Mit Wirkungzum 04.08.2009 wurde die Definition des Arbeitnehmers in § 5 Abs. 1 BetrVG erweitert.
Der neue § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ist insbesondere für alle Arbeitgeber von höchster Relevanz, die zugewiesenes Personal eines öffentlichen Dienstherrn beschäftigen.{DB:tt_content:2566:bodytext}
Arbeitnehmerbegriff gem. § 5 BetrVG
Die Definition des Arbeitnehmers findet sich für das Betriebsverfassungsgesetz in § 5 BetrVG. Zentrale Vorschrift ist § 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG:
„Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit beschäftigt werden.“
Ergänzt wird die Definition durch die Fiktion des Satzes 2, nach der in Heimarbeit Beschäftigte, die in der Hauptsache für einen Betrieb arbeiten, als Arbeitnehmer gelten. Gem. § 5 Abs. 2–4 BetrVG werden bestimmte Personen aus dem Kreis der Arbeitnehmer ausgeschlossen bzw. das BetrVG auf leitende Angestellte für nicht anwendbar erklärt.
Erweiterung des Arbeitnehmerbegriffs in Spezialgesetzen
Diese Definition ist hingegen seit 01.08.2006 unvollständig. Spezialgesetzlich wurde der Kreis der Arbeitnehmer i.S.d. BetrVG nämlich erweitert. Nach § 5 BWpVerwPG (Bundeswertpapierverwaltungspersonalgesetz) handelt es sich auch bei gesetzlich bestimmten Beamten um Arbeitnehmer:
„(1) Die in § 2 Abs. 1 genannten Beschäftigten gelten für die Anwendung der Vorschriften über die Vertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Aufsichtsrat, für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes und des Sprecherausschussgesetzes als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesrepublik Deutschland - Finanzagentur GmbH und sind als solche aktiv und passiv wahlberechtigt.
(2)Als leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes gelten auch die funktional vergleichbaren Beamtinnen und Beamten.“
Entsprechende Bestimmungen enthält § 5 Abs. 1 und Abs. 2 BfAIPG (Gesetz über das Personal der Bundesagentur für Außenwirtschaft) vom 08.12.2008, BGBl. 2008, 2370 für die Beamten und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Außenwirtschaft, die der Germany Trade and Invest - Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH zugewiesen wurden. Eine allgemeine gesetzliche Bestimmung, nach der Beamte und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die dauerhaft in die Betriebsorganisation privatrechtlich organisierter Rechtsträger eingegliedert sind, als Arbeitnehmer i.S.d. Betriebsverfassungsgesetzes gelten, wurde weder durch das BwpVerwPG noch durch das BfAIPG geschaffen.
Am 04.08.2009 ist das Gesetz zur Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung (BAFG) vom 29.07.2009, BGBl 2009, 2424 in Kraft getreten. Wieder einmal lässt der Titel dieses Artikelgesetzes nicht im Entferntesten seine erhebliche arbeitsrechtliche Relevanz erahnen. Doch mit Art. 9 BAFG wurde auch die Vorschrift des § 5 BetrVG geändert. Diese Änderung ist bereits wirksam. Das BAFG enthält keine Übergangsvorschriften.
Mit Wirkung vom 04.08.2009 wurde die Definition des Arbeitnehmers in § 5 Abs. 1 BetrVG durch die Anfügung eines Satzes 3 erweitert:
„Als Arbeitnehmer gelten ferner Beamte (Beamtinnen und Beamte), Soldaten (Soldatinnen und Soldaten) sowie Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind.“
In Abs. 3 wurde folgender Satz 3 eingefügt:
„Für die in Absatz 1 Satz 3 genannten Beamten und Soldaten gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.“
Ziel des Gesetzes ist es in erster Linie, die aktive und passive Wahlberechtigung derjenigen Beamten und Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes sicherzustellen, die tatsächlich nicht bei ihrem Dienstherrn, sondern bei einem privatrechtlich organisierten Rechtsträger wie dessen Arbeitnehmer eingesetzt und geführt werden.
Damit hat der Gesetzgeber – wahrscheinlich ohne dies zu bemerken – unterschiedliche gesetzliche Regelungen für unterschiedliche Gruppen von Beamten geschaffen, ohne dass dafür eine sachliche Rechtfertigung gegeben wäre. Die bei der Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH eingesetzten Beamten gelten umfassend, also auch für die Anwendung der Vorschriften über die Vertretung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat und des Sprecherausschussgesetzes, als Arbeitnehmer, alle übrigen Beamten nur im Anwendungsbereich des BetrVG. Insbesondere hat der Gesetzgeber die Wahlberechtigung und Vertretung der Beamten in leitender Funktion durch den Sprecherausschuss nicht gesetzlich verankert. Beamte in leitender Funktion bleiben also vorbehaltlich einer zukünftigen Korrektur durch den Gesetzgeber grundsätzlich von der betrieblichen Interessenvertretung nach dem SprAuG ausgenommen und von der Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ausgeschlossen.
Rechtliche Auswirkungen der Gesetzesänderung
Seit dem 04.08.2009 handelt es sich bei tatsächlich in einem Unternehmen privater Rechtsform beschäftigten Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes um Arbeitnehmer i.S.d. BetrVG. Dieser Umstand hat erhebliche Folgen für Unternehmen, die fingierte Arbeitnehmer i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 3 BetrVG beschäftigen.
- Da das BAFG keine Übergangsvorschriften enthält, finden die Vorschriften des BetrVG auf neuen „Arbeitnehmer“ Anwendung, als hätten diese zum 04.08.2009 ein Arbeitsverhältnis zu dem Privatunternehmen begründet. Dann finden z.B. alle, auch die anspruchsbegründenden Betriebsvereinbarungen auf Ihre neuen „Arbeitnehmer“ grundsätzlich Anwendung. Und zwar „unmittelbar und zwingend“, § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG.
In aller Regel ergeben sich wegen des Anrechnungsmechanismus der §§ 9a Abs. 2 Satz 1 BBesG, 123a BRRG für das Beschäftigungsunternehmen keine finanziellen Mehrbelastungen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Betriebsvereinbarungen einen Anspruch auf Sachbezug begründet, dessen wirtschaftlicher Wert nicht wesentlich ins Gewicht fällt. Dann ist eine Anrechung gemäß § 10 BBesG ausgeschlossen. - Darüber hinaus bedeutet die Änderung des BetrVG, dass tatsächlich in Ihrem Unternehmen beschäftigte Beamte und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes selbst dann bei der nächsten regelmäßigen Betriebsratswahl im Jahre 2010 wahlberechtigt sind, wenn diese nicht zu Ihrer Gesellschaft in einem Arbeitsverhältnis stehen. Dieser Umstand ist bei der Wahl unbedingt zu beachten, um Wahlanfechtungsverfahren zu vermeiden.
Die Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG n.F. kann erhebliche Auswirkungen auf ein Unternehmen haben, z.B. durch das Überschreiten von Schwellenwerten. Möglicherweise führt die Rechtsänderung zur Einrichtung eines Wirtschaftsausschusses (§ 106 BetrVG), zur Freistellung von Betriebsratsmitgliedern (§ 38 BetrVG) oder zur Hinzuziehung von Sachverständigen (§ 111 Abs. 1 Satz 2 BetrVG).
Quelle: Dr. Martin Kolmhuber, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln - Beitrag vom 07.09.09