Ansprache an der Tankstelle, die SMS und das unerwünschte Gespräch im Beratungszimmer als ungehörige Anmache und beschwerte sich beim Vorstand.
Die Bank kündigte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrates wegen missbräuchlicher Verwendung von Bankdaten für offensichtlich private Zwecke sowie ruf- und geschäftsschädigenden Verhaltens. Sie bot dem Kläger gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis in der Funktion eines Beraters im Standardgeschäft fortzusetzen - natürlich mit einem geringeren Gehalt.
Diese Änderungskündigung wollte der Banker nicht akzeptieren, allenfalls eine Abmahnung. Er nahm die neue Stelle nur unter Vorbehalt an und klagte. Zunächst gab ihm das ArbG Kaiserslautern recht, danach auch das LAG Rheinland-Pfalz.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte hätte den Kläger vor Ausspruch der Änderungskündigung abmahnen müssen. Eine Abmahnung sei nicht entbehrlich gewesen. Die Beklagte halte eine Änderung des Verhaltens des Klägers in Zukunft, was sie mit dem Ausspruch der Änderungskündigung selbst dokumentiert habe, für möglich. Eine schwere Pflichtverletzung liege nicht vor. Im Übrigen sei die ausgesprochene Änderungskündigung im Vergleich zur Abmahnung auch nicht besser geeignet, ein zukünftiges Fehlverhalten des Klägers zu verhindern bzw. eine Änderung seines Verhaltens zu bewirken. Schließlich habe der Kläger auch als Berater Zugriff auf private Kundendaten. Es lasse sich dem Vortrag der Beklagten nicht entnehmen, wie der Datenmissbrauch in Zukunft verhindert bzw. wesentlich erschwert werden soll.
Die beklagte Bank ging in Berufung und argumentierte, die Verfehlungen ihres Mitarbeiters seien so schwerwiegend, dass eine Abmahnung entbehrlich gewesen sei. Der Kläger habe insgesamt fünfmal Kontakt zu der Kundin aufgenommen. Er habe gespeicherte Bankdaten verwendet und geschäftliche Vorsprachen ausgenutzt, um der Kundin eindeutige erotische Angebote zu machen. Den missbräuchlichen Umgang mit Kundendaten und die missbräuchliche Ausnutzung der Dienststellung könne sie nicht dulden. Hinzu komme, dass die Sache in der Stadt bekannt geworden sei. Mehrere andere Kunden hätten massiv Anstoß genommen und sich deswegen auch an den Vorstand gewandt. Ihr könne nicht zugemutet werden, es bei einer Abmahnung zu belassen. Sie habe ohnehin mit der Änderungskündigung das sozial mildere Mittel gewählt und keine fristlose Kündigung ausgesprochen.
Auch aus Sicht der Berufungskammer liegen keine ausreichenden Gründe im Verhalten des Klägers für eine Änderungskündigung ohne vorangegangene Abmahnung vor. Im Hinblick auf die Besonderheiten des vorliegenden Falles wäre der Ausspruch einer Abmahnung erforderlich, aber auch ausreichend gewesen, um beim Kläger künftig ein vertragsgetreues Verhalten zu erreichen.Der Kläger hat mit seinem Verhalten gegen seine dienstlichen Pflichten verstoßen. Es war ihm nicht gestattet, die private Handynummer einer Kundin aus den bei der Beklagten gespeicherten Daten zu verwenden, um ihr eine private SMS zu senden. Der Inhalt der SMS ist eindeutig privater Natur. Der Erklärungsversuch des Klägers, er habe die SMS verfasst, um den Kundenkontakt zu verbessern, jedoch den „geschäftspolitischen Hintergrund nicht gleich in den Vordergrund" stellen wollen, ist wenig plausibel. Die Kundin fühlte sich vom Kläger auch dadurch belästigt, dass er sie in einem Beratungszimmer der Bank in ein Gespräch verwickelt hat, obwohl er nicht für ihre Betreuung zuständig war. Wenn die Berufung von „eindeutig erotischen Angeboten" des Klägers spricht, lassen sich solche nicht ansatzweise erkennen. Das Verhalten des Klägers, der in seiner Stellung als Bereichsleiter Vorbildfunktion hat, gegenüber der Kundinwar nicht korrekt, so dass ein schlechter Eindruck entstanden ist, der auch auf die Bank zurückfällt.
Das Fehlverhalten des Klägers bietet keine ausreichende Grundlage für die Prognose, selbst im Falle einer Abmahnung sei ein tadelloses Verhalten des Klägers gegenüber Kundinnen in Zukunft nicht zu erwarten oder eine Wiederherstellung des Vertrauens in seine Zuverlässigkeit ausgeschlossen. Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beklagte selbst eine Änderung des Verhaltens des Klägers in Zukunft für möglich hält, was sie mit dem Ausspruch einer Änderungskündigung dokumentiert hat. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Pflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Danach war eine Abmahnung hier nicht entbehrlich. Vielmehr ist die Erwartung berechtigt, dass sich der Kläger eine Warnung mit Kündigungsdrohung zu Herzen nehmen wird und das Arbeitsverhältnis vertragsgerecht fortgesetzt werden kann.
Quelle: LAG Mainz, Red. - vom 07.02.12